25 Jahre Wärmestube in Stade

Ein Anker im Leben

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Ein Mittagessen, Zeit für Gespräche, ein geheiztes Plätzchen. Seit 25 Jahren öffnet die Wärmestube in Stade Tag für Tag ihre Türen für Menschen, die am Rand stehen. Ein Ort für Leib und Seele.

„Hier fühlen wir uns wohl“, sagen die Gäste der Stader Wärmestube. Und Elke (2. von rechts) freut sich über Gesellschaft beim Essen. „Da schmeckt es einfach besser.“
„Hier fühlen wir uns wohl“, sagen die Gäste der Stader Wärmestube. Und Elke (2. von rechts) freut sich über Gesellschaft beim Essen. „Da schmeckt es einfach besser.“

Sie ist ein Anker in schweren Zeiten, eine Anlaufstelle für Obdachlose und andere Bedürftige, bietet Frühstück, eine warme Mittagsmahlzeit sowie Gelegenheit zur Körper- und Wäschepflege. Und ein offenes Ohr finden die Besucher auch immer. In diesem Jahr besteht die Stader Wärmestube des Diakonieverbandes 25 Jahre. Unterstützt wird sie auch durch die katholische Gemeinde Heilig Geist.

Draußen ist es ungemütlich. Ein kalter Wind pfeift durch die Straßen. Das soziale Leben ist durch Corona einmal mehr beeinträchtigt. Andrée ist froh, dass er unter der Woche jeden Vormittag in die Wärmestube der Diakonie direkt neben dem katholischen Altersheim St. Josef vorm Schiffertor kommen kann. „Hier wird man jeden Tag freundlich empfangen und trifft andere Leute“, sagt der 48-Jährige. Obdachlos ist er wie die meisten anderen regelmäßigen Gäste der Stader Wärmestube nicht, aber dennoch braucht und sucht er Halt und Struktur in seinem Leben. „Unsere Gäste sind meist Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen am Rand der Gesellschaft leben oder sozial auffällig sind“, sagt Michaela Hoffmann, die die Wärmestube vor 25 Jahren mit aufgebaut hat und seit vielen Jahren ehrenamtlich leitet. Es sind Menschen, die psychisch erkrankt sind, nicht arbeiten können oder einfach wenig Geld oder ungute Lebensverhältnisse haben.

Auch Elke (65) und Eduard (62) kommen fast täglich. Seit zehn Jahren nun schon, wie sie erzählen. „Hier ist man nicht allein und gut zu essen gibt es auch“, sagt Eduard. Und auch Elke stimmt ihm zu: „Zu Hause mag ich manchmal gar nicht essen und hier in Gesellschaft schmeckt es dann“, sagt sie und schmunzelt. Bei den meisten Besuchern wird ohnehin gegen Ende des Monats das Geld knapp. Ein Frühstück für 50 Cent oder ein warmes Mittagessen mit Nachtisch für einen Euro kommen da gerade recht und helfen, über die Runde zu kommen.

Heute kommt ein leckerer Wirsingeintopf mit Fleischeinlage auf den Tisch. Zum Nachtisch gibt es Quarkspeise mit roten Früchten. Zubereitet haben das Essen Ingrid Kazda und Cornelia Feldhausen. Sie sind zwei der Ehrenamtlichen, die die Wärmestube am Laufen halten und täglich für die Bedürftigen da sind.

Wochentags von 9 bis 13 Uhr öffnet die Wärmestube, derzeit unter 2-G-Bedingungen. „Wir haben viele unserer Besucher dazu bekommen, sich impfen zu lassen, nur so dürfen sie herkommen, das war für sie eine große Motivation und für uns ist es ein Stück Sicherheit“, sagt Michaela Hoffmann. Denn Ziel ist es, die Wärmestube in diesem Corona-Winter so lange es geht trotz steigender Infektionszahlen offenzuhalten. Getragen wird die Wärmestube von einem Team von rund 24 Mitarbeitern, die sich je nach Möglichkeiten einbringen und Zeit investieren, sagt die 69-Jährige. Seit rund zehn Jahren dabei ist Marianne Zimmer. Damals fuhr ihr Mann noch zur See, die Kinder waren erwachsen geworden. Im Gespräch mit Michaela Hoffmann merkte Marianne Zimmer, die auch in der katholischen Gemeinde und der Flüchtlingshilfe engagiert ist, dass die Wärmestube etwas für sie sein könnte. „Ich koche gern, habe Zeit und Energie“ umschreibt die 70-Jährige ihre Motivation. Und natürlich ist da das Bedürfnis zu helfen und Menschen zu unterstützen. „Ich sehe an vielen Stellen, es gibt Menschen, die haben es schwerer als ich. Die Menschen hier brauchen einen Ort, wo sie hingehen können. Ich kann mich hier einbringen und werde gebraucht“, sagt Marianne Zimmer. Die Menschen die kommen, können sich auf ihre Diskretion und die der anderen Mitarbeiter verlassen. „Hier verlässt nichts Persönliches diese Räume“, sagen die Frauen.

„Wir spüren, wer mit uns reden möchte“

Sie sorgen jeden Tag für warmes Essen und einen Ort, wo sich Bedürftige aufhalten und wohlfühlen können: die Ehrenamtlichen von der Stader Wärmestube, hier im Bild Ingrid Kazda, Marianne Zimmer, Cornelia Feldhausen und Michaela Hoffmann.
Sie sorgen jeden Tag für warmes Essen und einen Ort, wo sich Bedürftige aufhalten und wohlfühlen können: die Ehrenamtlichen von der Stader Wärmestube, hier im Bild Ingrid Kazda, Marianne Zimmer, Cornelia Feldhausen und Michaela Hoffmann.

Wer von den Besuchern mag, findet nämlich nicht nur bei den anderen Gästen ein offenes Ohr, sondern auch bei den Mitarbeiterinnen. „Wir merken oft, dass jemand Gesprächsbedarf hat, wenn er bei uns an der Küchentür stehen bleibt, dann sprechen wir ihn an“, sagt Marianne Zimmer. Und Michaela Hoffmann ergänzt: „Wir helfen mit unseren Möglichkeiten, wenn wir gefragt werden, aber überrumpeln hier niemanden mit guten Ratschlägen.“ Denn es ist auch wichtig für die Ehrenamtlichen, sich eine gesunde Distanz zu den Gästen zu bewahren. „Ich sage jedem neuen Mitarbeiter, dass er seine persönliche Grenze ziehen muss, die Welt können wir hier nicht retten. Aber wir können mit dem helfen, was in unserer Macht und Möglichkeit steht“, sagt Michaela Hoffmann.
Es ist das Erfolgsrezept der Stader Wärmestube: Da-Sein, Struktur und Mahlzeiten bieten und bei Bedarf Unterstützung. Ansonsten darf hier jeder sein, wie er mag: schweigsam, mitteilsam oder einfach gern in Gesellschaft. Allerdings gibt es klare Regeln: kein Alkohol, keine Drogen. In seltenen Fällen gab es auch schon einmal Probleme mit Besuchern. „Einer ist mal aggressiv geworden, der bekam dann Hausverbot“, erinnern sich die Frauen. „Es muss klar sein, dass wir ältere Damen und Herren hier das Sagen und das Hausrecht haben“, stellt Michaela Hoffmann klar. Sonst funktioniere es nicht.

Die Wärmestube ist seit vielen Jahren direkt neben dem Altersheim St. Josef vorm Schiffertor in Zentrumsnähe untergebracht. Die katholische Gemeinde stellt der Diakonie die Räume mietfrei zur Verfügung. Hier, in diesen Räumen, haben früher die Nonnen gelebt, die im Altenheim nebenan die älteren Leute gepflegt und betreut haben. An den Türen erinnern noch die Namen an die Schwestern. Es sind einfach und funktional eingerichtete Räume: Tische, Stühle, ein Sofa, einige Spiele und natürlich Dusch- und Waschmöglichkeiten. Denn gerade im Sommer kämen auch einige Durchreisende wie Straßenmusikanten, die dann auch Waschmöglichkeiten bräuchten. Übernachtungen bietet die Wärmestube schon länger nicht mehr an. Der Brandschutz stand dem entgegen. Die erforderlichen Investitionen wären für die Wärmestube auch angesichts kleiner Nutzungszahlen bei Übernachtungen nicht stemmbar gewesen.

Doch auch so wird die Wärmestube gut genutzt, jeden Tag kommen acht bis zehn Menschen. Auch Elke und Eduard wollen am nächsten Tag wieder kommen. „Die machen hier eine tolle Arbeit, das muss man ihnen hoch anrechnen“, sagt auch Andrée und Elke ergänzt: „Hier hat man einen Ort, wo man sich wohl fühlt und hingehen kann – einfach so.“

Von Martina Albert