Volkstrauertag

Ein Tag des Friedens – für alle

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Am Volkstrauertag gedenkt Deutschland der Millionen Kriegstoten. Viele Menschen, vor allem junge, können mit den Ritualen der Gedenkfeiern nichts mehr anfangen. Höchste Zeit, dass sich etwas ändert, meint der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Und macht Vorschläge.


Gerade der militärische Charakter soll künftig am Volkstrauertag stärker entschärft werden. Foto: picture alliance/Pacific Press

Niedersachsen legt es vor, alle anderen Bundesländer sollen nachziehen: Mit einem Heft voller Empfehlungen wollen der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie die Kirchen, das Land und verschiedene Sozialverbände den Volkstrauertag (in diesem Jahr am 17. November) reformieren: von einem reinen Gedenktag an die Toten von Krieg und Gewalt hin zu einem Tag des Friedens und des Gedenkens, der auch Bezüge zur Gegenwart, etwa dem Krieg in Syrien, herstellen soll. Auch kirchliche Verbände, Schulen, Jugend- oder Firmgruppen können und sollen sich beteiligen.


Der Volkstrauertag verändert sich
Der Volkstrauertag wurde 1919 eingeführt und gehört zu den wichtigsten Gedenktagen in Deutschland, an denen der Toten der Weltkriege und der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aber auch der gegenwärtigen Konflikte gedacht wird. Aber nur noch wenige Zeitzeugen leben, viele Menschen können mit den Ritualen und Einschränkungen dieses Tages nichts mehr anfangen. Einige der bisherigen Formen bergen zudem die Gefahr, von Rechtsextremisten vereinnahmt zu werden, die das Sterben zum Heldentod verklären und die gefallenen Soldaten verherrlichen.

So entstand der Wunsch, den Volkstrauertag zu erneuern. Auch in kleinen Gemeinden werde er immer noch begangen und habe daher nach wie vor die Chance, in die Gesellschaft hineinzuwirken, betont Axel Saipa vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Leitfaden müsse künftig die Frage sein: Was können wir aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen, um den Frieden zu erhalten? „Gerade die junge Generation sollte ermutigt werden, sich mit der leidvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts aktiv auseinanderzusetzen“, sagt Schirmherrin Gabriele Andretta (SPD), Niedersächsische Landtagspräsidentin.


Die Jugend beteiligen
Gedenkfeiern am Volkstrauertag sind zwar immer noch sehr verbreitet, allerdings ist die Besucherzahl höchst überschaubar geworden. Die junge Generation fehlt ganz. Das niedersächsische Empfehlungsschreiben sieht nun vor, dass auch Schulen und Kirchengemeinden mit eigenen Beiträgen fest bei der  Gedenkfeier eingeplant werden, zum Beispiel mit eigenen Texten aber auch mit Musik, Theater, Tanz oder anderen Medien. Auch soll über die Auswahl der offiziellen Festredner und der Musik neu nachgedacht werden, so die Arbeitsgruppe. Chöre, kleinere Orchester oder andere Musikgruppen könnten die musikalische Bandbreite erweitern und modernisieren und den militärischen Charakter entschärfen. So wurde im vergangenen Jahr in Hannover der Festakt überwiegend von Schülern gestaltet, die sich mit aktuellen Menschenrechtsfragen beschäftigten.

Aber auch andere Aktionen könnten gestartet und vorgestellt werden: Zum Beispiel haben sich Jugendliche der St.-Elisabeth-Gemeinde in Schönau (Sauerland) im Rahmen der diesjährigen 72-Stunden-Aktion bei der Wiederherstellung eines Naturgeländes auch mit einem Ehrenmal für Gefallene der beiden Weltkriege, das auf dem Gelände steht, beschäftigt. Sie wollten diesen Ort des Gedenkens zu einem Zeichen für eine lebenswerte Zukunft in einem geeinten Europa machen: 48 Wacholder wurden auf dem „Europa-Hain“ gepflanzt für 48 gefallene Soldaten des Ortes.

Am Fuße eines Kreuzes errichteten sie zwölf Lesesteinhaufen für Insekten und Reptilien – als Europafahne gestaltet. Schiefertafeln zeigen nun die europäische Grundrechtecharta. „Beide Weltkriege haben so viel Leid über die Menschen in Europa gebracht, dass ein versöhnliches Miteinander eigentlich nie mehr möglich sein sollte. Und doch gibt es heute ein Europa der offenen Grenzen, wo sich junge Menschen allerorten begegnen und eine gemeinsame friedvolle Zukunft gestalten können“, erklärten die Verantwortlichen den Jugendlichen.


Einwanderungspolitik und Fremdenhass aufgreifen
Der Volkstrauertag sollte aber auch zum Beten und Innehalten genutzt werden, so Landesbischof Friedrich Weber aus Braunschweig. Menschen sollten hinterfragen, wie sie mit Konflikten umgehen. „Überall, wo jemand unverschuldet zum Opfer wird, sollten wir uns fragen, wie wir unseren Anspruch auf Frieden mit der Realität zusammenbekommen können.“ Dazu gehörten auch Themen wie Fremdenhass, Einwanderungspolitik oder die Kluft zwischen Arm und Reich.


Anpassung der Denkmale
Viele Kommunen und Kirchengemeinden haben sich in den vergangenen Jahren schon mit der Umgestaltung der Denkmale beschäftigt. Oft sind sie baufällig und entsprechen mit ihren Inschriften nicht mehr den Absichten des heutigen Gedenkens. Auch hier können Jugendgruppen, Schulen und Verbände mit eingebunden werden, damit sie dieses Stück Zeitgeschichte wieder besser verstehen. Auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge fördert schon seit vielen Jahren Jugendbegegnungen und politische Bildung an Kriegsgräberstätten mit Workcamps und Projekten im In- und Ausland.

Astrid Fleute

www.volksbund.de/niedersachsen/volkstrauertag.html