Freiwilligendienste im Bistum Osnabrück
"Dieses Jahr schafft neue Perspektiven"
Foto: Lea Brelage
Prägende Erfahrungen machen viele junge Menschen im Freiwilligendienst. Massive Kürzungen bedrohen diesen Einsatz – ein „Schlag ins Gesicht“ für alle, denen soziales Engagement wichtig ist, sagt Referatsleiter Sebastian Niemann.Fragt man Vanessa Krusche aus Osnabrück, warum sie sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) entschieden hat, antwortet die 18-Jährige ganz klar: „Dieser Weg passt einfach besser zu mir, weil ich hier praktisch arbeiten kann und sehe, dass ich etwas bewirke, was mir Bestätigung gibt.“
Seit September arbeitet die Osnabrückerin in der in Inobhutnahmegruppe der katholischen Jugendhilfe Don Bosco in Osnabrück. Dort betreut sie bis zu neun Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren, die aus verschiedenen Gründen kurzzeitig in der Einrichtung leben, da in ihrem bisherigen Umfeld ihr Kindeswohl nicht sichergestellt werden kann. Kein leichter Job. Im Alltag von Vanessa Krusche dreht sich derzeit alles um die Begleitung der Kinder: gemeinsames Essen, Hausaufgaben machen, sich für die Schule vorbereiten, spielen oder Ausflüge machen, aber auch Dokumentieren und der Austausch in Teamsitzungen gehören dazu. Jedes Kind soll sich in der Wohngemeinschaft wie zu Hause fühlen und einen geregelten Tagesablauf bekommen. Jetzt ist auch Vanessa ein Teil davon. Sie erzählt, sie habe nicht geglaubt, sich so schnell eingewöhnen zu können. „Die Kinder fragen mich abends schon: ,Wann kommst du wieder?‘ Das gibt mir Energie und motiviert mich jeden Tag aufs Neue“.
Die Idee, einen Freiwilligendienst zu machen, kam der jungen FSJlerin während der zwölften Klasse. Die Möglichkeit, ein FSJ als den praktischen Teil ihres Fachabis anerkennen zu lassen, überzeugte sie. „Ich habe schon länger überlegt, ob ich Soziale Arbeit studieren soll. Hier erlebe ich nun einen richtigen Arbeitsalltag und bekomme die Chance, schon vor dem Berufsleben zu schauen, ob das wirklich was für mich ist.“
Auch die Emsländerin Paula Barloh hat sich für ein FSJ entschieden. Seit August absolviert die 19-Jährige es in der Johannesschule in Meppen. Sie hat ihr Abitur bereits in der Tasche und möchte nun mit dem FSJ testen, ob Soziale Arbeit oder eher das Grundschullehramt der richtige Berufszweig für sie ist. „Hier bekomme ich die Möglichkeit, beide Bereiche kennenzulernen“, sagt sie. Sie unterstützt die Kinder und Jugendlichen im Unterricht und isst auch mit ihnen zu Mittag, hilft bei AGs und in der Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung sowie in der DAZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache). Der Umgang mit den Kindern, unter anderem aus der Ukraine, sei für sie anfangs eine besondere Herausforderung gewesen: „Man muss erst mal lernen, sich zu verständigen und den Kindern zu zeigen, was man mit ihnen eigentlich machen will“, erzählt sie von vielen Lernschritten, die sie bereits erfolgreich absolviert hat.
Rund 750 Einsatzstellen für ein FSJ gibt es im Bereich des Bistums, 250 dieser Plätze sind derzeit regulär besetzt worden, dazu kommen weitere in den Diensten BFD 27+ und im Kurzzeitdienst. Die Freiwilligen haben eine große Auswahl an Möglichkeiten: Die Einsatzorte reichen von Altenpflegeheimen und Krankenhäusern über Kindertagesstätten, Schulen, Jugendeinrichtungen bis hin zur Wohnungslosenhilfe und der Pfarrgemeinde.
Mach doch lieber was Vernünftiges
Neben der Arbeit in den Einsatzstellen nehmen die FSJler an 25 Bildungstagen teil. In Seminaren lernen sie, sich selbst und ihren Einsatz zu reflektieren, beschäftigen sich mit Prävention und ihren Rechten und Pflichten und tauschen sich mit anderen Freiwilligen aus. Ihr erstes Seminar hat Paula Barloh schon gut gefallen: „Ich konnte viel Neues lernen, was ich in der Schule umsetzen werde.“ Außerdem sei es für sie spannend gewesen, von den Erfahrungen der anderen Freiwilligen zu hören: „Ich war in meiner Gruppe zum Beispiel die Einzige, die in einer Schule arbeitet.“
Für Sebastian Niemann, Leiter des Referates Freiwilligendienste im Bistum, sind diese Seminare ein wichtiger Baustein des FSJ-Programmes, aktuell vor allem auch aufgrund der Tatsache, „dass diese Generation von jungen Menschen durch die Erlebnisse und Auswirkungen der Corona-Pandemie beeinflusst wurde und sie gehäuft Lebensthemen mitbringen, die eine intensive und hochwertige Begleitung erfordern.“ Die Unterbringung und das eingestellte Begleitpersonal seien jedoch kostspielig. Sowohl das Bistum werde in den kommenden Jahren weniger Geld zur Verfügung haben und auch der Bund stellt gerade Kürzungen in Aussicht. Somit sei es möglich, dass ab 2024 weniger FSJ-Stellen angeboten werden können, bedauert er. „Sobald die Kürzungen real werden und die konkreten Folgen ersichtlich sind, müssen wir überlegen, wie wir sie kompensieren können und ob sie kompensiert werden können. Oder ob Stellen wegfallen.“
Niemann erklärt die derzeit vorliegenden Zahlen: Die Bundesregierung plant Kürzungen der Fördermittel für Freiwilligendienste in Höhe von 78 Millionen Euro im Jahr 2024 – für 2025 sind weitere Einschnitte geplant. „Unsere Ausgaben steigen mit höheren Seminar- und Personalkosten – wenn man sich die Kürzungen der Unterstützung anschaut, passt das nicht zusammen“, erklärt Niemann. Um das Freiwillige Soziale Jahr attraktiver zu machen, brauche man eher mehr als weniger Geld, denn die Zahlen der Freiwilligen seien tendenziell sinkend. „Das liegt zum einen am demografischen Wandel“, räumt Niemann ein, „aber wir erleben auch heute immer noch Eltern oder Lehrer, die den Kindern oder Schülern sagen: ,Mach doch lieber was Vernünftiges‘ “. Ihm ist es daher wichtig, das FSJ auch in seiner Wertigkeit zu verbessern. Denn, so ist er überzeugt: „Dieses Jahr erzeugt Bereitschaft, an der Gesellschaft mitzuwirken, und schafft neue Perspektiven.“ Hierfür rührt er unermüdlich die Werbetrommel.
Um sein Anliegen auch an die entsprechenden Stellen in die Politik zu tragen, führte der BDKJ Gespräche zwischen Freiwilligen und Hauptamtlichen der FSJ sowie verschiedenen Bundestagsabgeordneten zu den Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste. Mit ihrem Vorgehen untermauere die Politik das gesellschaftliche Gefühl, dass soziale Arbeitsfelder nicht wertgeschätzt würden. „Sie trägt an dieser zentralen Stelle durch eine nicht zeitgemäße unterstützende und wohlwollende Ausstattung der Freiwilligendienste dazu bei, dass der Nachwuchs in den sozialen Berufen erschwert wird und junge Menschen sich nicht die Zeit nehmen können oder wollen, um sich über ihr eigenes Leben und dem damit verbundenen Beruf Gedanken zu machen. Die Bedeutung der Freiwilligendienste als ein Teil für die Entwicklung und Bewahrung einer sozialen Gemeinschaft wird nicht wertgeschätzt.“
Ihm sei schon klar, dass auch im Bundeshaushalt gespart werden müsse, doch dies bei der Jugend zu tun, ist seiner Meinung nach genau der falsche Ansatz.
Freiwilligendienste im Bistum
Das Bistum bietet verschiedene Freiwilligendienste an. So gibt es das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), den Bundesfreiwilligendienst (BFD) und den Kurzzeitfreiwilligendienst. Auch ein kurzfristiger Einstieg ist möglich, aktuell bewerben sich immer noch Menschen für den Jahrgang 2023/24.
Die Einsatzorte der Freiwilligen reichen von Altenpflegeheimen und Krankenhäusern über Kindertagesstätten, Schulen, Jugendeinrichtungen bis hin zur Wohnungslosenhilfe und der Pfarrgemeinde. „Der Freiwilligendienst ist in erster Linie eine Zeit der Persönlichkeitsentwicklung, der Selbstwerdung, der Selbstbewusstseinsentwicklung und der (beruflichen) Orientierung, die auch durch die Arbeit in den Einsatzstellen ermöglicht wird“, so Referatsleiter Sebastian Niemann.
Freiwilligendienste Bistum Osnabrück, Tel. 05 41/ 31 82 31