Die Aufgaben in der Flüchtlingsarbeit verändern sich.

Ein vergessenes Thema?

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Über das Thema Flüchtlinge will heue kaum noch jemand reden. Das heißt aber nicht, dass die Flüchtlingsarbeit im Erzbistum Hamburg eingeschlafen wäre. Nur die Aufgaben verändern sich. Und nach wie vor braucht es Einsatz und Hilfe.

Dunkelhäutiges Flüchtlingsmädchen beim Caritas-Projekt„Spielend deutsch lernen“
Der Traum vom Leben ohne Angst. Mädchen im Caritas-Projekt „Spielend deutsch lernen“ in Schwerin.  Foto: Marco Heinen

Es ist nicht sehr lange her – drei Jahre – da hatten viele karitative Institutionen Schwierigkeiten, Ehrenamtliche zu finden: Alle drängten in die Flüchtlingsarbeit. „Heute ist es sehr viel schwerer geworden, Ehrenamtliche für die Flüchtlingsarbeit zu finden“, sagt Diakon Jörg Kleinewiese. Der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Hamburg koordiniert die verschiedenen Aktivitäten und die Vergabe von Geldern aus dem seit 2015 bestehenden Flüchtlingsfonds. 

Auch heute noch kommen täglich Flüchtlinge nach Deutschland. In Hamburg haben sich im vergangenen Jahr 9 000 Menschen als schutzsuchend gemeldet. Allerdings: 2015 waren es 62 000. „Heute wird kaum mehr über Flüchtlinge berichtet“, sagt Jörg Kleinewiese.

Diakon Jörg Kleinewiese, Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums Hamburg.
Diakon Jörg Kleinewiese,
Flüchtlingsbeauftragter des
Erzbistums Hamburg.
Foto: Hüser

„Das Thema ist von der Tagesordnung weit entfernt. Wenn es auftaucht, dann im Zusammenhang mit der AfD oder mit Fragen wie: Wie viel kosten uns die Flüchtlinge?“ 

Die großen Notunterkünfte sind in den Städten verschwunden. Die Erstaufnahme-Kapazitäten werden heruntergefahren. „Trotzdem geht die Arbeit weiter“, sagt der Flüchtlingsexperte. „Nur die Schwerpunkte haben sich verlagert. Wer ein halbes Jahr in Deutschland ist, braucht etwas anderes als der, der schon zwei oder drei Jahre da ist. Und das sind mittlerweile die meisten.“ In der längerfristigen Begleitung für Familien und in Dolmetschertätigkeiten sind heute sehr viele Flüchtlinge im ehrenamtlichen Einsatz. Denen geholfen wurde, können heute selber helfen. 

Nach wie vor sind viele Ehrenamtliche und Projekte in der Vermittlung der deutschen Sprache tätig. Erst wer deutsch kann, hat die Chance, eine Arbeit zu finden oder einen Ausbildungsplatz – oder ganz einfach eine Mietwohnung. „Die Wohnungssuche ist ein ganz großes Problem“, schildert der Diakon. „In Hamburg etwa gibt es sowieso kaum bezahlbare Wohnungen. Wenn sich dann jemand meldet und sagt, ich heiße Abdul Achmed, hat er keine Chance.“ 

Deshalb entstehen zur Zeit Projekte, die Flüchtlingen in der „zweiten Phase“ helfen: Wohnungs- und Jobvermittlung, Beratung und Vermittlung von Ausbildungen. Nach der seit 2016 geltenden „Drei-plus-zwei-Regelung“ können zahlreiche Flüchtlinge für drei Jahre während einer Ausbildung plus zwei Jahre nachher ein Bleiberecht bekommen. 

„Die Christen haben uns gut behandelt“ 

Ein anderer Bedarf ist die psychologische Behandlung von Kriegstraumata. „So etwas können Ehrenamtliche nicht mehr leisten. Wir sind heute verstärkt auf Profis angewiesen.“ Auch dafür gibt es Geld aus dem Flüchtlingsfonds des Erzbistums. Die geförderten Projekte können auch Honorare für Fachkräfte geltend machen. 

Während Ehrenamtliche schwerer zu finden sind, ist die Spendenbereitschaft immer noch recht gut, berichtete Jörg Kleinewiese. „Nach jedem Dankesschreiben, das wir verschicken, kommen neue Spenden.“ Und der Bedarf ist nach wie vor da. 

Ein ganz anderes Thema ist die geistliche Begleitung. Eine Reihe von Flüchtlingen hat den Wunsch geäußert, sich taufen zu lassen. In vielen anderen Kirchen, vor allem in den evangelischen Freikirchen, geht das sehr schnell. In der katholischen Kirche dauert der Katechumenat, die Vorbereitung auf die Taufe, in der Regel ein Jahr. „Wir versuchen, ein eigenes Modell für die Taufvorbereitung zu entwickeln“, sagt der Diakon. Die Schwierigkeit dabei: Alle Gespräche müssen mit Dolmetschern geführt werden. Die Vorbereitungszeit steht oft unter dem Druck einer drohenden Abschiebung. Und neben der individuellen geistlichen Begleitung soll auch eine Integration in eine Gemeinde stattfinden. Ein Muslim, der sich als Flüchtling in Deutschland taufen lässt, hat bislang meistens keine Abschiebung in sein muslimisches Heimatland zu befürchten. Für einen „Abfälligen“ bestünde dort Lebensgefahr. 

„Nicht wenige sind vom Islam enttäuscht. Sie haben die Erfahrung gemacht, die Christen haben uns gut behandelt, unter dem Islam ging es uns schlecht.“

Muss man dann nicht damit rechnen, dass die Täuflinge in erster Linie nicht die Taufe, sondern die Aufenthaltsduldung wollen? Diakon Kleinewiese sieht das gelassen. „Ich kann das ja auch nachvollziehen. Aber selbst wenn dieses Motiv am Anfang steht. Wer weiß, was der Heilige Geist tut, wenn jemand ein Jahr lang im Glauben begleitet wird? Ich glaube, das müssen wir Gott überlassen.“

Text: Andreas Hüser