Erwachsenentaufe

Er will Spuren hinterlassen

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Lange Zeit hat Rene Schnelle nur an das geglaubt, was sich beweisen lässt. Dann fand der Krankenpfleger durch seine Patienten zu Gott. Im Mai will er sich taufen lassen. Für die Zeit danach hat sich der Neukatholik schon einiges vorgenommen.


Im Mai ist es so weit: Rene Schnelle freut sich auf seine Taufe in der St.-Dionysius-Kirche in Belm. Foto: Sandra Röseler

„Wofür will Gott mich bestrafen?“ Mit dieser Frage wird Rene Schnelle in seinem Beruf oft konfrontiert. Seit Jahren kümmert sich der Krankenpfleger um Menschen, die schwer an Krebs erkrankt sind. Viele Patienten begleitet er bis zu ihrem Tod. Er hört ihnen zu und versucht, Antworten zu finden. Meistens auf „die großen Sinnfragen“, wie er sie nennt: nach dem Sinn des Lebens, des Sterbens – und nach Gott. Fragen, auf die er lange Zeit selbst keine Antwort hatte. Deshalb hat sich der 46-Jährige „auf den Weg gemacht“, wie er sagt: Er will sich taufen lassen.

Dass er als Kind nicht getauft wurde, ist nicht ungewöhnlich. Er stammt aus Leipzig in der ehemaligen DDR, wo Religion vom Staat größtenteils unterdrückt worden ist. Religionsunterricht hatte er in der Schule nicht. „Ich bin wissenschaftlich erzogen worden und habe nur an das geglaubt, was ich sehen und beweisen konnte“, erzählt Schnelle. „Mit der Kirche hatte ich als Jugendlicher nichts am Hut.“

Erst, als er Anfang der 90er Jahre nach Osnabrück zog, um dort eine Ausbildung zum Krankenpfleger zu machen, habe sich seine Einstellung zum Glauben geändert. In den Gesprächen mit seinen Patienten stellte er fest, dass die Menschen hier im Gegensatz zu ihm einen ganz starken Bezug zu Gott haben. Und, dass er sehr wenig über Religion weiß. „Das hat mich geärgert“, sagt Schnelle rückblickend, „ich wollte schließlich ein guter Zuhörer sein und meinen Patienten einen Rat geben können.“ Also begann er, sich immer intensiver mit dem christlichen Glauben zu beschäftigen. „Mir hat vorher nie etwas gefehlt – aber durch die Arbeit mit den Patienten ist nach und nach dieser Wunsch, an etwas zu glauben, in mir herangereift.“

Bestärkt wurde Schnelle, der mit seiner Familie in Belm lebt, dabei durch Nachbarn, Freunde und seine Lebensgefährtin, die er einige Jahre nach dem Umzug kennengelernt hat. „Mein ganzes Umfeld war auf einmal katholisch, von daher hatte ich viel mehr Bezugspunkte zur Kirche.“ Immer wieder sei er zu Hochzeiten oder Firmungen eingeladen worden und habe bei den Gottesdienstfeiern gemerkt, was den katholischen Glauben ausmacht: Ein Teil der Gemeinschaft zu sein, das hat ihm besonders gefallen.

„Die Menschlichkeit kommt in unserer Gesellschaft zu kurz“

Dass er ein Teil dieser Gemeinschaft sein will, zeigt Rene Schnelle heute ganz selbstbewusst. Er sich ein großes silbernes Kreuz gekauft, das um seinen Hals hängt – weil er allen zeigen will, dass er glaubt. Das wirkt: Viele Leute sprechen ihn auf seine Kette an, wollen wissen, warum er in Zeiten des Missbrauchsskandals ausgerechnet Katholik werden möchte. „Ich nehme das natürlich mit Sorge wahr“, sagt Schnelle. Bei seiner Taufe geht es ihm aber nicht um die Institution Kirche: „Ich habe über den Glauben zur Kirche gefunden, nicht über die Kirche zum Glauben“, betont er.

Sein Glaube begleitet ihn auch bei seiner Arbeit. Als ambulanter Krankenpfleger ist er viel unterwegs, oft fährt er am Tag mehrere hundert Kilometer mit dem Auto. Seit einiger Zeit nutzt er diese Fahrten, um sich einmal am Tag einen kurzen Moment zu nehmen, in dem er Gott näher kommen möchte. Meistens hält er in der Mittagspause auf dem Weg zum nächsten Patienten irgendwo an, setzt sich in eine Kirche und spricht ein Gebet für seine Kinder. Die Kraft, die er daraus zieht, möchte er auch an seine Patienten weitergeben. Für andere Menschen da zu sein, ist ihm wichtig. „Die Menschlichkeit, die Jesus ausmacht, kommt in unserer Gesellschaft zu kurz“, findet er. „Wir müssen uns wieder klarmachen, wie wichtig es ist, sich gegenseitig Hilfe anzubieten.“

Das hat sich der Krankenpfleger nach seiner Taufe auch für sich selbst vorgenommen: Er kann sich gut vorstellen, sich in seiner Gemeinde ehrenamtlich zu engagieren oder an kirchlichen Auslandsprojekten mitzuwirken. „Ich will etwas Gutes bewegen und Spuren hinterlassen.“ Im Mai wird er sich in der St.-Dionysius-Kirche in Belm taufen lassen. Eines muss der 46-Jährige bis dahin aber noch ein wenig üben: „Mit dem Glaubensbekenntnis tue ich mich noch schwer“, verrät er lachend. „Aber ich will es nicht einfach auswendig herunterleiern, sondern wirklich verstehen, was ich sage.“ Und auch wenn die Worte noch nicht hundertprozentig sitzen: „Mit dem Herzen habe ich es schon begriffen.“

Sandra Röseler