Fastenbräuche anderer Länder

Einkehr, Besuche und Prozessionen

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Auch Christen anderer Länder und Kontinente gestalten die Fastenzeit auf besondere Weise – manchmal anders, als wir es kennen. Beispiele aus Syrien, Indien, Ghana und aus der mit Rom unierten Ostkirche. 


Diana Frimpong (links) leitet den Chor der ghanischen
Gemeinde. Die Fastenzeit gestaltet sie für sich sehr streng.

Diana Frimpong (45), Chorleiterin der in der Kirche St. Franziskus in Hannover-Vahrenheide beheimateten Ghanaischen Gemeinde fastet knallhart, so wie es fast alle Katholiken vom Stamm der Ashanti tun. Die Chorleiterin, die in Hannover als Altenpflegehelferin arbeitet, sagt: „Kein Fleisch, kein Fisch, kein Käse, keine Milch, keine Eier. Auch sonntags nicht. Unser Fasten beginnt um sechs Uhr morgens und endet um sechs Uhr abends. Nur Wassertrinken ist in diesen zwölf Stunden erlaubt. Das machen daheim mindestens 70 Prozent von uns Ashantis so. Wir sind in der Mehrzahl Christen und davon sind die meisten Katholiken.“ Diana Frimpong hält es auch hier so. Und in diesem Jahr will ihre siebenjährige Tochter auch mitmachen, obwohl sie es als Kind nicht muss. Diana Frimpong sagt: „Ich habe es ihr erlaubt und ihr gesagt, dass sie jederzeit aufhören kann, wenn sie nicht mehr will. Aber sie will es schaffen.“
 


Baschkir Haskur, Syrien:
„Die Fastenzeit ist für uns eine
Zeit der Exerzitien.“

Auch Baschkir Haskour (22),ein aus dem syrischen Aleppo stammender Student der Betriebswirtschaftslehre, kennt, was die Speisen angeht, die gleichen Einschränkungen wie Diana Frimpong: „Wir syrischen Katholiken essen und trinken in dieser Zeit keine tierischen Produkte. Die Fastenzeit ist eine Zeit der Exerzitien, der Besinnung und Arbeit an den eigenen Fehlern, der Aussöhnung, des Besuchens der Kranken und Einsamen. Eine besondere Feier, die man hier in dieser Weise nicht kennt, ist bei uns die Grablegung Christi. Dabei wird in einer Prozession ein Sarg um die Kirche herumgetragen und dort seitlich vom Altar abgestellt. Verschiedene Abordnungen der Gemeinde bilden die Prozession, Pfadfinder begleiten sie mit Trommeln und Querpfeifen, die übrige Gemeinde steht Spalier und bewirft den Sarg mit Blumen und Reis.“
 


Dechant Maksymtsiv mit seiner Frau Mariya, Tochter
Anna und Sohn Josef vor der Kirche St. Wolodymir
in Hannover-Anderten.

Dechant Roman Maksymtsiv (43) ist Priester der mit der römisch-katholischen Kirche unierten Ukrainer. Diese offiziell griechisch-katholische Kirche erkennt den Papst und die Dogmen der römisch-katholischen Kirche an, sodass Sakramentengemeinschaft besteht. Liturgie und äußere Formen entsprechen der Orthodoxie. Zu den Besonderheiten gehört, dass verheiratete Männer zu Pries­tern geweiht werden können. So auch Dechant Roman Maksymtsiv. Mit seiner Frau Mariya (38) hat er zwei Kinder: die 16-jährige Anna und den zehnjährigen Josef. Auch die Ukrainer der Gemeinde St. Wolodymir in Hannover-Anderten feiern am Karfreitag die Grablegung Christi, die sogenannte Plaschtanyza. Der Sarg wird dabei durch ein kunstvoll besticktes Tuch symbolisiert, das nach der Prozession auf einem Ambo in der Kirche platziert wird. Der Gründonnerstag ist der Tag, an dem der mit sehr vielen Rosinen durchsetzte Hefeteig für das Paska-Brot angesetzt und das Brot gebacken wird. Das Paska-Brot gehört zusammen mit Blumen, kunstvoll bemalten Eiern (Pysanky), Wurst, Butter, Meerrettich und Eiern zu den Grundbestandteilen der ukrainischen Osterkörbe, die nach der Messe am Ostermorgen vom Priester gesegnet werden.
 


Mit Kreuz und Blumen ziehen indische katholische
Christen an Karfreitag einen Berg hinauf.

Pater Cherian Marottickathadathil, Pfarrvikar in der Gemeinde St. Martin in Hannover-Roderbruch, stammt aus dem südindischen Bundesstaat Kerala. Das Christentum dort blickt auf eine vergleichsweise lange Tradition zurück. Als hierzulande noch Bonifatius durch die Wälder streifte, die Germanen die heidnischen Götter Wotan, Thor und Freia verehrten, da waren die Vorfahren von Pater Cherian schon seit knapp 700 Jahren Christen – syromalabarische Thomaschristen. Denn über Syrien und den Iran war der Apostel Thomas bis nach Südindien gelangt und hatte dort Tausende von Angehörigen der Priesterkaste der Brahmanen bekehrt. Als knapp 1500 Jahre nach Thomas portugiesische Seefahrer Indien entdeckten, fanden sie dort zu ihrem Erstaunen christliche Gemeinden vor.

Während die Portugiesen erfolgreich unter den Angehörigen der niederen Kas­ten und der Fischer an der Küste missionierten, führten die Syromalabarer weiter ein liturgisches Eigenleben. Sie erkennen jedoch wie andere unierte Ostkirchen die katholischen Dogmen und den Papst als Oberhaupt an, sodass Sakramentengemeinschaft besteht. Pater Cherian ist Angehöriger der Ordensgemeinschaft der Missionare des heiligen Franz von Sales und anerkannt biritual. Das heißt, er ist berechtigt, die Messe gemäß der syromalabarischen wie auch der römisch-katholischen Liturgie zu feiern.
 


Pater Cherian zeigt ein Foto einer Kreuzwegandacht
in Südindien.

Über die eigenen syromalabarischen Fastenbräuche sagt Pater Cherian Marottickathadathil: „Bei uns dauert die Fastenzeit 50 Tage, beginnt am Montag vor Aschermittwoch. Wir verzichten auch sonntags auf den Genuss aller tierischen Produkte und meist auch auf Alkohol. Viele Gläubige nehmen in der Fastenzeit an Exerzitien teil, die drei oder fünf Tage dauern. Sehr viele beichten in der Fastenzeit. Eine besondere Bedeutung hat für uns die Fußwaschung am Gründonnerstag. Er ist auch ein besonderer Tag der Begegnung mit Nachbarn und Verwandten. Hierzu backen die Hausfrauen ein ungesäuertes Brot aus Reismehl, Kokosmark, Salz, Wasser und Kardamom. Man besucht und empfängt viele Menschen und isst dabei Stücke dieses Brotes. Diese wechselseitigen Besuche können bis nach Mitternacht dauern. Daran schließt sich eine bis in den Morgen des Karfreitags dauernde Andacht an. Dabei singen wir ein Lied, das Johann Ernst von Hanxleden (1681–1732), ein aus Ostercappeln bei Osnabrück stammender deutscher Jesuitenmissionar, komponiert und auf Malayalam, unserer Hauptsprache in Kerala, gedichtet hat. Dieses Lied, es heißt „Panawayana“, behandelt die Passion und Auferstehung Christi. Es ist lang, gefühlvoll und in ganz Kerala so beliebt, dass es über den katholischen Bereich hinaus am Gründonnerstag in keiner Kirche und im übrigen Jahr bei keiner Beisetzungsfeier fehlt. Am Karfreitag begehen wir feierlich in einer Prozession die Grablegung Christi. Wenn es in erreichbarer Nähe einen Berg gibt, steigen wir bei der Kreuzwegandacht auf diesen hinauf. Nach der Karfreitagsliturgie empfängt jedes Gemeindemitglied eine Soße aus Bitterkräutern. Das Bittere soll den Gläubigen an das Leiden Jesu am Kreuz erinnern. Die Osterfeier beginnt immer nachts um drei Uhr. Was wir nicht kennen, ist der Ritus der Kreuzver- und -enthüllung, das Osterfeuer und die Osterkerze.“

Tillo Nestmann