Fremdsprachige Lektoren

Eine Sprache des Herzens

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Lektorin am Ambo in St. Johann Bremen
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Foto: Anja Sabel

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Sara Cappanera trägt in der Bremer Propsteikirche St. Johann Lesungen in ihrer Muttersprache Italienisch vor. Foto: Anja Sabel

Die Italienerin Sara Cappanera gehört zum fremdsprachigen Lektorenkreis in der Bremer Propsteigemeinde St. Johann. Sie freut sich, regelmäßig Lesungen in ihrer Muttersprache halten zu können und sagt: „Das Wort Gottes verbindet uns Christen in der ganzen Welt.“

Aufrecht stehen, in ruhigem Tempo sprechen, Pausen machen – Sara Cappanera weiß, worauf es ankommt. Sie ist eine erfahrene Lektorin. Deshalb wird sie die eine Panne nicht so schnell vergessen: Der Pfarrer wechselte kurzfristig die Lesung. Normalerweise kein Problem. Für Sara Cappanera, die sich auf einen anderen Text vorbereitet und ihn ausgedruckt auf Italienisch neben sich liegen hatte, aber schon. Sie konnte nicht mehr reagieren. „Ich stand vorn und habe mit rotem Kopf gelesen“, sagt sie. Aufmerksame Gottesdienstbesucher „werden sich gewundert haben, dass plötzlich andere Namen aufgetaucht sind als in der deutschen Fassung zuvor“.

Cappanera, 48 Jahre alt, gehört in der Bremer Innenstadtgemeinde St. Johann zum Kreis der fremdsprachigen Lektorinnen und Lektoren. Eine offene Gruppe, die es seit fast 20 Jahren in wechselnder Besetzung gibt. Zurzeit decken 16 Frauen und zwei Männer zwölf Sprachen ab: Spanisch, Französisch, Polnisch, Kroatisch, Italienisch, Lettisch, Englisch, Vietnamesisch, Indonesisch, Portugiesisch, Philippinisch und Arabisch. Die Organisatorin Maria Bartels, Bremerin mit indonesischen Wurzeln, verteilt die Lesungen und trägt in Listen ein, wer wann an der Reihe ist. Dafür treffen sich alle Beteiligten drei- bis viermal im Jahr.

1998 kam Sara Cappanera mit einem Erasmus-Stipendium nach Bremen – schon damals „verliebt in die deutsche Sprache“. Aufgewachsen ist sie in einem Dorf an der Adria in der mittelitalienischen Region Marche (Die Marken). Sie hat Politikwissenschaften in Bologna studiert mit den Schwerpunkten europäische Integration, internationale Beziehungen und Menschenrechte. Da sie in der Bremer Hochschulgemeinde aktiv war, knüpfte sie auch schnell Kontakte in St. Johann. Die Vielfalt und Weltoffenheit in dieser internationalen Gemeinde gefielen ihr. „Ich fühlte mich sofort geborgen“, sagt sie. Vor allem, als sie zum ersten Mal eine Lesung in ihrer Muttersprache hörte. Die Freude war so groß, dass sie die italienische Lektorin nach dem Gottesdienst ansprach. Und die fragte sofort: „Willst du mitmachen?“

Sara Cappanera wollte. Durch diesen Dienst, sagt sie, fühle sie sich nicht nur mit Gott verbunden, sondern auch mit der Gemeinde – sowohl in Bremen als auch in Italien. „Ich finde den Gedanken schön, dass meine Schwester in meiner Dorfgemeinde zur gleichen Zeit die gleiche Lesung hält.“ In der ganzen Welt werde dasselbe Wort in vielen Sprachen verkündet. „Ein starkes Zeichen der universalen Kirche, die St. Johann besonders gut verkörpert.“ Manchmal kommen nach einem Gottesdienst Landsleute zu ihr und bedanken sich für die italienische Lesung. Darüber freut sie sich. „So kann ich Menschen erreichen, die Gottes Nähe suchen, aber vielleicht noch kein Deutsch verstehen.“ Die Lesung in der eigenen Sprache sei eben ein Stück Zuhause.

Ich versuche, den Geist hinter den Worten zu spüren.

Biblische Lesungen sind nicht immer einfach oder auf den ersten Blick einsichtig. Die Spannbreite reicht von hymnenartigen Perikopen bis hin zu Erzählungen mit einem wirklichen Handlungsstrang. Sara Cappanera bereitet sich gut vor. Denn eine Lesung, zumal in ihrer Muttersprache, ist für sie „viel mehr als nur Vorlesen“. Wobei sie die neutestamentlichen Texte am liebsten mag, wie sie verrät. 

eine Lesung auf Italienisch
Am 26. Mai hat Sara Cappanera wieder Lektorendienst. Die Lesungstexte sind schon vorbereitet. Foto: Anja Sabel

Die Bremerin sucht sich auf einer Plattform im Internet den entsprechenden Text auf Italienisch heraus und liest ihn schon zu Hause laut. „So versuche ich, den Geist hinter den Worten zu spüren und das Wort lebendig werden zu lassen, meinen Blick und mein Ohr zu schärfen, um diese Worte zu verstehen und sie authentisch zu verkünden.“ Ohnehin ist sie überzeugt: „Es ist die Sprache des Herzens, die alle vereint und keine Grenzen kennt. Es ist die Sprache des Heiligen Geistes, der alle Sprachbarrieren überwindet. Das ist das Wunder von Pfingsten.“

Sara Cappanera ist heute beruflich im Qualitätsmanagement des Bremer Flugzeugbauers Airbus tätig. In ihrer Freizeit widmet sie sich neben dem Lektorendienst noch weiteren Ehrenämtern. Sie ist berufenes Mitglied im Katholikenrat des Bistums Osnabrück, arbeitet im Eine-Welt-Kreis der Propsteigemeinde St. Johann mit und engagiert sich bei Sant’Egidio, einer internationalen christlichen Gemeinschaft von Laien, die ihren Glauben auf konkrete Weise leben möchten. Zum Beispiel beteiligt sie sich an einer Essensausgabe für bedürftige Menschen in der Bremer Innenstadt und an einem Gebet auf der Straße.

Ihre Familie, sagt Sara Cappanera, habe ihr einen offenen und authentischen Glauben vorgelebt. Sie lächelt. „Das habe ich wohl geerbt, obwohl ich auch meine eigenen Glaubenserfahrungen mit Höhen und Tiefen gemacht habe. Meine Mutter hat mich besonders beeindruckt, ich habe sie immer eine Gläubige des Herzens genannt.“ 

Lektorin war Sara Cappanera schon in Marzocca, ihrem Heimatdorf mit rund 3000 Einwohnern. Dazu fällt ihr eine Geschichte ein: Als ihre Oma im Rollstuhl saß und nicht mehr zum Gottesdienst gehen konnte, nahm sie ihr manchmal die Texte mit, die in Italien oft als Ausdruck im Eingangsbereich liegen. „Ich habe meiner Oma dann die Lesungen vorgetragen, damit sie ein Stückchen vom Gottesdienst mitbekommt. Vielleicht ist da schon in früheren Jahren etwas entstanden, was mich bis heute begleitet.“

 

Anja Sabel