Lesung zum 26. Juli

Ein Wunsch ist frei

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In der Lesung ist es ein bisschen wie bei der guten Fee aus dem Märchenbuch. Nur, dass Gott dem Salomo nicht drei Wünsche erfüllen will, sondern nur einen. Salomo wählt ziemlich klug. Und was wäre Ihr Herzensanliegen? 

Eine Statue von König Salomo am Kölner Dom
Eine Statue von König Salomo an der Westfassade des Kölner Doms. In der Lesung des Sonntags erfüllt Gott Salomo eine Bitte. 

Von Kerstin Ostendorf 

In der Nacht, so erzählt die Lesung aus dem Buch der Könige an diesem Sonntag, erscheint Gott dem Salomo im Traum und gewährt ihm eine Bitte. Salomo antwortet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ Diese Bitte muss ihm auf dem Herzen gebrannt haben. Ohne zu zögern oder nachzudenken, äußert er seinen Wunsch. Und Salomo zeigt sich dabei bescheiden und demütig: Er möchte ein guter König sein, er möchte gerecht sein und das Volk sicher leiten können. Er bittet nicht um Reichtum, ein langes Leben oder den Tod seiner Feinde – und genau das gefällt Gott.

„Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll“, sagt Gott zu Salomo. Was wäre, wenn Gott uns im Traum erscheinen würde? Was wäre der eine Wunsch, um den wir Gott bitten würden? Müssten wir lange überlegen? Oder wüssten wir sofort, ähnlich wie Salomo, was wir brauchen? Würden wir für uns bitten oder hätten wir das Wohl von anderen im Blick? Hier sind einige Vorschläge: Wir könnten Gott …

… um Liebe bitten
Im Korintherbrief heißt es: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Was wären wir ohne Liebe in unserem Leben? Die Liebe zwischen Ehepartnern, die Liebe der Eltern zu ihren Kindern, die Liebe zu Geschwistern und Freunden. Die Liebe hat unglaublich viele Facetten. Wenn sie fehlt, fühlen wir uns einsam und verletzlich. Nur mit ihr sind wir stark und zuversichtlich. Dann fühlen wir uns angenommen – ganz so, wie wir sind, mit all unseren Fehlern. Aber Liebe empfängt man nicht nur, man muss sie auch schenken können. Vielleicht fehlt es ja daran manchmal: an der Fähigkeit, andere selbstlos zu lieben.

… um Frieden bitten
Dieser Wunsch ist riesig. In den Gottesdiensten beten wir in den Fürbitten immer wieder um Frieden in der Welt. Dass endlich die Waffen in Syrien schweigen, dass die Kämpfe in Mali, in der Zentralafrikanischen Republik, in Nigeria und in vielen anderen Ländern beendet werden. Wir hoffen, dass Staatsmänner, die ihre Stärke mit Waffen demonstrieren, nicht zu Kriegstreibern werden. Wie viele Millionen Menschen könnten ein besseres Leben führen, wenn Gott uns diese Bitte erfüllte? Wenn sie nicht Angst haben müssten, entführt und gefoltert zu werden? Wenn sie arbeiten und ihre Kinder in die Schule schicken könnten, statt auf der Flucht zu sein?

Aber auch wir brauchen Frieden, im Kleinen. Würde es nicht unser Leben leichter machen, wenn wir den Streit mit unserem Bruder oder unserem Freund beilegten? Wenn wir einander wieder in die Augen schauten und sagen könnten: Ich vergebe dir. Und wie viel leichter wäre es, wenn eine Meinungsverschiedenheit nicht gleich in eine Abrechnung ausartete? Wenn wir den anderen nicht beleidigten, sondern ihm zuhörten und zumindest versuchten, seine Sicht zu verstehen. Wenn wir nicht einfach schwiegen und die bösen Worte stehen ließen, sondern im Gespräch miteinander eine Lösung fänden.

… um Gesundheit bitten
Die Bitte um Gesundheit steht bei vielen von uns ganz oben auf der Liste. Gerade wenn wir älter werden, wird dieser Wunsch immer drängender. Wenn die Schulter zwickt und die Hüfte schmerzt, wenn die Tabletten im Schrank immer mehr werden. Wie schön wäre es, wenn wir stattdessen fit blieben, wenn wir keine Schmerzen hätten und wüssten, dass wir nicht einsam in einem Krankenhaus liegen müssten. Dieser Wunsch kann auch die Bitte um Gesundheit für die Menschen weltweit einschließen. Zum Beispiel für jene, die am Coronavirus erkrankt sind, für Menschen, die an Krebs leiden, für Kinder mit komplizierten und schweren Krankheiten.

… um Weisheit bitten
Wäre unser Leben nicht viel leichter, wenn wir immer die richtige Entscheidung träfen? Dann hätten wir keine Zweifel an unserer Berufswahl. Wir wüssten sicher, den richtigen Partner gewählt zu haben. Wir müssten nicht lange grübeln, ob es ein guter Zeitpunkt ist, zu heiraten, ein Kind zu bekommen und ein Haus zu bauen. Würde Gott uns diese Bitte erfüllen, wüssten wir, wer der Schuldige in einem Konflikt ist. Wir könnten leicht zwischen Gut und Böse unterscheiden und Streitfälle gerecht lösen. In diesen Wunsch könnten wir auch unsere Politiker, Bischöfe, Mediziner und Wissenschaftler einbeziehen. Damit sie immer richtig handeln und gute Entscheidungen für die Menschen treffen können.

… um Gerechtigkeit bitten
Die Kluft zwischen Armen und Reichen wächst – und das seit Jahren. Die Hilfsorganisation Oxfam hat in diesem Jahr errechnet, dass die weltweit gut 2000 Milliardäre so viel Vermögen besitzen wie die ärmsten 60 Prozent der Weltbevölkerung. Wie gut wäre es, wenn die Welt gerechter wäre: Wenn alle Menschen von ihrer Arbeit leben könnten, wenn keiner hungern müsste, wenn alle Kinder die Schule besuchen könnten. 

Und wie gut wäre es, wenn auch wir immer gerecht wären. Wenn wir im Supermarkt einen angemessenen Preis für unsere Lebensmittel zahlen würden, damit es auch dem Bauern und dem Arbeiter in der Schlachterei gutgeht. Wenn wir Kleidung zu einem Preis kauften, dass auch die Näherinnen von ihrem Lohn leben können. 

Aber Achtung!
Gott hat Salomo ein hörendes Herz geschenkt – einsetzen muss der junge König es in seinem Leben selbst. Und er schafft es auch, etwa in seinem berühmten Urteil über zwei Frauen, die sich um ein Kind streiten. Salomo hört gut hin, erkennt deshalb die wahre Mutter und kann weise entscheiden. 

Für uns gilt dasselbe. Gott einfach nur um etwas bitten, ist zu wenig; wir müssen unseren Teil beitragen. Wenn wir uns von ihm Frieden und Gerechtigkeit wünschen, müssen wir auf andere zugehen, versöhnlich sein, gerecht handeln. Wer Gesundheit erbittet, muss sich gesund ernähren und bewegen. Wer um Liebe bittet, muss selbst liebevoll mit anderen umgehen. Gott ist eben keine gute Fee, die aus dem Nichts etwas herbeizaubert, sondern einer, der auch uns etwas abverlangt.

Also, was glauben Sie? Würde Gott einer dieser Wünsche gefallen? Würde er ihn erfüllen, so wie er Salomos Bitte, ein guter und gerechter König zu sein, erfüllte? Und: Wenn Gott Sie fragen würde: Um was würden Sie ihn bitten? Und was dafür tun?