Altes Schulgebäude soll abgerissen werden
Ein Bauwerk mit geschichtlichem Wert
In Haselünne soll ein altes Schulgebäude abgerissen werden. Es gehörte einst zu einer Klosterschule, beherbergte aber im Dritten Reich auch eine NS-Erziehungsanstalt. Eine Initiative möchte es zur Gedenkstätte machen.
Maßlos traurig, aber die Hoffnung noch nicht verloren: So beschreibt Josef Rosche aus Haselünne seine aktuelle Gefühlslage. Rosche zählt zu den Vertretern der „Initiative für den Erhalt des Kloster-Schulgebäudes am Kreisgymnasium St. Ursula Haselünne“. Der mehrstöckige Trakt aus dem Jahr 1910 soll samt einem Erweiterungsbau aus den 1930er Jahren abgerissen werden. Einen entsprechenden Beschluss hatte der Kreisausschuss des Landkreises Emsland im Oktober 2020 mehrheitlich gefasst.
Begründet wird das Vorhaben laut einer Sitzungsvorlage unter anderem damit, dass das Gebäude nicht mehr von der Schule genutzt werde und seine zentrale Lage zu einer beengten Situation führe. Bemerkt wird auch, dass der Bau nicht unter Denkmalschutz stehe. Inzwischen sind die Vorboten der Abrissarbeiten erkennbar, rund um das sogenannte „Gebäude A“ wurde ein blickdichter Bauzaun errichtet. Schon vor gut drei Jahren – kurz nachdem erstmals entsprechende Absichten bekannt wurden – schlossen sich Menschen aus Haselünne und Umgebung unter dem Motto „Altbau erhalten!“ zusammen. Den Unterstützern geht es dabei nicht nur um das Gebäude, das als einziger Teil des heutigen Kreisgymnasiums noch aus der Zeit der früheren Klosterschule stammt. Sie sehen mit dem Altbau auch ein wichtiges Kapitel Haselünner Geschichte verloren gehen.
Das schulische Leben an diesem Ort hat eine rund 370-jährige Vergangenheit, die ab 1652 von den Klarissen und ab Mitte des 19. Jahrhunderts von den Ursulinen geprägt wurde. Die ab 1854 bestehende Höhere Töchterschule mit Hauswirtschafts- und sogar Lehrerinnenausbildung genoss überregionales Ansehen, so dass auch Schülerinnen aus Westfalen und dem Rheinland nach Haselünne kamen. Ins absolute Gegenteil verkehrt wurde die Geschichte 1941, als die Nationalsozialisten die Klosterschule enteigneten, die Nonnen vertrieben und darin bis 1945 die „Napola Emsland“ betrieben – die einzige NS-Eliteschule auf niedersächsischem Grund.
Sinnerfülltes Erinnern an der Originalstätte
Besonders in diesem Punkt sehen Josef Rosche und auch der Heimatverein Haselünne einen wesentlichen Aspekt zur Bewahrung des Gebäudes. Sie regen an, in zwei der vier Etagen ein Erinnerungs- und Dokumentationszentrum einzurichten. Gerade in einer Zeit des Sturms auf den Reichstag in Berlin und das Kapitol in Washington müsse es das große Ziel sein, nachfolgenden Generationen die richtige gesellschaftliche Orientierung zu ermöglichen. Sinnerfülltes Erinnern setze aber die Unverfälschtheit der Originalstätte voraus. Gerade die Originalität dieser Gedenkstätte rege junge Menschen zum Nachdenken an und könne in ihnen die notwendige Empathie für Freiheit und Demokratie wachsen lassen.
Eine Idee ist, im historischen, 1992 sanierten Zeichensaal im Dachgeschoss Werke des bedeutenden Zeichners Horst Janssen (1929 bis 1995) zu zeigen – war dieser doch ab 1942 Schüler der Napola in Haselünne. Dokumente belegen, wie bei ihm und den anderen „Jungmannen“ die Indoktrination erfolgte und wie diese auch gezielt eingesetzt wurden, die Vorbehalte der Haselünner Bürger gegen die NS-Schule zu unterminieren.
Die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten hat sich im Januar für einen Aufschub des Abrisses ausgesprochen, damit Fachleute den geschichtlichen Wert des Traktes überprüfen können. In diesem Zusammenhang übergaben Vertreter von Initiative und Heimatverein jüngst einen Archivfund aus Hitlers Reichskanzlei: In dem Schriftstück berichtet der Leiter der Napola Haselünne über die dortigen Aktionen – und belegt, wie hartnäckig sich die im katholischen Glauben verwurzelte Landbevölkerung der Propaganda der Nazis verweigerte.
Die Initiative setzt weiterhin auf ein Einlenken der Verantwortlichen. Rosche ist überzeugt: „Emsländer sind bis zur letzten Sekunde in der Lage, richtige Entscheidungen zu treffen.“ Der Landkreis Emsland allerdings hält am Abriss fest. Die Erinnerungskultur werde nicht am Gebäude festgemacht, heißt es in einer Stellungnahme. Stattdessen solle an einer geeigneten Stelle auf dem Schulgelände an die besondere Geschichte des Ortes erinnert werden.
Sebastian Hamel