Märchenfrau trotzt Corona und erzählt Märchen am Telefon

Ein Stück Himmel fällt auf die Erde

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„Es war einmal“: Eine Märchenfrau trotzt Corona und kommt zu den Menschen – Monika Auer aus Senftenberg erzählt Märchen am Telefon.

Die Märchenfrau freut sich über den Brief der kleinen Greta, mit märchenhaftem Bild.    Foto: Ute Mittermaier

 

„Einst lebte in Pandjab der Teppichweber Saragatta. Er webte langsam, er webte sorgsam... Doch weil er drei Frauen ernähren musste – seine Mutter, seine Frau und seine Tochter – darum reichte das Geld nie aus...“, Monika Auer erzählt am Telefon Märchen – Leuten, die sie anrufen. „Ich erzähle Ihnen ein Märchen, das auf Sie passt“, sagt sie nach einem kurzen Vorgespräch und beginnt eines von 80 Märchen, die sie sofort parat hat, zu erzählen.

Märchen, die älter sind als die Christenheit
Professionell erzählt die passionierte und diplomierte Märchen- erzählerin seit 30 Jahren mit dem größten Vergnügen Volksmärchen, die über Jahrhunderte von einer Generation an die nächste wortwörtlich weitergegeben wurden, auch Wintermärchen und Weihnachtsgeschichten. Sie hinterlässt bei Zuhörern, ob Groß oder Klein, ein wohliges Gefühl der Gelassenheit. Wegen der Corona-Pandemie kann die 68-jährige Rentnerin die Märchen, die älter sind als die Christenheit und von Liebe, Leid und Sehnsüchten berichten, nicht auf Weihnachtsmärkten, in Kitas, Altenheimen und bei Betriebsfeiern vortragen. So kam sie auf die Idee, Menschen, die sie anrufen, Märchen zu erzählen – für Anrufer kostenlos. Sie will damit Menschen, in Zeiten der Pandemie, Herzen und Seele erwärmen. Die lebensfrohe Märchenfrau spricht weiter: „So machte er sich auf die Suche nach geeignetem Holz… Halt ein, Saragatta!. Ich bin der Geist des Waldes... Dieser Baum ist mein Haus... Aber woher nehme ich dann hartes Holz für einen neuen Webstuhl?, fragte Saragatta. Das weiß ich nicht, erwiderte der Geist des Waldes. Aber verschone meinen Baum und ich werde dir einen Wunsch erfüllen…“ Monika Auer weiß, was hinter dem „Gemeingut der Menschheit“ steckt. Märchenhafte Wünsche sind Hoffnungsgeschichten, ebnen Wege, auch für die Wahrheit des Evangeliums, für das Geheimnis des Glaubens, für das eigene Leben. Das mittelhochdeutsche Wort Mär bedeutet Botschaft. Und weil sie glücklich enden, seien sie eine kleine frohe Botschaft. So beruft Frau Auer sich auf den Theologen und Märchenerzähler Heinrich Dickerhoff, der in der menschlichen Suche nach Wahrheit auch eine Ahnung des Göttlichen sieht. Überlieferte Volksmärchen erzählen von Beziehungen, von Helden, die sich mutig auf den Weg machen, um ihr Leben zu verändern, ihrer inneren Stimme vertrauensvoll zu folgen. Monika Auer ist sich sicher, dass wir nicht in einer leeren Welt leben. Zwar müsse jeder seinen eigenen Weg gehen, aber er wird von anderen wahrgenommen. So werde dem armen Mädchen aus dem Märchen „Die Sterntaler“  wenigstens ein Stückchen Brot geschenkt, bevor es danach, ohne jede Berechnung, alles hergibt und am Ende mit den Sternen ein Stück Himmel auf die Erde fällt. Monika Auer wünscht sich viele Anrufe: „Irgendwie müssen die Märchen zu den Menschen kommen“, sagt sie. Ihre vier Enkeltöchter sind bereits begeisterte Märchenerzählerinnen. Darauf ist die Oma stolz.
Wer Monika Auer montags, zwischen 17 bis 18 Uhr unter ihrer Telefonnummer 0 35 73 /  6 51 66 anruft, dem erzählt sie  kostenfrei ein Märchen. Wer dennoch etwas geben will, kann das gern tun, aber nicht ihr, sondern „für eine gute Sache, für Notleidende“, sagt die Märchenfrau.

Von Ute Mittermaier