Ein Benediktiner in Südafrika
Br. Benedikt Hülsmann aus dem Kloster Nütschau ist derzeit im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz als Priester in Johannesburg und Pretoria tätig – für die deutsprachigen Gemeinden vor Ort.
VON MARCO HEINEN UND MARCO CHWALEK
Zuletzt hatte Bruder Benedikt Hülsmann den Lesern der Kirchenzeitung zum Osterfest des vergangenen Jahres einen Brief aus Seoul geschickt. In der Hauptstadt Südkoreas war der Benediktinermönch von November 2020 bis März 2022 im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz als Pfarrer der kleinen deutschsprachigen Gemeinde eingesetzt – 8 200 Kilometer Luftlinie vom Kloster Nütschau entfernt. Der neue Arbeitsplatz des 58-Jährigen ist noch weiter entfernt, nämlich mehr als 9 000 Kilometer. Wie bereits vor dem Seoul-Intermezzo geplant, ist Br. Benedikt seit April dieses Jahres für die deutschsprachigen Gemeinden von Johannesburg und Pretoria in Südafrika als Priester zuständig – sowohl für Deutsche, für Österreicher als auch für Schweizer.
Südkorea und Südafrika, in jeder Hinsicht sind diese beiden Länder sehr unterschiedlich. „Korea ist nie ein Einwanderungsland für Deutsche gewesen. In Südafrika gibt es hingegen Tausende von Deutschstämmigen rund um Johannesburg und Pretoria“, erzählt Br. Benedikt, der das Land gut kennt, dort selbst eine Tante wohnen hat und in Pretoria mal ein Semester Theologie studierte.
Der Abschied aus Seoul fiel nicht leicht
Ein Blick zurück nach Südkorea: „Der Abschied von Seoul ist mir sehr schwergefallen. Es war für mich eine schöne, eine sehr gute Zeit, in der ich alle Möglichkeiten hatte“, so Br. Benedikt. Nicht nur das Essen („leichte Kost“), die Kultur, Kunst und die Menschen hätten es ihm in Seoul angetan. Sondern er konnte viele Freiheiten genießen und hatte wenig Verpflichtungen. Ob er eher mit einem weinenden oder einem lachenden Auge gegangen sei? „Ich habe geheult, weil mir Menschen ans Herz wachsen“, so der Benediktiner, der jüngst für einige Wochen auf Heimaturlaub an der Trave war.
Was Br. Benedikt in Südafrika fehlt, ist die Freiheit, abends auf die Straße gehen und sich wie in Seoul dabei völlig sicher fühlen zu können. Als Beispiel nennt er die Region Kapstadt, in der es allein zwischen April und Juni etwa 1 000 Morde gegeben habe – vor allem zwischen rivalisierenden Banden. Dennoch, der gebürtige Niedersachse fühlt sich vor Ort vollkommen sicher. Das war nicht immer so. „Am Anfang habe ich mein Schlafzimmer immer verriegelt und die erste Nacht habe ich ganz unruhig geschlafen.“
Ein Gefühl von Sicherheit vermitteln die Schutzeinrichtungen, die viele Grundstücke umgeben. So befindet sich das Pfarrhaus der deutschsprachigen Gemeinde von Johannesburg, in dem Br. Benedikt wohnt, auf einem Grundstück, das von einer mit Nato-Stacheldraht bewehrten Betonmauer umfasst ist. Außerdem hat Br. Benedikt kürzlich einen jungen Hund aus dem Tierheim bei sich aufgenommen, der nachts pflichtbewusst nach dem Rechten sieht.
Die hohe Kriminalitätsrate hängt mit der großen Armut im Land zusammen. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt am Kap bei 35 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit sei etwa doppelt so hoch, weiß Br. Benedikt. Hinzu komme „eine Korruption, die unbeschreiblich ist“. Die Schere zwischen Arm und Reich klaffe so weit auseinander wie sonst nirgendwo auf der Welt. Wobei es sowohl viele reiche Weiße als auch sehr viele reiche Schwarze gebe. Und eine weiße Hautfarbe schützt andererseits auch nicht vor Armut, hat der Benediktinermönch beobachtet.
Doch er will nicht nur über Negatives sprechen. „Ich habe mich entschieden, auf den Tag zu schauen: Was war positiv und wie waren die Begegnungen? Und die waren fast immer gut“, sagt er.
Er hat in den ersten Monaten unter anderem viele Kontakte zu Menschen geknüpft, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in die Gemeinde kämen, darunter viele Alte, die den Weg einfach nicht mehr schafften. „Und ich merkte, darüber sind die sehr froh, denn viele der Deutschen, die eingereist sind, die in erster Generation hier leben, erleben die Traurigkeit, dass ihre Kinder das Land wieder verlassen und in die Welt gehen – Amerika, Europa, Australien, Neuseeland – und sie selbst sind jetzt wieder allein.“ Er habe schon mehrere Beerdigungen gehabt, wo er erst kurz zuvor die Menschen besucht habe und gemeinsam mit der Familie gebetet wurde. Er sei froh, dass er diese Gemeindemitglieder getroffen habe, die sich freuten, einen Priester zu sehen. „Das waren sehr gute Erlebnisse und ich bin dankbar, dass ich wirklich Trost spenden konnte.“
Älteste Kolpingsfamilie in Afrika ist 70 Jahre alt
Erst noch daran gewöhnen muss sich Br. Benedikt, dass er Beerdigungen in der Regel auf Englisch vorzunehmen hat. Denn natürlich haben viele Deutschstämmige Freunde vor Ort, die am ehesten Englisch sprechen. Wenn es ein bisschen holpert, macht das nichts. „Man muss es mit Herz machen, dann sind die Menschen froh, dass man es würdig macht.“
Übrigens, Jubiläen feiern Deutsche überall auf der Welt. Im Sommer wurde das 70-jährige Bestehen der ersten Kolpingsfamilie auf dem afrikanischen Kontinent begangen, die in Johannesburg gegründet worden war. Zwar seien viele der Mitglieder inzwischen ziemlich alt und Veranstaltungen gebe es nicht mehr viele, so Br. Benedikt. „Aber jetzt gibt es zum Glück ein paar zarte kleine Pflänzchen in schwarzen Gemeinden, wo Kolping sich gründet und auch schon existiert.“