Sieben Diakone werden zu Priestern geweiht
Entscheidung gegen den Trend
Die Diakone Marco Pulcini, Zisterzienserpater Alberich Maria Fritsche, Stephan Komischke, Vinzent Piechaczek, Lukas Hennecke, Michael Kreher und Grzegorz Bajer (von links) im Garten des Erfurter Priesterseminars. Fotos: Vinzent Antal |
„Ich war auf der Suche nach einer neuen geistlichen Heimat in Leipzig und besuchte mit Kommilitonen eine Roratemesse der KSG (Katholische Studentengemeinde). Dort hatte ich einen Augustinus-Moment. Wie er sagte: ‚Mein Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir‘, so hatte ich dort das Gefühl, angekommen zu sein “, sagt Diakon Michael Kreher (32). Der Leipziger ist evangelisch aufgewachsen und Kirche hat ihn schon immer fasziniert. Während der Zeit des Abiturs wurde ihm dann klar, dass er Pastor werden wolle. Daher studierte er in seiner Heimatstadt Theologie.
Neue Konfession – gleiche Berufung
Da er sich in seiner alten Gemeinde geistlich nicht mehr Zuhause fühlte, erkundete er das spirituelle Leipzig. Er besuchte die Baptisten, andere Freikirchen, die russisch-orthodoxe Gemeinde und fand die KSG. Nachdem er das Vordiplom in evangelischer Theologie hatte, machte er einen Schnitt und konvertierte. Während dieser Entscheidung stand ihm ein geistlicher Begleiter zur Seite, mit dem er auch besprach, wie sein Weg weitergehen solle. Dabei merkte er, dass ein Wechsel der Konfession nicht seinen Kurs ändern müsse. Daher ging er ins Erfurter Priesterseminar und nahm ein katholisches Theologiestudium auf.
An seiner neuen geistlichen Heimat schätzt Kreher, die sinnliche Erfahrbarkeit, den Schatz der Tradition und die liturgische Vielfalt, aber auch die Stärkung in der Eucharistie und das Bußsakrament. „Uns sind von der Tradition viele Instrumente mitgegeben, mit denen wir die Menschen in den Freuden, aber auch in den Nöten und Spannungen, mit denen sie unterwegs sind, gut begleiten können“, fasst er zusammen, was er als seine priesterliche Aufgabe sieht. Er möchte eine Pastoral etablieren, die Dinge ermöglicht und nicht verhindert. Er möchte die Menschen ermutigen, sich so einzubringen, wie sie sind. Für ihn müssen auch die Brüche im Leben der Gläubigen einen Platz in der Kirche haben und die pastoralen Mitarbeiter müssen klar machen, dass jeder unabhängig von der persönlichen Vorgeschichte die Liebe Gottes finden könne. Denn Gott ist der liebende Vater, der den verlorenen Sohn wieder in den Arm nimmt.
Dieser Überzeugung entsprechend hat sich der 32-Jährige auch Lukas 22, 32a als seinen Primizspruch ausgesucht: „Jesus Christus spricht: Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt.“ Er sieht in diesem Vers etwas sehr Entlastendes: „Ich weiß, dass Gott mich zuerst von Ewigkeit her unendlich liebt und Jesus selbst dafür betet, dass mein Glaube nicht erlischt.“
Diakon Dr. Marco Pulcini stammt aus dem Herzen der katholischen Kirche. Der Römer wuchs in einem katholischen Elternhaus auf. „Dort konnte ich diese erste Liebe Gottes vorkosten durch meine Familie und dank ihnen bin ich auf den Weg der Berufung gekommen.“ Dennoch war sein Weg zum Priestertum kein gerader. Während seines Philosophie-Studiums kam er 2006 als Erasmusstudent auch nach Berlin. Hier hatte er im katholischen Herzen der Stadt, der Sankt Hedwigs-Kathedrale ein konkretes Berufungserlebnis. Dort saß er und fragte sich „mal wieder, was Gott von mir will. Die Antwort fand ich auf dem Titel eines Heftes mit unterschiedlichen Berufungserfahrungen: ‚Du aber … folge mir nach!‘“ Besonders das Zeugnis eines Priesteramtskandidaten bewegte ihn und so beschloss er, diesem einen Brief zu schreiben mit der Bitte, ihn kennenzulernen. Der Priesteramtskandidat war Mitglied des Neokatechumenalen Weges und so lernte auch Pulcini diesen kennen und wurde Teil dieser geistlichen Bewegung.
Er ging jedoch trotz dieser Erfahrungen nicht ins Priesterseminar, sondern unterrichtete nach dem Studium in einem Salesianischen Institut in Frascati Philosophie und Religionsgeschichte. Während dieser zwei Jahre an Grund- und Oberschule wurde ihm klar, auch durch die Fragen der Kinder und Jugendlichen, dass Gott ihn immer noch rufe. Daher trat er ins Priesterseminar Redemptoris Mater in Rom ein, wo er das Theologiestudium aufnahm, das er dann im Berliner Priesterseminar des Neokatechumenalen Weges fortsetzte. Später promovierte er an der Päpstlichen Lateran-Universität im Vatikanstaat und erhielt 2018 den Doktortitel in Philosophie.
Während seiner bisherigen pastoralen Arbeit hat sich für den 42-Jährigen herausgestellt, dass die katholischen Familien ein Schwerpunkt sind: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Jugendlichen zuerst zu Hause lernen, was Hauskirche ist. Es gibt keine Ortskirche, Gemeinde, Vereine ohne Hauskirche.“
Weg der Berufung ist auch Kreuzweg
Was seinen Primizspruch angeht, ist sich Pulcini noch nicht sicher. Vermutlich wird es aber Jesu Ausspruch „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ werden. Denn für ihn ist Jesus der einzige Weg zu Gott, aber auch zur Wahrheit des eigenen Lebens, die man bewusst suchen muss. Dieser Weg zum Sinn des Lebens, in Pulcinis Fall der Weg der Berufung zum Priestertum, ist immer auch ein Kreuzweg. Doch wie auch Jesus immer wieder aufgestanden ist, müssen auch die Menschen aus der Kraft des Glaubens sich wieder aufrichten. Der Römer ist sich sicher: „Als Priester gibt man sein Leben hin für die anderen. Diesen Weg hat Gott bestimmt und das ist ein schöner Weg.“
Für den Döbelner Vinzent Piechaczek war seit seinem 14. Lebensjahr klar, dass er Arzt in einem Rettungshubschrauber werden wolle. Da er jedoch nicht auf Anhieb einen Medizin-Studienplatz erhielt, verfolgte er seinen Plan B und begann eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger. Im Hinterkopf beschäftige ihn aber immer mal wieder eine ganz andere Frage: „Warum nicht Priester werden?“ Auch kurz vor Abschluss der Ausbildung spürte er wieder dieses innere Klopfen der Berufung. Doch er wollte seinen erlernten Beruf erst einmal ausüben und fing im Leisniger Helios Klinikum an. Parallel dazu absolvierte er ein pflegewissenschaftliches Studium. Damit war die Frage nach dem Priester werden wieder aufgeschoben.
Nach dem Studium war die Frage erneut in seinem Kopf: Was ist mit dem Priestertum? Doch da ihm sein Beruf viel Freude und Erfüllung schenkte, wollte er die neu erworbene Qualifikation nutzen und wurde 2011 Stationsleiter in einer Klinik in Baden-Württemberg. Dort wurde das Klopfen immer drängender, bis Piechaczek sich schließlich eingestand: „Jetzt kann ich springen, ich gebe alles auf und folge dir, Gott, und möchte Priester werden.“ Allerdings gab er sich noch ein Jahr Bedenkzeit und da er als Stationsleiter nicht glücklich war, wechselte er als Krankenpfleger auf eine Wachstation in Suhl. Dort erlebte er genau das, was er sich als Pfleger erhofft hatte. Das Team stimmte und die Arbeit erfüllte ihn. Aus dieser positiven Erfahrung heraus fühlte er sich nach Ablauf der selbst gesetzten Jahresfrist sicher, den Bruch zu wagen. Die Sicherheit, Priester werden zu wollen, schenkte dem heute 34-Jährigen eine innere Ruhe und Zufriedenheit. Alle Zweifel waren plötzlich weg und „diese innere Freude ist bis heute da“. 2013 begann schließlich sein Weg zum Priestertum mit einem einjährigen theologischen Vorkurs in Bamberg. Dann folgte das Studium in Erfurt, Würzburg und Frankfurt am Main.
Dem gemeinsamen Fundament vertrauen
Sein Primizspruch „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir!“ (Jesaja 43, 1) ist für Piechaczek Ausdruck seines Berufungsweges: „Ich habe immer wieder Punkte gehabt, an denen ich getragen wurde. Da habe ich gemerkt, dass ich keine Angst haben brauche. Das feste Vertrauen, dass Gott mich trägt, mich begleitet, ist der Ankerpunkt meines Lebens.“ Aus dieser Überzeugung heraus, sieht er auch die Krankenhausseelsorge als pastorales Betätigungsfeld, auf dem er sich gern einbringen möchte, um Notleidenden diese tragende Liebe Gottes zu zeigen.
Als wichtige Aufgabe für sein Priestertum sieht der Döbelner, die Einheit der Kirche zu bewahren. Er möchte den Gläubigen vermitteln, dass sie auch in der Verschiedenheit ein gemeinsames Fundament haben. Denn er ist sich sicher: „Jesus Christus trägt uns.“
Nach fünf Semestern zog es ihn für ein Auslandsjahr ins englische Colchester – auch im Hinblick auf seinen Glauben war diese Zeit für ihn wertvoll. „Dort war Weltkirche erfahrbar, wenngleich die katholische Kirche eine eher untergeordnete Rolle spielte“, erinnert er sich. Im Gedächtnis geblieben ist dem 36-Jährigen die Keller-Kapelle aus den 60er Jahren, die mehrere Kirchen für ihre Studentengseelsorge nutzten, und die wöchentlichen Katechesen, in denen ein Priester eine interessante Einführung in den christlichen Glauben gab.
Der Gedanke, selbst Priester zu werden, kam ihm erst lange später, in der Vorbereitung des Ersten Staatsexamens, in den Sinn. „Habe ich wirklich das Richtige ins Zentrum meines Lebens gestellt?“, fragte er sich in dieser Zeit immer wieder. „Christus nachzufolgen steht in meinem Leben an erster Stelle. Die meiste Zeit und Energie verwende ich aber auf Dinge, die mir weitaus weniger wichtig sind“, ging ihm durch den Kopf.
Diesem Impuls nachzugehen und zugleich das Studium gut zum Abschluss zu bringen, war aufreibend für Stephan Komischke. Einerseits spürte er die Erwartungen all derer, die ihn schon als Juristen sahen, auf der anderen Seite drängte es ihn auf einen neuen Weg, dessen Verlauf noch völlig uneinsehbar war. Eine Bergmesse auf dem Wallberg bei München, an der er im Urlaub teilnahm, schenkte ihm Gelassenheit zurück: Beim Blick ins Tal ging ihm auf, wie klein seine Probleme doch sind und wie gut Gott es mit ihm meint. „Er wird mich schon führen!“, war ihm in diesem Augenblick gewiss. In dieser Gewissheit konnte er sich plötzlich auch vorstellen, sich regional auf das Erzbistum Berlin festzulegen. Als Steueranwalt hatte er seine Zukunft eher in bergigeren deutschen Regionen gesehen.
Kurz nach seinem Examen im Jahr 2012 meldete er sich beim Regens des Erzbistums Berlin und begann seine Ausbildung zum Priester mit dem propädeutischen Jahr in Bamberg. Nach Studienjahren in Erfurt spezialisierte er sich in München und Münster auf Kirchenrecht. Sowohl an seinen Studienorten als auch in seinen Praktika erlebte er Kirche als sehr lebendig, mit intensivem Gemeinschaftsleben und bestärkenden menschlichen Beziehungen, insbesondere in der internationalen Gemeinschaft des Herzoglichen Georgianums in München und mit dem Pastoralteam der Pfarrei Theresa von Avila im Nordosten Berlins.
Dabei ist ihm dennoch wichtig: „Ich mache meine Entscheidung nicht an diesen positiven Erfahrungen und an einzelnen Menschen fest, sondern allein an Jesus, der mich so sehr liebt und mich auf einen neuen Weg geführt hat.“ Die Freude über diese Erfahrung möchte er weitergeben und bringt dies auch mit seinem Primizspruch aus dem Psalm 16 zum Ausdruck: „Herr, du zeigst mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrsche Freude in Fülle.“ Auf dieser österlichen Grundlage blickt er furchtlos in die eigene Zukunft und die der Kirche: „Die war doch noch nie ideal, schon unter den ersten Jüngern gab es Machtkämpfe“, ist ihm bewusst. „Jesus ist ein großes Wagnis eingegangen, als er uns Menschen die Weitergabe des Glaubens in die Hand legte“, meint er, „und auch ich bleibe immer wieder hinter dem zurück, was von Jesus her ideal wäre.“
Die Jugendlichen in seinem künftigen Einsatzgebiet können sich übrigens auf einen Band-erfahrenen Keyboardspieler und einen Tischtennis-Spieler freuen, der sogar für den FC Bayern gespielt hat. Zu seiner Diakonen-Weihe haben ihm seine damaligen Mannschaftskollegen ein Vereins-Shirt mit allen Unterschriften geschickt.
Ein Studienjahr in der Jerusalemer Benediktiner-Abtei Dormitio brachte den Wendepunkt. In seiner Berufung bestärkt hat es ihn, Orte zu sehen, die den christlichen Glauben prägen. Sehr nachhaltig wirkte zudem die Erfahrung, in Jerusalem vielen Weltanschauungen und Religionen zu begegnen. Er stieß auf eine große Bereitschaft, die eigene Anschauung zu reflektieren. Vielen sei bewusst gewesen, dass sie Wirklichkeit immer nur interpretiert wahrnehmen können. „Die Vielfalt der Perspektiven auf das Leben erschien mir als etwas sehr Wertvolles. Mich hat das inspiriert, auch meine Perspektive mit einzubringen: wie erfüllend und plausibel der christlliche Glaube für mein Leben ist.“ Als er aus Jerusalem zurückkehrte, trat er ins Erfurter Priesterseminar ein. Seither sucht er immer wieder das Gespräch mit Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen. Er fragt sie nach ihrem Weltbild, schlägt ihnen vor, bewusste Entscheidungen zu treffen. „Mit meiner Jerusalem-Erfahrung stoße ich bis heute auf großes Interesse, und die Gespräche bereichern mich auch selbst“, erzählt Lukas Hennecke.
Sein Zugang zu seinem Glauben ist zuallererst ein rationaler, räumt er ein. „Die spirituelle Dimension muss aber dazukommen. Das persönliche, durch die Gemeinschaft mit anderen Glaubenden getragene Gebet, ist ihm im Laufe seiner Ausbildung immer wichtiger geworden. In seinen pastoralen Praktika kam beides zum Einsatz: er verstand sich als geistlicher Wegbegleiter, aber auch als Gesprächspartner über Glaubens- und Weltanschauungsfragen. Nicht nur im Religionsunterricht des Dingelstädter Gymnasiums, in der Firmvorbereitung, bei Tauf- oder Trauergesprächen in der Pfarrei Lengenfeld hat er solche Gespräche angeregt, sondern durchaus auch mal bei der Dorfkirmes oder beim Fasching. Beherzt auf andere zugehen und dabei Neues wagen – diese Bereitschaft spricht auch aus seinem Primizspruch: „Steht auf, lasst uns von hier aufbrechen!“ (Joh 14,31)
Dominik Fritsche stammt aus einer katholischen Familie in Senftenberg. Sein Engagement in der dortigen Peter- und Paul-Kirche betrachtet er im Rückblick als ein wenig halbherzig. Als er nach dem Abitur als Freiwilliger der Dresdner „Initiative Christen für Europa“ ein Jahr in einem ukrainischen Sozialprojekt arbeitete, kam ihm erstmalig der noch vage Gedanke, möglicherweise von Gott berufen zu sein. Die orthodoxen Mönche, die er dort erlebte, faszinierten ihn.
Dennoch schlug er nach seiner Rückkehr einen Weg ein, der mit dem Mönchtum nichts zu tun hatte. Er begann eine Krankenpflege-Ausbildung im katholischen Marien-Krankenhaus Berlin-Lankwitz, wurde dort aber noch in der Probezeit gekündigt. Obwohl er selbst erkannt hatte, dass ihm die Pflegearbeit weniger am Herzen lag als die Seelsorge, fühlte er sich nach der Kündigung wie in einem dunklen Tal. „Ich bin depressiv geworden, war mehrere Monate arbeitslos und habe mich nur mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Erschwerend kam hinzu, dass ich mich in Berlin überhaupt nicht wohl gefühlt habe; die Stadt war mir zu bunt, zu laut und ich hatte kaum Freunde dort“, erzählt er.
In dieser Zeit fand er stärker zum Gebet: „Ich habe die Gottesmutter Maria um Hilfe gerufen, eine Wundertätige Medaille angelegt und regelmäßig die heilige Messe besucht. Bei einer Osterbeichte habe ich gemerkt, wie sehr Christus mir in diesem Sakrament vergibt und mich liebt.“
Im Gespräch mit dem Beichtvater gewann auch der Berufungsgedanke wieder neue Kraft. Dominik Fritsche erinnerte sich, wie er am Krankenbett mit Patienten vor der Operation gebetet hatte. Er hatte den Eindruck, dass gerade seine Schwächen für ein Leben in Gemeinschaft sprachen, seine Unselbstständigkeit etwa oder seine Unpünktlichkeit. Der Priester schlug ihm vor, sich verschiedene Klöster anzuschauen. Von der Abtei Heiligenkreuz riet er ihm dabei dringend ab. Die wüssten nicht wirklich, was sie wollten – ein abgeschiedenes Leben mit Gott oder ein nach außen gerichtetes Leben mit CD-Aufnahmen und der Verantwortung für eine päpstliche Hochschule und Wallfahrtsseelsorge. Die Terminabsprache klappte aber ausschließlich hier schnell und problemlos.
Die Erlebnisse seiner Probezeit in der östereichischen Abtei waren für ihn überwältigend. Am Gedenktag der Schmerzen Mariens hatte er den Eindruck, von Maria zum Kreuz geführt zu werden und dort der Barmherzigkeit des Vaters zu begegnen. Worte aus dem Markusevangelium, die er dort hörte, fielen tief in sein Herz: „Wer um meines Namens willen alles verlässt, wird Hundertfaches erlangen.“ Der Gedanke, dass Gott ihm in der Gemeinschaft des Klosters Heilung und einen Neuanfang ermöglicht, ergriff ihn so sehr, dass er auf die Knie sank.
Bewegend war es auch, das Begräbnis eines alten Paters mitzuerleben. „Diese Feier war so hoffnungsvoll, es hat mich berührt, wie er dankbar den Engeln und Heiligen übergeben wurde“, erinnert sich der junge Mönch, der bei seinem Klostereintritt den Namen dieses Verstorbenen erhielt: Alberich. Viele seiner Hoffnungen haben sich vom Tag seiner Profess an für ihn erfüllt. Dass Heiligenkreuz damals genau 100 Mitbrüder zählte und 100 Häuser besaß, sah er als Ausdruck der Verheißung aus dem Markusevangelium: „Mir wird durch dieses Leben wirklich das Hundertfache geschenkt“.
„Natürlich nervt man sich zuweilen gegenseitig, aber es gab bisher keinen Tag, an dem ich das Kloster wieder verlassen wollte“, beteuert Frater Alberich. Als Musikliebhaber, der schon als Jugendlicher Klarinette spielte und in einem Chor mitsang, genießt er die ausgiebigen täglichen Mönchgesänge. Ihm gefällt seine Arbeit mit Behinderten, mit Kindern und mit Pilgern. Einen 35-Jährigen aus der Neuzeller Behinderteneinrichtung durfte er vor kurzem taufen. Bei der Beerdigung eiens Mitbewohners hatte der junge Mann erfasst, welch großes Geschenk es ist, wenn andere für einen beten. Dass es so schön sein würde, Heiligenkreuz zu verlassen und als „Prophet ins eigene Vaterland“ zurückzukehren, hatte der Mönch gar nicht erwartet. „Wir sind für viele Menschen hier ein Hoffnungszeichen“, erlebt er nun.
Zurzeit gebe es einen Kandidaten, der sich dem jungen Priorat anschließen möchte und ein bis zwei Interessenten. Auch der geplante Klosterneubau und die Priesterweihe in Neuzelle erfülle viele mit Hoffnung auf eine gute Zukunft. „Wenn sich die Gründung gefestigt hat, kann die Weihe in Neuzelle stattfinden“, hatte der Abt zu Beginn seiner Priester-Ausbildung gesagt. Für ihn selbst liegt das größte Geschenk seiner Priesterberufung darin, Menschen ein gutes Sterben ermöglichen zu können. Auch bisher hat er Sterbende begleitet. Sie im Angesichts des Todes nicht allein zu lassen und ihnen Gottes Barmherzigkeit durch die Sakramente erfahrbar zu machen, liegt ihm sehr am Herzen. Dass die Mönche in Neuzelle auf das Erbe einer barocken Josefs-Bruderschaft gestoßen sind, zählt für ihn zu den göttlichen Fügungen, die ihn in dieser speziellen Berufung bestätigen. Schließlich sei Josef auch der Patron der Sterbenden. Die Vorlage für sein Primizbild hat Alberich Maria Fritsche in Mexiko gefunden: Es zeigt den heiligen Josef sterbend in den Armen seines Sohnes.
Auch ohne sprachliche Hürden war die Zeit in dem großen Priesterseminar mit 20 Brüdern für ihn herausfordernd. „Als Einzelkind geriet ich dort ziemlich häufig in Krise“, erzählt der 30-Jährige, „mein Leben glich einer Sinuskurve, doch jedesmal, wenn ich nach Hause wollte, passierte irgend etwas. Meistens war es ein Wort aus der Bibel, das gerade in diesem Moment gelesen wurde und das mir ins Herz fiel, als wäre es in diesem Moment nur für mich gesagt. ,Bleib noch ein bisschen!‘, sagte ich mir daraufhin, und so bin ich bis jetzt geblieben...“ Durch diese Ereignisse und durch die Menschen, die Gott auf seinen Weg stellte, habe er ihn ganz behutsam und liebevoll vorbereitet.
Im Zuge seiner Ausbildung war er zweieinhalb Jahre in Italien in einem großen Zentrum des Neokatechumenalen Wegs. Seine Aufgaben waren dort unter anderem, Gruppen durch das Zentrum zu führen, Messen vorzubereiten, Rasen zu mähen, Toiletten zu putzen und Brot zu backen. Nach einiger Zeit haderte er mit Gott: „Da habe ich so lange studiert, und jetzt putze ich hier die Toiletten – Schönen Dank auch!“ Doch dann erkannte er, dass auch diese Aufgaben ihn in seiner Entwicklung voranbrachten, dass auch dies wohl Gott für ihn vorbereitet hatte.
Nach einigen Monaten auf Reisen mit einem Priester, der in der Schweiz, Deutschand und den Niederlanden Familienkatechesen leitete, kehrte er nach Berlin zurück und sammelte Erfahrungen als Religionslehrer und in der Seelsorge der Pfarrei St. Franziskus Reinickendorf-Nord.
Immer mehr lernte er in all den Jahren, nicht allzu sehr auf sich selbst zu schauen. „Oft habe ich mich gefragt: Warum sollte ausgerechnet ich Priester werden?“, erzählt Grzegorz Bajer, „es gibt doch so viele, die intelligenter, demütiger sind als ich.“ Seinen Blick mehr auf Gott zu richten, sei für ihn hilfreich gewesen. Bei seinen ersten Predigten als Diakon spürte er Dankbarkeit für seinen nicht gerade geradlinigen Berufungsweg. „Daraus wächst Kraft in der Verkündigung. Ich kann authentischer über den Glauben reden, als wenn ich nur weitergäbe, was ich mir aus Bücher angelesen habe. Das spüren auch die Zuhörer.“
Auch seine besondere Liebe zur Schönheit der Liturgie ist den Gottesdienstbesuchern aufgefallen. „Sie strahlen immer so“, hat er oft zu hören bekommen, wenn er in einem Gottesdienst assistiert hatte. „Es ist ein Wunder, wie du dich verändert hast“, haben alten Freunde in Lublin ihm neulich gesagt, die ihn noch als unsicheren, vieles anzweifelnden Jungen vor Augen hatten. Für Grzegor Bajer war das eine Bestätigung: „Gott war wirklich dabei auf meinem Weg!“
Die Priesterweihe im Bistum Dresden-Meißen findet am 30. Mai um 15 Uhr in Dresden statt. Mehr Infos: www.bistum-dresden-meissen.de