Weihrauchbauer in Israel
Duftende Helden
Guy Erlich baut in Israel Weihrauch an. Mittlerweile hat er eine einzigartige Sammlung medizinischer Pflanzen aus der Bibel. Und er glaubt, dass sie Gutes bewirken – weil Weihrauch eine Brücke zwischen den Religionen sein kann.
Es ist ein warmer Novembertag im Jordangraben. Noch hat es hier nicht geregnet. Guy Erlich gehört zu den wenigen, die sich über die Trockenheit freuen. Erlich ist Weihrauchbauer. Das Salz, das mit dem Regen aus dem Boden gewaschen und an seine Pflanzen gespült wird, ist eine Herausforderung für die Plantage zwischen Totem Meer, Jordangraben und Jericho.
Auf einem Gaskocher blubbert Wasser. Erlich lässt Pflanzenblätter in eine Kanne gleiten. Der Aufguss verströmt einen würzigen Duft über den Schattenplatz. Im Hintergrund setzt Chaled, der beduinische Mitarbeiter, den Destilliertank in Gang. Pro Kilo Pflanzenmaterial werden hier in den nächsten Stunden 250 Milliliter ätherisches Öl raustropfen.
Er hofft, dass seine Farm Menschen eint
Erlich liebt die Wüste. Als seine Familie vor 14 Jahren Veränderung suchte, schien Almog in der Nähe von Jerusalem ideal zu sein. „Der Standort meiner Farm im Westjordanland ist problematisch“, sagt er. Der Kibbuz Almog wurde 1977 als israelische Siedlung gegründet – für die internationale Gemeinschaft ein Verstoß gegen internationales Recht. „Ich träume davon, dass meine Farm zu einem Joint Venture wird, zu einem einenden Faktor zwischen Jordanien, Israel, Palästina und anderen – auch wenn das gegenwärtige politische Klima noch nicht reif ist“, sagt Erlich. Vielleicht ist er romantisch-naiv, aber er meint, was er sagt.
Als „romantisch-naiv“ beschreibt Erlich auch seine Anfänge als Weihrauchbauer. Damals hat er nach „einer wirtschaftlichen Initiative“ gesucht. Ein Besuch im südlich gelegenen Enot Tzukim gab den Anstoß. „Ich hörte von einer Pflanze, die hier vor Tausenden von Jahren wuchs, eine wichtige Quelle für Medizin, Parfüm und Salböl“, sagt er. „Mit dem Babylonischen Exil des jüdischen Volks verschwand im sechsten Jahrhundert vor der Zeitenwende auch der Balsam von Gilead.“
Ihm sei klargeworden, dass die Werbung für den Balsam von Gilead Zeit brauchen würde, berichtet Erlich: „Ich beschloss, weitere Pflanzen zu fördern.“ Inzwischen sei er „besessen“ und habe eine einzigartige Sammlung medizinischer Pflanzen aus der Bibel und der Wüste, sagt Erlich. Eine Pflanze, die er sammelt, muss eine Geschichte medizinischer Nutzung vorweisen können – und sie darf an keinem Ort agrarwirtschaftlich angebaut werden.
Zehn von 22 bekannten Arten von Weihrauchpflanzen hat er bisher gesammelt, dazu 45 von mehr als 200 Arten Myrrhe. Er nennt sie Helden. 1000 Boswellia sacra- und 25 000 Commiphora gileadensis-Bäume sind die Hauptbewohner auf der acht Hektar großen Farm, beide aus der Familie der Balsambaumgewächse, deren natürliche Verbreitungsgebiete vor allem in Jemen und Oman liegen. Erlichs Hand streift durch das Blattgrün. Dann und wann ritzt er Rinden an, um die Charakteristika des austretenden Harzes vorzuführen. Von süßlich-scharf bis zitronig-zimtig reichen die Duftnoten.
Erlich beschreibt sich als „säkularer Jude mit starker Verbindung zu meiner Geschichte“. Auf seiner Plantage sei er von „einer Menge religiöser Ideen“ umgeben, sagt er. Das Harz der Boswellia sacra werde von Juden, Christen und Muslimen genutzt, wenngleich die jüdische Praxis sich auf die Zeit des Tempels konzentrierte. „Wenn Menschen der verschiedenen Religionen sehen, dass sie dieselben Helden haben, kann dies ein einender Faktor werden“, sagt er. Weihrauch als Brücke zwischen den Religionen.
„Es ist wichtig, dieses Wissen zu erhalten“
Bis heute sei er „ein Erstklässler“ in Sachen Weihrauchanbau, sagt Erlich. Das meiste Wissen, das er sich angeeignet habe, stammt von Palästinensern und Beduinen, etwa zur medizinischen Nutzung der Wüstenpflanzen. „Es ist extrem wichtig, dieses Wissen zu erhalten, das Gefahr läuft, zu verschwinden“, betont er. Was bis vor hundert Jahren noch Hauptbestandteil der Medizin gewesen sei, werde im Zeitalter synthetischer Stoffe vernachlässigt.
Das agrarwirtschaftliche Ziehen von Samen könne zudem den wilden Bestand vor der Ausrottung durch eine Überernte seines Harzes schützen, glaubt Erlich. Noch sind die Weihrauchbäume zu jung, um genug Harz für eine größere Produktion zu gewinnen. Wenn die Farm einst wirtschaftlich ist, so Erlichs Traum, sollen hier auch ein Forschungs- und ein Besucherzentrum entstehen.
kna