Kar- und Ostertage für alle Generationen
Die Osterfreude teilen, das Leben feiern

Foto: Thomas Osterfeld
Karfreitags-Kreuzweg auf dem Friedhof: Kar- und Ostertage in Haus Ohrbeck im vergangenen Jahr
Frau Lübbers, was ist so reizvoll daran, Ostern nicht zu Hause, sondern mit vielen anderen Menschen in einem Bildungshaus zu feiern?
Die Kar- und Ostertage in Haus Ohrbeck sind eine Traditionsveranstaltung – etwas ganz Besonderes. Es gibt Leute, die seit Jahrzehnten daran teilnehmen. Neu ist, dass wir seit drei Jahren auch offen sind für Familien, denn Erwachsene, die schon öfter hier waren, hatten sich gewünscht, Ostern sowohl mit der Familie zu verbringen als auch Zeit zu haben, den eigenen Glaubens- und Lebensfragen nachzugehen. Das muss sich nicht widersprechen. Es ist möglich, Ostern generationenübergreifend zu feiern und sich jeweils altersgerecht mit der Botschaft des Festes auseinanderzusetzen: Gott rettet und befreit den Menschen.
Was genau planen Sie?
Bisher haben wir rund 60 Anmeldungen – wir sind also eine große Gruppe. Die Erwachsenen teilen sich auf vier Workshops auf, in dieser Zeit gibt es eine Kinderbetreuung. Wir bereiten uns auf die Liturgien am Gründonnerstag, Karfreitag und in der Osternacht vor, beschäftigen uns mit Bibelstellen, gestalten die Osterkerze und feiern natürlich Gottesdienst. Ines Wallenhorst, Referentin im Bereich „Geistliches Leben“ im Seelsorgeamt Osnabrück, wird auf Wunsch auch wieder eine geistliche Begleitung anbieten. Es kann helfen, im Einzelgespräch eigene Gedanken zu sortieren und in Worte zu fassen. Im Mittelpunkt der Tage steht immer die Frage: Was bedeutet Ostern für mich? Unser Motto „Aussichtslos war gestern“ regt an, sich eigenen Lebensfragen zu stellen. Zum Beispiel: Was ist in meinem Leben aussichtslos? Habe ich eine berechtigte Hoffnung?

Wie sieht das ganz praktisch aus?
Am Karfreitag gehen wir alle zur Gedenkstätte Augustaschacht am Ort des früheren Arbeitserziehungslagers Ohrbeck. Die Kinder sammeln unterwegs Material, das sie zu einem Kreuz legen können. Am Augustaschacht feiern wir die Karfreitagsliturgie. Wer möchte, kann die Gedenkstätte danach noch besichtigen. Der Karfreitag zeigt ganz gut, wie anspruchsvoll es ist, alles unter einen Hut zu kriegen, aber dafür haben wir uns im Vorbereitungsteam großzügig aufgestellt. Übrigens kann jeder selbst entscheiden, ob er an den Workshops teilnehmen oder sich lieber in die Stille zurückziehen will.
Im Motto „Aussichtslos war gestern“ schwingt viel Zuversicht in schwierigen Zeiten mit …
Stimmt. Und das Motto stand relativ schnell fest. Ich habe es vor Jahren auf einem Poster der Elbphilharmonie in Hamburg gelesen. Das Poster hängt jetzt in meinem Büro. Damals war die Elbphilharmonie gerade fertig gebaut, ein Bau mit vielen Problemen und Verzögerungen, aber man hat das Projekt durchgezogen. Das fasziniert mich: in einer scheinbar aussichtslosen Sache festzustecken und trotzdem weiterzumachen. „Aussichtslos war gestern“: Das ist für mich die Osterbotschaft!
Wie greifen Sie das Motto in den Workshops auf?
In meinem Workshop zum Beispiel werfen wir einen Blick auf besonders wendungsreiche Biografien von mehr oder weniger berühmten Personen und schauen, wie wir mit uns selbst und anderen die Kurven des Lebens meistern können. Leben deutet man ja rückschauend – retrospektiv. Auch das Leben Jesu deute ich mit Ostern anders, als wenn keine Auferstehung gegeben hätte.
Wenn man sich die Workshops anschaut, sind sie stark an persönlichen Lebensentwürfen orientiert …
Ja, und deshalb brauchen wir auch den Blick nach außen, auf das Weltgeschehen. Beim Morgenlob in der Kapelle werden wir die Fenster jeden Morgen in eine andere Himmelsrichtung öffnen. Nach Norden hin, zu den Polkappen, stellen wir uns der Frage nach dem Klimawandel. Nach Osten hin geht es um den Nahostkonflikt oder nach Süden hin um die Themen Menschenrechte und Arbeitsausbeutung.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher bei den Kar- und Ostertagen in Haus Ohrbeck gemacht?
Ich spüre eine große Offenheit. Die Leute haben Lust, sich kennenzulernen, sind neugierig, probieren sich auch musikalisch aus. Und manchmal ergeben sich spontan Dinge, von denen wir jetzt noch gar nichts wissen.

Zum Beispiel?
Im vergangenen Jahr hatten wir eine Praktikantin im Haus, die Flöte spielen konnte. Ich hatte die Idee, dass sie sich zu Beginn der Osterliturgie ins Treppenhaus stellt und das Lied spielt „O Licht der wunderbaren Nacht“. Das kam richtig gut an, unsere Praktikantin erntete viel Lob. Total unter die Haut gegangen ist mir auch die Art und Weise, wie eine Gruppe die Lesung für die Osternacht vorbereitet hatte.
Was nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit nach Hause?
Wenn man mit Menschen durch die Dynamik der Kar- und Ostertage geht, in den Zweifel und die Fragwürdigkeit von Dingen hinein und auch wieder heraus – das stärkt möglicherweise die Resilienz und ist eine Kompetenz, die sich im Alltag anwenden lässt. Hier ist ein Ort, an dem Menschen miteinander Widersprüche verhandeln und aushalten – und die trotz allem am Ostersonntag die Osterfreude teilen und einfach das Leben feiern.