Warum wir die Kirche brauchen

Eine Heimat, die uns Halt gibt

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Die Kirche steckt in der Krise. Viele fordern, dass sie sich grundlegend ändern muss. Doch trotz Schwächen und Reformbedarf bleibt sie wichtig – für jeden einzelnen Christen wie für die Gesellschaft.

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Kraftquelle für den Glauben: das gemeinsame Gebet, hier beim Katholikentag in Münster 2018. Foto: kna


Für viele Christen ist die Kirche geistliche Heimat. Sie hilft bei der Suche nach Gott und auf dem Weg durchs Leben. Klar, manche Christen fragen: Brauche ich die Kirche noch? Kann ich nicht auch ohne sie mit Gott in Kontakt bleiben? Der katholische Politikwissenschaftler Andreas Püttmann sagt: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass man ohne die Kirche auf Dauer den Glauben leben kann.“ Der Glaube braucht es, dass Christen gemeinsam beten und singen und spüren, dass sie zusammengehören, in der Sonntagsmesse wie beim Katholikentag.

Die Kirche ist wichtig – für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft. Den Einzelnen stärkt sie im Glauben, und sie hilft ihm, den Glauben zu verstehen. Püttmann sagt: „Sie kann verhindern, dass Gläubige ideologisch entgleisen. Das ist wichtig, denn der Glaube ist ja kein ganz trittsicherer Boden.“ Die Kirche bietet den Gläubigen aber nicht nur eine Gemeinschaft, sondern auch einen Raum, in dem ihr Glaube sich entfalten kann. So ein Kirchraum ist ein besonderer Ort: hoch, still, voller Heiligenfiguren, voller Düfte. Püttmann sagt: „Der Kirchenraum schafft Heimatgefühle.“

An den Wendepunkten des Lebens sehnen sich auch kirchenferne Christen nach diesen Gefühlen. Sie feiern dort Taufe, Erstkommunion und Hochzeit. Sie wollen ihr Leben an diesen Wendepunkten religiös prägen und feiern. Für Püttmann ist es „nach wie vor ein Markenkern der Kirche: dass sie das besonders gut kann“. 

Was wäre, wenn es diese Kirche nicht mehr gäbe? Wie sähe unsere Gesellschaft dann aus? „Kälter. Rauer. Härter. Egoistischer“, sagt Püttmann. „Die Kirche nährt den Idealismus und die Bereitschaft, nicht immer nur zu fragen: Was bringt mir das?“ Sie ermuntere die Menschen, sich sozial zu engagieren, und biete ihnen die Gelegenheit, das dann auch zu tun. 

So organisiert die Kirche in vielen christlichen Altenheimen und Krankhäusern ehrenamtliche Besuchsdienste. Diese Dienste sind nicht mehr so verbreitet wie vor 20 Jahren, aber sie sind immer noch wichtig. Es sei nicht egal, ob eine Klinik, ein Pflegeheim, eine Schule oder eine Kita in kirchlicher oder weltlicher Trägerschaft sind, sagt Püttmann. Weil die kirchlichen Häuser mehr seelsorgliche Angebote machen. Aber auch, weil in ihnen trotz hohen wirtschaftlichen Drucks „tendenziell ein anderer Geist“ herrsche: „Ein Geist, der stärker von christlichen Werten geprägt ist und der besondere Empathie für die Schwachen zeigt und besonderen Respekt vor der Heiligkeit des Lebens hat.“ Das zeige sich etwa beim Umgang mit Sterbenden oder darin, dass katholische Kliniken keine Abtreibungen durchführen.

Kirche verhindert, dass sich Ersatzreligionen ausbreiten

Die Kirche steht für etwas. Sie kann den Halt geben, den viele Menschen heute suchen. Sie verhindere, dass sich inhumane Ersatzreligionen ausbreiten, sagt Püttmann: „Wenn ich ausgefüllt bin von meiner Religion, dann muss ich nicht die Nation oder das Volk überhöhen, ich muss mich nicht mit Konsum und Vergnügungsmitteln betäuben, ich muss nicht meinen Reichtum anbeten.“ 

Eine Gesellschaft ohne Kirche und ohne Gott, sagt Püttmann, „hätte weniger Hoffnung und Sinn“. Hoffnung und Sinn aber braucht jeder Mensch.

Andreas Lesch