Verbreitung von Lepra
Die Krankheit der Armen
Als sich bei Navees H. Flecken auf der Haut bildeten, tat er, was man in seinem Dorf im Norden Pakistans macht: auf dem Markt eine Medizin kaufen. Doch seine Tante erkannte, was die Flecken waren: Lepra.
In der Lesung aus dem Buch Levitikus und im Markusevangelium wird an diesem Sonntag von ansteckenden Hautkrankheiten berichtet. Von Jesus, der einen Aussätzigen heilt, und vom Umgang der Priester mit der Krankheit. Die Gesetzestexte im Alten Testament legen genau fest, was zu tun ist: Ein Priester muss entscheiden, welche Krankheit vorliegt. Der Betroffene gilt als unrein; er darf nicht an den Gebeten und am Kult teilnehmen und muss die Gemeinschaft verlassen.
Doch der biblische Aussatz ist nicht eins zu eins mit Lepra gleichzusetzen. Der Begriff fasst verschiedene Hautkrankheiten zusammen. Zugleich ist Lepra aber eine der ältesten bekannten Krankheiten. Sie wird in frühen indischen und chinesischen Überlieferungen und in ägyptischen Papyrusrollen erwähnt. In Europa hatte die ansteckende Hautkrankheit ihren Höhepunkt im 13. Jahrhundert, heute gilt sie hier als ausgerottet.
Die Krankheit befällt Füße, Hände, Gesicht
Anders ist die Situation in Entwicklungsländern. „Lepra ist eine Krankheit der Armen“, sagt Sabine Ludwig von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW). „Es betrifft Menschen, die auf engstem Raum zusammenleben. Da können sich dann ganze Familien anstecken.“ Vor allem in Indien, Brasilien und einigen afrikanischen Ländern ist die Zahl der Neu-Erkrankungen hoch, weltweit sind es bis zu 250 000 jährlich, schätzen Experten. „Noch immer trifft die Krankheit die ärmsten und am meisten benachteiligten Menschen“, sagte Papst Franziskus zum diesjährigen Welt-Lepra-Tag Ende Januar.
Navees H. ist einer von jährlich rund 500 neuen Leprapatienten in Pakistan. „Meine Tante drängte mich, ganz schnell das Krankenhaus von Rawalpindi aufzusuchen“, erzählt er. In dem Krankenhaus, das von der christlichen Organisation „Aid to Leprosy Patients“ und von der DAHW unterstützt wird, arbeitet die
Ärztin Chris Schmotzer. Wie schon bei Navees’ Tante, seinen Cousins und Cousinen stellte sie auch bei ihm Lepra fest.
Die Krankheit wird durch ein Bakterium ausgelöst. Obwohl sie schon so alt ist, ist die Übertragung immer noch nicht genau erforscht. „Es gibt mehrere Übertragungswege. Einer ist die Tröpf-
cheninfektion über die Nasenschleimhaut“, sagt Ludwig. Um sich anzustecken, muss man allerdings langfristig einen engen Kontakt zu einem unbehandelten und schwerwiegend erkrankten Patienten haben.
Die Krankheit betrifft vor allem die Füße, die Hände und das Gesicht. Zu Beginn ist es nur ein Hautausschlag. Unbehandelt sterben aber Nerven. Die Patienten verlieren ihren Tastsinn, das Gefühl für Kälte, Wärme und Schmerz. So verletzen sie sich häufig an den Extremitäten, ohne es selbst zu bemerken; die Wunden entzünden sich leicht und Körperbereiche können absterben, so dass Amputationen nötig werden. Zudem verändert die Haut sich stark: Flecken, Knoten und Geschwüre im Gesicht, auf Armen und Beinen sind ein weithin sichtbares Zeichen – und führen zu Stigmatisierung und Ausgrenzung. Davor hat auch Navees Angst.
Die Krankheit ist heute dank einer Kombination von verschiedenen Antibiotika heilbar. Schon nach der ersten Behandlung ist sie nicht mehr ansteckend. Doch Navees muss die Medikamente täglich über ein Jahr einnehmen. Daher besucht ihn regelmäßig der Krankenpfleger Mansour Homat in seinem Dorf. Möglichst heimlich. „Wir sagen auf keinen Fall, dass wir vom Krankenhaus kommen. Navees würde sonst Gefahr laufen, aus der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt zu werden“, erläutert er.
Ein Heiliger, der sich um Leprakranke kümmerte
Einer, der weder die Ausgrenzung noch die Krankheit scheute, war Pater Damian de Veuster, der Ende des 19. Jahrhunderts als erster Missionspater mit Leprakranken auf einer Landzunge der hawaiianischen Insel Molokai lebte. Er pflegte deren Wunden, sorgte für Kleidung und Medikamente, legte Äcker an und baute Holzhäuser. 16 Jahre lebte Pater de Veuster dort, ehe die Lepra bei ihm ausbrach und er 1889 mit 49 Jahren starb. 2011 wurde er von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen.
Die DAHW unterstützt aktuell rund 200 000 Menschen, sorgt für medizinische Versorgung, Physiotherapie, plastische Operationen und berufliche Trainings, um den ehemaligen Patienten eine Zukunft zu ermöglichen.
Navees H. hat von seiner Zukunft genaue Vorstellungen. „Auf alle Fälle möchte ich Kinder haben und ihnen eine Ausbildung ermöglichen“, sagt er. Da die Behandlung rechtzeitig begonnen hat, wird er keine bleibenden Schäden zurückbehalten. In wenigen Monaten kann er wieder ein ganz normales Leben führen.
Von Kerstin Ostendorf