Kirchenlexikon: Zählung der Pontifexe

Durcheinander bei den Papstnamen

Warum gibt es in den Papstlisten keinen Papst Johannes XX., sondern nur Johannes XIX. und Johannes XXI.?

Manche Romanautoren und Liebhaber von Verschwörungen rund um die Kirche vermuten hinter dieser Lücke in den Papstlisten die Legende der Päpstin Johanna. Sie soll unbemerkt als Frau den Papstthron bestiegen haben, während einer Prozession durch Rom ein Kind bekommen, bei der Geburt gestorben oder in ein Kloster verbannt worden sein. Als der Schwindel aufflog, musste man Johanna beziehungsweise diesen Papst Johannes aus den Archiven entfernen. 

Doch die Geschichte bleibt eine Legende, für die es keine verlässlichen Quellen gibt. Hinter der Lücke in den Papstlisten steckt lediglich ein Zählfehler. Im Jahr 1276 wurde der portugiesische Arzt und Erzbischof von Braga, Petrus Hispanus, zum Papst gewählt. Er wählte den Namen Johannes und hätte nach korrekter Zählung der 20. Papst mit diesem Namen sein müssen. Allerdings glaubte man damals, einen Papst Johannes aus dem Jahr 984 vergessen zu haben, so dass die Zählung von Johannes XV. bis Johannes XIX. falsch sei. Petrus Hispanus wollte diesen Fehler beheben, übersprang die Nummer 20 und wurde Johannes XXI.

Doch wie konnte sich dieser Fehler in die vatikanischen Archive einschleichen? Der französische Kirchenhistoriker Louis Duchesne fand heraus, dass der Übertragungsfehler nach dem Pontifikat von Johannes XIX., der von 1024 bis 1032 Papst war, passierte. Damals wurden für Johannes XIV. (983–984) zwei Daten in die Listen eingetragen: zunächst seine achtmonatige Amtszeit und dann seine viermonatige Gefangenschaft in der Engelsburg, wo er vom Gegenpapst Bonifatius VII. eingekerkert worden war und verhungerte. 

Die Chronisten im 11. Jahrhundert interpretierten diese Zahlen falsch und nahmen an, dass es im Jahr 984 zwei kurz aufeinanderfolgende Päpste mit dem Namen Johannes gegeben haben musste. Petrus Hispanus wollte lediglich diesen vermeintlichen Fehler ausbügeln – und schuf so ganz unbeabsichtigt Raum für Spekulationen.

Kerstin Ostendorf