Fastenserie: Weniger ist mehr - Teil 4

Entspannt ohne Handy

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In der Fastenzeit steht Verzicht ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze. Aber Verzicht muss nicht wehtun, weniger kann auch mehr sein. Etwa in Sachen Smartphone-Nutzung. Teil 4 unserer Fastenserie.

Fotos: istockphoto/zoranm; imago/Miachael Weber
Jeder ist für sich mit dem Smartphone beschäftigt? Probieren Sie in der Fastenzeit doch einmal aus, das Gerät für eine bestimmte Zeit zur Seite zu legen. Fotos: istockphoto/zoranm; imago/Miachael Weber


Mein Verzicht für diese Fastenzeit hört sich einfach an: Von 19 Uhr abends bis zum anderen Morgen um 8 Uhr darf ich mein Smartphone nicht benutzen. In dieser Zeit beantworte ich keine Whatsapp-Nachrichten, ich schaue mir nicht die neuesten Beiträge auf Facebook an und scrolle nicht durch die vielen Fotos bei Instagram. Das Handy hat Pause. Klingt leicht, doch ich gebe zu: Ich war gespannt, ob ich diese Aufgabe schaffen würde.

Seit sieben oder acht Jahren besitze ich ein Smartphone. Seitdem hat sich der Griff zum Gerät immer mehr eingeschlichen. Wenn ich im Bus sitze, lese ich Nachrichten in einer App, im Wartezimmer beim Arzt schaue ich mir die Erlebnisse meiner Freunde auf Facebook an, und abends auf der Couch durchforste ich die Fotosammlung auf meinem Pinterest-Account auf der Suche nach neuen Bastel- oder Nähideen. Oft läuft nebenbei noch der Fernseher. 

Manchmal entsperre ich das Handy ganz automatisch. Ich will nicht gezielt die tagesschau-App öffnen, um mich über das Coronavirus oder die Lage der Flüchtlinge in Griechenland zu informieren. Ich bin nur neugierig, ob ich vielleicht eine neue Nachricht bekommen habe. Der Informatiker Alexander Markowetz kennt dieses Phänomen. „Jedes Mal, wenn wir das Handy benutzen, schüttet unser Körper Dopamin, also Glückshormone, aus“, sagte er in einem Interview mit der Tageszeitung „taz“. Es sei egal, ob es etwas Neues gebe oder nicht. „Allein die Tatsache, dass es was geben könnte, lässt uns das Smartphone in die Hand nehmen.“ Das kenne ich auch von mir. Habe ich eine neue Whatsapp-Nachricht, huscht oft ein kurzes Lächeln über mein Gesicht: Es hat jemand an mich gedacht und mir geschrieben.

Markowetz untersuchte 2016 für eine Studie der Uni Bonn das Verhalten von 60 000 Smartphonenutzern. Das Ergebnis: Im Schnitt greifen wir alle 18 Minuten zu unserem Handy. Zweieinhalb Stunden verplempert ein Erwachsener so durchschnittlich am Tag – davon telefonieren wir nur sieben Minuten. 

Wir lassen uns berieseln und vor allem ablenken

So wie mir geht es also vielen Menschen. Wir sind mit dem Handy im Internet unterwegs, schauen Videos oder vertreiben uns die Zeit mit Spielen. Wir lassen uns von den Inhalten berieseln und vor allem ablenken. Dabei verlieren wir oft das Zeitgefühl: Gerade die sozialen Medien, wie Facebook oder Instagram, sind so aufgebaut, dass sie uns Nutzer dazu verführen, auf der Seite zu bleiben. 

Das wirkt auch bei mir: Erst fällt mir der Artikel der Lokalzeitung zu einem neuen Geschäft in der Innenstadt auf, dann entdecke ich das Video zu einem Kinofilm und schließlich schaue ich mir noch die Fotogalerie der Party vom Wochenende an.

Dass wir ständig auf unsere Handys schauen, führt dazu, dass wir uns immer seltener einer Sache vollkommen widmen. Das passiert auch mir. Ich schaue abends nicht bewusst einen Film. Das mache ich beiläufig – häufig mit dem Smartphone in der Hand oder neben mir auf dem Tisch.

Zu Beginn der Fastenzeit war es ungewohnt, das Handy wegzulegen. Gerade wenn ich mich langweilte oder mein Mann ein Fußballspiel im Fernsehen anschaute, das mich nicht interessierte, fehlte es mir. In den ersten Tagen war es auch ungewohnt, nicht direkt zu schauen, wer mir geschrieben hat, wenn das Handy vibrierte.  

Am Morgen blinken mir jetzt eine Reihe von Symbolen entgegen. Die App auf meinem Handy bittet mich, doch wieder mal eine Runde zu spielen. Die Nachrichten-App hat einen Hinweis auf einen neuen Artikel geschickt, in meinem Postfach liegen drei neue E-Mails und oft habe ich acht bis zehn weitere Beiträge in meinen verschiedenen Whatsapp-Gruppen. Hätte ich all das schon am Abend wissen müssen? Nein, ich habe nichts verpasst. 

Insgesamt bin ich überrascht, wie leicht mir der Verzicht fällt. Und er bringt mir etwas: Ich konzentriere mich bewusster auf eine Sache. Ich lese abends ein Buch oder schaue einen Film, ohne mich ablenken zu lassen. Wenn ich mit meinem Mann den Tag Revue passieren lasse, sind unsere Gespräche intensiver, weil das Brummen eines Handys uns nicht unterbricht. Ich merke, dass ich entspannter bin und schneller zur Ruhe komme, weil ich nicht bis spätabends mit Nebensächlichkeiten konfrontiert werde.

Der Handy-Verzicht fällt auf

Der Informatiker Markowetz rät, dass jeder für sich Tricks und Rituale finden müsse, um das Handy seltener zu nutzen. Ein fester Zeitraum, das Gerät zur Seite zu legen, sei eine gute Möglichkeit, sagt er. Denn komplett auf das Gerät zu verzichten, funktioniert heute nicht mehr. Auch meine Kommunikation läuft fast ausschließlich über mein Smartphone und Dienste wie Whatsapp, egal ob es um den schnellen Austausch von Infos oder eine kurze Nachfrage geht. 

Einigen Freunden ist aber tatsächlich aufgefallen, dass ich auf ihre Vorschläge, Witze oder kurze Erzählungen nicht so schnell wie üblich reagierte, nicht einmal einen lustig-zwinkernden Smiley schicke. Als ich ihnen von meinem Fastenvorsatz erzählte, fanden sie die Idee gut. Und alle stimmten zu: Das Handy kann man getrost mal links liegen lassen.

Kerstin Ostendorf