Eigene Reformation durchlebt

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Wie Pastor Noel-Hendrik Klentze zuerst zum Glauben und dann von der katholischen zur evangelischen Kirche fand. Als katholischer Pastor war er auf Sylt eingesetzt, als evangelischer Pastor ist er nun auf Fehmarn tätig.


Pastor Noel-Hendrik Klentze war mal katholischer Pastor auf Sylt und ist nun evangelischer Pastor auf Fehmarn. | Foto: Marco Heinen

Bevor es zum Gespräch kommt, zeigt Pastor Noel-Hendrik Klentze eine seiner beiden neuen Wirkungsstätten, Sankt Johannis in Petersdorf auf Fehmarn. Es ist eine Kirche im spätromanischen Stil, deren Gründung auf das 13. Jahrhundert zurückgeht. Dort gibt es viel zu entdecken, vor allem das 8,7 Meter hohe hölzerne Sakramentshaus.

Als studierter Kunsthistoriker weiß Klentze diesen Schatz zu würdigen. Der 51-jährige Pastor sieht darin aber nicht nur die Geschichte, sondern auch die Bedeutung des Sakramentshauses, in dem die ehemals katholischen Hausherrn vor der Reformation die Hostien aufbewahrten. Mit der katholischen Kirche kennt sich der evangelisch-lutherische Pastor aus. Er studierte katholische Theologie und war im Erzbistum Hamburg als katholischer Priester tätig, bevor er 2019 zur evangelischen Kirche konvertierte und nun zum 1. Januar die Stelle als Pastor der ev.-luth. Kirchengemeinden von Petersdorf und Bannesdorf übernommen hat.

Noel-Hendrik Klentze wuchs in München auf, in einer evangelischen Familie, in der der Glaube keine große Rolle spielte. Noch als Jugendlicher trat er aus der Kirche aus. „Aber nach wie vor waren Kirchen für mich als Gebäude schön. Ich mochte die Musik, die Kirchen und die Kunst darin“, erzählt er.

Als er ein Internat am Chiemsee besuchte, fand er Zugang zur katholischen Kirche. Vor allem die kleine Kapelle im Ort hatte es ihm angetan. Obwohl drinnen am Sonntag immer nur alte Leute saßen. Als er ein Jurastudium in Passau begann, wuchs seine Faszination für die katholische Kirche. Der Dom zu Passau mit der größten Orgel der Welt und ihren fast 18 000 Pfeifen begeisterten ihn.

Nach dem Grundstudium erlebte er einen ersten Bruch in seinem Leben: Einen Verkehrsunfall überlebte er nur knapp.

Was blieb, war die Überzeugung, dass es sich nicht lohne, etwas zu studieren, was er nur aus Gründen der Vernunft begonnen hatte. Also wechselte er nach München und studierte Klassische Archäologie. In Hamburg setzte er seine Studien fort und machte dort seinen Abschluss. Am Museum für Kunst und Gewerbe bereitete er sich dann auf eine Promotion vor. Das Museum ist ein Kulturtempel inmitten eines Viertels, wo Prostitution, Drogen und Obdachlosigkeit an fast jeder Ecke anzutreffen sind. „Dieser Widerspruch hat mich in eine tiefe Krise geführt“, so Klentze. „In dieser Phase habe ich mich in Kirchen gesetzt, in die Kirche St. Petri, in die St. Jakobikirche. Ich saß in solchen Räumen und fühlte mich sicher und gut.“

Seine erste Bibel kaufte er sich in Hamburg

Nur mit dem da vorne am Kreuz wusste er noch nicht so viel anzufangen. „Doch ich merkte, dass mir in den Kirchen irgendetwas hilft, und ich wollte dem auf die Spur kommen.“ Er sprach mit Küstern und Pastoren und kaufte sich seine erste Bibel.

Womöglich war es nur Zufall, dass er bei seinen Recherchen an der Uni immer an der Katholischen Hochschulgemeinde vorbeilief und irgendwann mit dem dortigen Jesuitenpater – ein Kunsthistoriker und Theologe – ins Gespräch kam. Nachdem er mit dem damals für die Priesterausbildung zuständigen Regens vom Erzbistum in Kontakt kam, entschloss er sich, in die katholische Kirche einzutreten. „Das war für mich schon bewegend, die Aufnahme und die Firmung“, erinnert sich der Pastor. Das war im Jahr 2000. Sein Firmzeugnis erhielt er in der Gemeinde St. Elisabeth in Harvestehude, wo er später als Diakon wirken sollte. Aus heutiger Sicht viel zu schnell, entschloss er sich 2001, eine Priesterausbildung in St. Georgen in Frankfurt zu beginnen und beendete dafür sogar eine Beziehung.

Die Enge des Priesterseminars bedrückte ihn jedoch und er nahm erst einmal Abstand von der Vorstellung, katholischer Priester zu werden. Zu Ende studieren wollte er dennoch und wechselte deshalb nach Münster, wo er eine große Vielfalt gläubiger Menschen erlebte. Als er gegen Ende des Studiums vom Regens des Erzbistums noch einmal angesprochen wurde, entschloss er sich dann doch, den Weg eines Priesters zu versuchen. Das bedeutete, doch noch zwei Jahre am katholischen Priesterseminar in St. Georgen zu verbringen. 2008 war auch das geschafft. Im März 2009 wurde Noel-Hendrik Klentze im Hamburger St. Marien-Dom vom damaligen Erzbischof Werner Thissen zum Diakon geweiht. Die Zeit seines Diakonats verbrachte er in Hamburg- Harvestehude. Im April 2011 folgte die Priesterweihe. Dann schlossen sich Stationen in Schwerin, Elmshorn und Wedel an, bis Klentze schließlich 2017 nach Sylt versetzt wurde, wo ein liberaler, offener Geistlicher gebraucht wurde. Dazu gehörte die Verpflichtung, im Pastoralen Raum Nordfriesland auch Kirchstandorte von Tönning über St. Peter-Ording und Husum seelsorglich mit zu betreuen.

Zu seiner Entscheidung fand er im Kloster

Es war keine leichte Zeit für den Theologen, dem immer mehr Zweifel an der katholischen Dogmatik und der katholischen Praxis kamen. Papsttum, Zölibat, die fehlende Mitwirkung der Frauen als Priesterinnen: „Es wurde für mich immer klarer, das will ich so nicht“, sagt Klentze. Er bat um eine Zeit der Besinnung im Kloster, bei der ihm schnell klar wurde, dass er den katholischen Weg nicht weitergehen wollte: „Ich war selten so klar, was der nächste Schritt ist.“ Er sagt aber auch: „Der katholische Weg war für mich wichtig. Das möchte ich nicht missen, und ich habe dadurch wahnsinnig viel gelernt und erfahren.“

Um einen geordneten Übergang zu ermöglichen, blieb er bis Ostern 2019 auf Sylt. Dort hatte Klentze gute ökumenische Kontakte, darunter ein ebenfalls von der katholischen zur evangelischen Kirche konvertierter Pastor. Es dauerte nicht lange, bis er selbst konvertierte, ohne Groll. „Ich musste meine eigene Reformation machen, um zu wissen, was vielleicht zur Reformation geführt hat“, resümiert Klentze. Ein bisschen sieht er sich als einen „ökumenischen Typ“, der versucht, das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen.

VON MARCO HEINEN