Teil 7 unserer Fastenserie zu christlichen Tugenden

Die Hoffnung stirbt zuletzt

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Das Osterfest zeigt uns: Der Karfreitag hat nicht das letzte Wort. Auch im größten Leid, im größten Schmerz gibt es Hoffnung. Diese christliche Hoffnung ist aber kein billiges Geschenk. Man muss sie aktiv leben.

Auf einem gelben Hintergrund steht das Wort "hofft".
Klare Ansage: Christus ist auferstanden, deshalb sollen wir hoffen! 

Von Susanne Haverkamp

Es ist eine Art Grundgesetz des Christseins: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ (1. Petrusbrief 3,15) Offenbar sollen wir Christen nicht in erster Linie Glaubenswahrheiten predigen, nicht ungefragt über Dogmen und Morallehre referieren, sondern von der Hoffnung erzählen, die uns erfüllt. Was aber ist christliche Hoffnung? Nun: ganz sicher die Hoffnung auf den Himmel. Aber längst nicht nur.

Hoffnung und Illusion
„Hoffentlich ist Corona im Sommer vorbei!“ Dieser Stoßseufzer beschreibt eine Hoffnung, die zurzeit viele erfüllt. Leider beschreibt er aber auch eine Illusion. Nein, das Coronavirus wird im Sommer nicht ausgerottet sein; es ist gekommen, um zu bleiben.

Im Unterschied zur Illusion ist die christliche Hoffnung eine begründete. Nehmen wir die Emmaus-Jünger. Als sie auf dem Weg mit dem Fremden sprechen und ihm von ihrem Kummer erzählen, sagen sie: „Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde.“ Diese Hoffnung hatte Gründe. Die machtvollen Predigten Jesu zum Beispiel. Seine Heilungen. Seine offensichtliche Nähe zu Gott. Die große Übereinstimmung seiner Person mit dem, was die Propheten ankündigten. 

Beweise waren das alles nicht; man konnte Jesus auch ganz anders beurteilen. Aber die Emmaus-Jünger hatten gute Gründe für die Hoffnung, dass Jesus der Messias ist. Gute Gründe: ein Kriterium für christliche Hoffnungen.

Hoffnung und trotzdem 
Christliche Hoffnung heißt aber auch: hoffen gegen den Schein. Durchhalten trotz widriger Umstände, vielleicht sogar trotz augenscheinlich guter Gegengründe. Wie bei den Emmaus-Jüngern. Denn der Kreuzestod Jesu war nun wirklich ein starkes Gegenargument. Wie soll jemand der von Gott gesandte Messias sein, wenn dieser Gott ihn den Schandtod am Kreuz sterben lässt? Gott hätte doch eingegriffen, wenn es so wäre. Legionen von Engeln hätte er geschickt. Hat er aber nicht, und deshalb ist den beiden hoffnungslosen Wanderern klar: Wir haben uns geirrt. Offenbar war die Hoffnung nicht stark genug, dem Geschehen standzuhalten, nicht stark genug gegen den äußeren Schein. 

Vorwürfe haben sie aber nicht verdient. Denn wie schwer es ist, trotzdem zu hoffen, weiß wohl jeder aus seinem eigenen Leben. Wenn die ärztliche Prognose schlecht ist; wenn die Firma scheinbar unaufhaltsam in die Pleite schlittert; wenn der Streit in der Ehe immer häufiger und immer heftiger wird; wenn die Tochter schon wieder den Drogenentzug nicht geschafft hat. 

Dann trotzdem zu hoffen, ist eben auch ein Stück Trotz. Trotz, aus dem Kraft erwachsen kann und zu dem es vielleicht keine Alternative gibt. Der Philosoph Ernst Bloch sagt: „Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt das, was wir befürchten, bestimmt.“ Auch wenn Bloch kein Vorzeigechrist ist: Seinem „Prinzip Hoffnung“ können auch gläubige Menschen folgen.

Hoffnung wecken
Wer könnte nicht mitfühlen mit den Emmaus-Jüngern? Die Katastrophe am Kreuz ist einfach zu groß. Aus dieser Hoffnungslosigkeit finden sie alleine nicht heraus.

Müssen sie auch nicht, denn zum Glück kommt jemand hinzu. Jemand, der fragt, der ihnen zuhört, der versucht, ihre Hoffnungslosigkeit zu verstehen. Und der dann nicht einfach tröstet, sondern weiterdenkt, argumentiert. „Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“ Dieser Jemand begründet neu: Auch wenn es so aussieht, eure Hoffnung war keine Illusion. Es gibt gute Gründe daran festzuhalten! Diese Situation auf uns zu übertragen, ist nicht schwer. Darauf, wie wichtig es ist, Wegbegleiter zu haben, wenn unsere Hoffnungen schwinden. Und Wegbegleiter zu sein, wenn anderen die Hoffnung schwindet. 

Offenbar hilft es, gegen die Resignation anzureden, die andere Seite der Medaille zu zeigen; vielleicht warten die Emmaus-Jünger (und wir) nur darauf, dass jemand sie (uns) mit neuen Argumenten aus der Hoffnungslosigkeit herausholt. Auf einem langen Spaziergang vielleicht oder bei einem guten Essen. Jedenfalls ohne Eile. Auch Jesus nimmt sich viel Zeit für die beiden: erst unterwegs, und als das nicht reicht, bleibt er noch zum Essen. 

Zugegeben: Niemand von uns ist Jesus und vielleicht fehlen uns manchmal die Argumente. Aber sich Zeit nehmen, wenn es wichtig ist, um anderen neue Hoffnung zu schenken, das könnten wir schon.

Hoffnung und Tun
Manchmal hat es den Anschein, als sei Hoffnung eine rein passive Haltung, so etwas wie ein Grundoptimismus, ein „Es-wird-schon-Gutgehen“. Der Sozialwissenschaftler Stephan Marks sagt: „Optimisten sehen ein halbvolles Wasserglas, Pessimisten ein halbleeres. Hoffnung hingegen ist die Bereitschaft, nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten dazu beizutragen, dass das Glas voller wird – ganz unabhängig davon, wie voll oder leer es jeweils sein mag.“

So sehen das auch die Emmaus-Jünger. Denn sie bleiben nicht gut gelaunt sitzen, jetzt, wo ihr Hoffnungsglas wieder gut gefüllt ist und sie nachts besser schlafen können. Im Gegenteil: „Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück.“ Ihnen ist klar: Unsere Hoffnung treibt uns zum Handeln. Wir müssen von dem, was wir erlebt haben, erzählen. Und das, obwohl die namenlosen Männer wohl eher nicht zur Chefetage gehörten, nicht zum innersten Kreis Jesu. Sie waren keine Apostel mit Sendungsauftrag und es war nicht klar, ob ihnen irgendjemand glauben würde. Mit Vernunft betrachtet, war es eigentlich Blödsinn, in der Dunkelheit nach Jerusalem zurückzulaufen. 

Eingang zu den Höhlengräbern auf dem Wanderweg "Emmaus Trail" bei Emmaus Nikopolis (Israel).
Das Grab ist leer: Höhlengräber auf
dem Emmaus-Trail in Israel. 

Und doch: Christliche Hoffnung zielt auf das Tun. Immer. Ganz egal, wie wahrscheinlich der Erfolg ist. Wer auf Gesundung hofft, muss mithelfen – Ernährung, Sport, Therapie. Wer auf eine Rückkehr in den Alltag nach Corona hofft, muss mithelfen – Maske tragen, Kontakte reduzieren, sich impfen lassen. Wer auf ein friedliches und gerechtes Miteinander in der Gesellschaft hofft, muss mithelfen – andere respektvoll behandeln, niemanden ausgrenzen, mit anderen teilen.

Hoffnung ist die Tugend der Tat. Deshalb haben die Jünger Jesu nicht nur auf Rettung und Heil für sich selbst gehofft, sondern sie haben verkündet und Gemeinden gegründet. Sie haben das Reich Gottes nicht nur hoffnungsvoll vom Himmel her erwartet, sondern sie wollten es auf Erden beginnen lassen. 

Wer deshalb Christen vorwirft, sie würden auf die Ewigkeit vertröstet, um bestehendes Unrecht besser zu ertragen, der hat von christlicher Hoffnung nichts verstanden. Um es in der Sprache der Reich-Gottes-Gleichnisse Jesu zu sagen: Ohne selbst zu säen, ist die Hoffnung auf reiche Ernte leider sinnlos.

Hoffnung und Geduld
Wobei das Warten auf die reiche Ernte das Schwierige ist. Und zu akzeptieren, dass so manches Korn eben nicht aufgeht, verdorrt oder verhagelt oder für das Wachstum wesentlich länger braucht als gedacht. 

Deshalb muss jeder, der hofft, Geduld mitbringen, und die ist eine wahrhaft göttliche Eigenschaft, wie man schon an den vielen Gebeten um Geduld erkennen kann. Paulus bringt es auf den Punkt: „Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Denn wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld.“ (Römerbrief 8,24-25) Ach, hoffen klingt so viel einfacher als „ausharren in Geduld“.

Die Hoffnung stirbt nie
Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt der Volksmund, aber Christen wissen: Die Hoffnung stirbt nie. Denn der Glaube an eine Zukunft bei Gott auch über den scheinbar so endgültigen Tod hinaus zählt gerade dann, wenn etwa die Hoffnung auf Gesundung sich nicht erfüllt. 

Papst Franziskus sagte in einer Predigt, die christliche Hoffnung sei „so etwas wie ein Anker, den man in Richtung des anderen Ufers auswirft und an dessen Leine man sich festklammert“. Diese Leine hilft, dass man auch in Leid und Not nicht untergeht. Nicht im Sinne einer Vertröstung, sondern im Sinne einer Kraft, die beim Schwimmen hilft, weil ich glauben kann: Letztlich werde ich nicht untergehen. Und wer jemals einen geliebten Menschen verloren hat, weiß, wie wichtig eine solche Kraft ist.

Auch Jesus wird sie gebraucht haben, als er am Kreuz hing. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“: Das zeugt von Angst und Verzweiflung. „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“: Das zeugt von Hoffnung. Seit seiner Auferstehung wissen wir: Diese Hoffnung ist keine Illusion, sie ist eine begründete Hoffnung, auch für uns.

Die Hoffnung stirbt nie, denn sie reicht über den Tod hinaus. Doch vielleicht stirbt sie auch in unserem irdischen Leben nie. Wenn man sie so versteht wie der tschechische Politiker Václav Havel: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas klappen wird, sondern die Gewissheit, dass etwas seinen guten Sinn hat – egal wie es ausgehen wird.“