Die göttliche Dreifaltigkeit
Eine kleine Familie
Ein bekanntes afrikanisches Sprichwort sagt: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Soll bedeuten: Nur einen Ansprechpartner zu haben, ist zu wenig. Und was für Menschen gilt, könnte auch für Gott gelten.
Stellen Sie sich einen jungen Menschen vor. Nennen wir ihn Jo – abgekürzt für Johannes oder Johanna, ganz wie Sie wollen. Jo lebt in einer normalen Familie, hat Vater, Mutter, einen älteren Bruder. Zur Patentante hat Jo eine enge Beziehung und zu Opa.
Als Jo klein ist, ist meist die Mutter da. Sie tröstet, verbindet Wunden, schlichtet den Streit mit Kindergartenfreunden. Papa repariert das Fahrrad und begleitet Jo zum Handballtraining. Später gibt der große Bruder Jo Tipps im Umgang mit Alkohol und mit dem anderen Geschlecht. Als Jo nach der 10. Klasse die Schule verlassen möchte und die Eltern auf das Abitur drängen, hilft die Patentante, und als auf einer Party fremdes Eigentum zu Bruch geht, rettet Opa die Situation. Und wenn Jo niedergeschlagen oder deprimiert ist, dann ist die Clique da, um Jo aufzubauen und auf neue Gedanken zu bringen.
Für jede Lebenslage ist jemand da
Ist es zu weit hergeholt, diese Alltagserfahrung auf unser Verhältnis zu Gott zu übertragen? Immerhin: Wir Christen haben einen Gott mit drei Gesichtern, mit drei Weisen, wie er mit uns in Kontakt tritt: Gott ist uns Vater und Mutter. Er ist uns in Jesus Christus ein Bruder. Und er ist uns im Heiligen Geist ein Freund, der uns inspririert. Gott ist in sich bisschen wie eine kleine Familie, die uns umgibt, die uns stützt, ermahnt, fördert, berät, liebt. Und wie in Jos Familie kann es auch im Glauben vorkommen, dass uns je nach Lebenslage mal das eine und mal das andere Gesicht Gottes besonders wichtig ist.
Gott, der uns Vater und Mutter ist
Für viele ist das das Erste, was ihnen zu Gott einfällt: Vater unser im Himmel. Der Vater ist der, dem wir unsere Entstehung verdanken, der Schöpfer, der uns gewollt hat, der uns liebt. Bei Jesaja heißt es: „So spricht der Herr, dein Schöpfer, der dich im Mutterleib geformt hat, der dir hilft: Fürchte dich nicht!“ (Jesaja 44,2)
Gott, der Vater, ist der, an den wir uns in der Not wenden, wenn uns Sorgen bedrängen, wenn wir Hilfe brauchen. In dieser Seite Gottes steckt viel von dem, was die Menschheit seit Tausenden Jahren unter guten Vätern versteht: den Beschützer, den Ernährer, den Helfer.
Allerdings darf man auch die Kehrseite des Bildes nicht verkennen: Der Vater, das ist auch der Strafende, der, vor dem sich nicht wenige Kinder gefürchtet haben. Gerade, wer keine guten Erfahrungen mit seinem Vater gemacht hat, kann auch Schwierigkeiten haben mit einem Vatergott, der als streng und strafend geglaubt wird, als Patriarch, der seinen Kindern keine Freiheit und keine Luft zum Atmen lässt.
Vielleicht kennt die Bibel deshalb auch die mütterliche Seite Gottes. Besonders schön formuliert es der Beter in Psalm 131, der Ruhe findet in Gott: „Ich habe zur Ruhe gebracht meine Seele; wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter, wie das gestillte Kind, so ist meine Seele in mir.“
Gott, der uns Mutter ist, ist der Inbegriff der Geborgenheit. Wie ein Kind sich in die Arme seiner Mutter kuschelt, so können wir uns bergen in Gott. Auch eine jahrtausendealte Menschheitserfahrung. Sicher, diese biblischen Zuordnungen entsprechen nicht mehr so ganz unserem modernen Rollenverständnis. Das Beschützen und das Kuscheln sind nicht mehr so eindeutig auf Vater und Mutter verteilt. Neuerdings – jedenfalls in biblischen Zeitspannen gerechnet. Und so ganz falsch ist es auch nicht.
Gott, der uns Bruder ist
Jesus ist anders. Nicht hoch oben, sondern nah bei uns. Mensch unter Menschen, „in allem uns gleich, außer der Sünde“, wie es das Konzil von Chalzedon 451 formulierte. Deshalb kann Jesus wie ein älterer Bruder sein, ein Vorbild für uns – sozusagen für uns jüngere Geschwister.
An Jesus kann man sich orientieren, an ihm kann man sich praktisches Verhalten abschauen. Wie man mit seinen Mitmenschen umgeht zum Beispiel; was Nächstenliebe heißt; wie man denen begegnet, die einem Übles wollen; wie man seiner inneren Berufung folgt, auch wenn die Familie dagegen ist; wie wichtig das Gebet ist und wie wichtig ein Freundeskreis.
Dabei lässt Jesus – wie auch sonst ältere Brüder – durchaus nicht alles durchgehen. Auch er kann schimpfen und ermahnen. Aber eben auf einer brüderlichen Ebene. An Jesus kann man sehen: Ein Leben nach Gottes Geboten kann hier auf Erden funktionieren; auch wenn es nicht einfach ist, führt es doch zum Ziel.
Jesus ist nicht der Vater, auf dessen Schoß wir uns in unserer Not bergen. Er ist der Bruder, der uns mal liebevoll, mal ruppig hinaus ins Leben schubst.
Gott, der uns Inspiration ist
Vieles im Leben ist schlicht Gewohnheit. „Was du ererbt von deinen Vätern ...“, Sie kennen das. Das kann gut sein, es kann aber auch zu einer ungesunden Starre führen, zu Leblosigkeit. Manchmal können Vater und Bruder die eigenen Möglichkeiten einschränken und uns in Wege pressen, die nicht die unseren sind.
Da ist es gut, den Heiligen Geist zu haben. Er ist der Gott der Beweglichkeit, der Erneuerung, des Mutes und der Kraft. Er ist der Gott, der uns inspiriert, eigene Wege zu gehen, auch wenn nicht ganz sicher ist, wohin sie führen. Der Heilige Geist ist der Gott, der nicht zuerst fragt: Darf ich das? Entspricht das den Regeln? Es ist der Gott, der sagt: Trau dich! Probiere es aus! Denn es kann ja sein, dass deine Idee nicht nur auf deinem Mist gewachsen ist, sondern auf Gottes.
Gott, der Dreifaltige
Es ist das Besondere am Christentum, dass wir an einen dreifaltigen Gott glauben. Unser Gott ist kein monolithischer Fels, der stets gleich erscheint. Der dreifaltige Gott ist in sich vielgestaltig, zeigt sich uns von verschiedenen Seiten. Mal brauchen wir vielleicht Vater und Mutter, mal mehr den Bruder, mal mehr den Antreiber. Und trotzdem ist er der Eine: Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Susanne Haverkamp