Anstoß 32/21

Entscheidungswege

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Ein einzelner Mann, ein 67-Jahre alter Tiefbauunternehmer aus der Region, baggerte während der verheerenden Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen den verstopften Ablauf der Steinbachtalsperre frei.


Es war eine lebensgefährliche Mission. Das THW wollte das Wagnis nicht eingehen. Durch diesen mutigen Einsatz wurde nun mit jeder Stunde das Risiko geringer, dass der Damm brach. Die Presse feierte den Baggerfahrer als Helden, doch der gläubige Christ blieb bescheiden. „Es war keine Heldentat. Jeder andere hätte das auch gemacht. Der Herrgott hat mich an diese Stelle gestellt – und ich habe mich der Sache auch gestellt – und hab meinen Rosenkranz gepackt und mich gesegnet, und dann bin ich da rein gefahren. Ich habe auch keine Sekunde Angst gehabt.“
Was für ein Bekenntnis! Faszinierend, wie jemand begreift, dass Gott ihn an genau diesen Ort gestellt hat, damit er Verantwortung übernimmt. „Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Bächen voll Wasser, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt.“ So klingt die Beschreibung im ersten Psalm der Bibel für einen Menschen, der mit Freude am Auftrag des Herrn lebt. „Selig der Mensch, der nicht nach dem Rat der Frevler geht, nicht auf dem Weg der Sünder steht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern sein Gefallen hat an der Weisung des Herrn ...“ (Ps 1,1-3) Der Psalmist hatte damals eine Wirtschaftselite vor Augen, die Geld scheffelte, internationalen Handel trieb und meistbietend Steuerrechte an die lokale Oberschicht vergab. Der Sklavenhandel blühte, die Bettelarmut wuchs. Wer sich überschuldete, verlor Haus und Hof. Im ersten Psalm wurde frühzeitig vor Anpassung an dieses System und vor Mitläufertum gewarnt. Er war ein Boykottaufruf! Frauen und Männer, die den Psalm beteten, sollten sich diesem Lebensstil verweigern. Mit dem „Weg der Frevler“ wären sie schlecht beraten, der „Weg der Gerechten“ aber zeige eine solidarische Lebensweise auf.

Der Klimawandel stellt die Entscheidungsfrage: Schaffen wir es, unser Verhalten so zu ändern, dass wir die Welt nicht länger zerstören? Beeindruckend bleibt die große Solidarität vieler Menschen. Wobei Not keine Plattform für rechte Propaganda sein darf, nicht für Betrug, Besserwisserei und Querschießen. Im Bewusstsein, von Gott gesendet zu sein, scheinen wir fähiger, uns selbst und die Dinge zum Guten zu bewegen. Genau dessen hat der Baggerführer sich vergewissert, mit dem Griff zum Rosenkranz in der Tasche.
 
Lissy Eichert, Berlin