Wieder öffentliche Gottesdienste
Erleichterung mit Abstand
Zum ersten Mal seit rund acht Wochen haben die Gemeinden im Bistum Osnabrück wieder öffentliche Sonntagsgottesdienste gefeiert. Wie geht das, wenn Abstandhalten das Gebot ist?
„Anstehen, um in die Kirche zu kommen – dass ich das noch einmal erleben darf“, witzelt eine Frau, kurz bevor sie die St.-Augustinus-Kirche betritt. Es ist 10.15 Uhr, in einer Viertelstunde beginnt nach zweimonatiger Corona-Pause der erste Sonntagsgottesdienst in Nordhorns katholischer Hauptkirche. Die Frau ist eine von 70 Gläubigen, die an diesem Sonntag die heilige Messe mitfeiern – so viele Besucherinnen und Besucher dürfen sich gemäß der Vorschriften derzeit in dem Gotteshaus aufhalten, das eigentlich 580 Sitzplätze bietet.
Zwei Türen führen ins Kircheninnere: Auf der rechten Seite werden jene Gemeindemitglieder hineingelassen, die sich bereits angemeldet haben. Diese stellen die große Mehrheit. Die linke Tür ist für Besucher ohne Anmeldung bestimmt, deren Kontaktdaten dann vor Ort erfasst werden. Vier Ordnerinnen und Ordner aus Gemeindeausschuss und Pastoralteam sorgen für einen reibungslosen Ablauf, nehmen die Menschen in Empfang und begleiten sie zu einem freien Platz. Die Plätze sind durch kleine Kärtchen an den Kirchenbänken, versehen mit einem Willkommensgruß, markiert. Kurzzeitig bildet sich draußen eine Warteschlange, doch alles geht diszipliniert und unter Einhaltung der gebotenen Abstandsregeln vonstatten.
Kurz vor Beginn der Messe, als das Glockengeläut gerade verstummt ist, tritt Pfarrer Ulrich Högemann ans Mikrofon. „Ich freue mich, Sie heute wiederzusehen“, sagt er an die Gemeinde gerichtet. In seiner Ansprache erklärt der Geistliche, was in diesem Gottesdienst anders laufen wird: dass etwa weniger Lieder gesungen werden als sonst, da vom Singen ein höheres Infektionsrisiko ausgeht; dass der Friedensgruß in Form eines freundlichen Zunickens oder Lächelns geschieht, statt einander die Hände zu reichen; oder dass keine Mundkommunion möglich ist. „Ich freue mich, dass sich so viele einlassen auf diese besondere Zeit. Vielen Dank für Ihr Verständnis“, sagt Högemann.
Der Pfarrer ist während des Gottesdienstes, den er ohne Messdiener leitet, darauf bedacht, den Gläubigen Mut und Hoffnung zuzusprechen. „Unfassbar ist ein Virus, aber noch unfassbarer ist der Glaube an die Auferstehung“, sagt er mit Blick auf das Osterfest, das in diesem Jahr in ungewohnter Form gefeiert wurde, aber – so betont er – nicht ausgefallen ist. Es habe ihn sehr bewegt, wie viel Kreativität die Menschen dabei an den Tag legten. „Wir bleiben, was wir immer waren: Brüder und Schwestern“, so Högemann. Die aktuelle Situation komme ihm wie ein langer Karsamstag vor: „Bleiben wir aber nicht stehen, sondern gehen wir nun in den Schritten, wie es möglich ist, auf Pfingsten zu.“
Besonders lobt der Pfarrer die große Solidarität mit Kranken oder Angehörigen der Risikogruppe, die in praktischen und fürsorglichen Handlungen wie Einkaufsdiensten, Maskennähen oder Postkartenschreiben zum Ausdruck komme. Insofern sei es auch eine gnadenreiche Zeit: „Nutzen wir sie, der Heilige Geist helfe uns.“
Mund-Nasen-Schutz zur Kommunion
Bei der Kommunion trägt Ulrich Högemann einen Mund-Nasen-Schutz. Der dabei eigentlich stattfindende Dialog „,Der Leib Christi.' – ,Amen.'“ wurde vor Beginn der Austeilung gemeinsam gesprochen. Der Gottesdienst endet mit dem beliebten Lied „Maria, Maienkönigin“, und Pfarrer Högemann sichert der Gemeinde abschließend zu: „Es ist alles ein bisschen fremd, ein bisschen anders – aber Jesus bleibt der Gleiche.“
Vor der Kirche kommen die Menschen ins Gespräch und teilen ihre Eindrücke. „Es war sehr ruhig und andächtig, fast eine klösterliche Atmosphäre“, sagt ein Gottesdienstbesucher. Eine junge Frau meint, sie habe mit den Einschränkungen gut leben können. Alles sei gut organisiert gewesen. Ein weiterer junger Besucher äußert gemischte Gefühle, unter anderem wegen des ungewohnten Abstands zueinander. Er sei aber trotzdem froh, dass wieder Gottesdienste gefeiert werden – obwohl er sonst auch nicht jeden Sonntag in die Kirche gegangen sei: „Aber wenn etwas nicht mehr geht, weiß man doch, was einem fehlt.“
Diesen Gedanken vertritt auch Pfarrer Högemann: Nach wie vor lebe man in einer Verzichtphase, aber dies schärfe das Bewusstsein für die Bedeutung der Gottesdienstkultur. Derzeit gebe es bereits Überlegungen, den Ministrantendienst eventuell wieder möglich zu machen. Trotz aller Einschränkungen überwiege aber die Freude, wieder gemeinsam Gottesdienst feiern zu können: „Das sieht man den Gesichtern der Menschen an.“
Unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsvorgaben werden die Gottesdienstbesucher zu den etwas über 30 speziell markierten Plätzen in der St.-Paulus-Kirche Vörden geleitet. Auf jedem der Schildchen steht „Das ist Dein Platz!“ und damit eine klare Anweisung, den Platz und Abstand einzuhalten. Und doch ist es mehr, das mit Geschenkband befestigte Schildchen. Es ist ein Geschenk, wieder in die Kirche gehen zu dürfen und gemeinsam diesen arbeitsfreien Tag zum richtigen Sonntag zu machen. Pfarrer Jan Witte freute sich über den guten Besuch des ersten Hochamtes nach acht Wochen Pause. Er versprach, aufgrund der beschränkten Besucherzahl bei Bedarf auch noch zusätzliche Messen anzubieten.
Einzug ohne Messdiener, Desinfektionsmittel auf dem Altar: Für die Besucher des Gottesdienstes in Lemförde ist schnell klar, dass diese Messe nicht wie früher abläuft. Schon am Eingang werden die Plätze zugeteilt. Das Organisatorische übernahmen Ann-Kristin Lasai vom Ferienfreizeitteam und Kirchenvorstandsmitglied Dirk Schrader. 32 Personen dürfen in der Kirche sitzen. Einige Gläubige müssen vor Beginn der Messe weggeschickt werden.
Pfarrer Marc Weber begrüßt die Anwesenden und ist sichtlich erfreut, dass er die Messe wieder öffentlich mit einem Teil der Gemeinde Zu den heiligen Engeln feiern kann. Vor der Kommunionausteilung weist er darauf hin, dass alle nacheinander in einer Schlange mit gebührendem Abstand nach vorne kommen sollen.
"Dürfen wir als Familie zusammensitzen?"
Auch wenn wegen der Ansteckungsgefahr noch Auflagen gelten, ist Veronika Henke-Thrien froh, dass sie den Gottesdienst mitfeiern kann. Barbara Mentrup gefallen die äußeren Umstände nicht so gut, aber natürlich sei die Messe mit Auflagen besser, als sie nur vor dem Fernseher zu verfolgen. Und Max Sorge freut sich, dass man vor der Kirche noch Gemeindemitglieder sprechen kann – mit Abstand natürlich.
Noch 15 Minuten bis zur 10-Uhr-Messe im Osnabrücker Dom, da sind schon 20 der 90 Plätze besetzt. 54 Gläubige waren es um 8.30 Uhr. Kaplan Roland Kpadonou notiert die Namen und die Adressen der Ankommenden, Matthias Kamphuis vom Pfarrgemeinderat besprüht die Hände mit Desinfektionsmittel. „Moment“, sagt eine Frau, „ich will erst noch Geld verteilen.“ Dann legt sie einem Mann und einer Frau, die vor dem Dom sitzen, ein paar Münzen in einen Becher. „Wir haben uns ja lange nicht gesehen“, sagt sie. Ein junges Mädchen kommt aus dem Dom heraus: „Dürfen wir als Familie zusammensitzen?“ Dürfen sie.
Gemäß der eigenen Richtlinien wird in der Bischofskirche nur wenig gesungen. Der Gesang klingt dünn, kaum jemand hat ein Gotteslob vor sich liegen – und öffentliche Bücher liegen nicht aus. Während des Glorias kommt noch ein später Gast, der sich prompt in die falsche Reihe setzt. Niemand weist ihn zurecht. Warum auch? Abstand ist ohnehin genug da. Am Schluss dankt der Zelebrant für die Rücksichtnahme der Gläubigen und für das Verständnis. Man möge die Kirche zügig durch das Hauptportal verlassen, damit der Raum für den nächsten Gottesdienst vorbereitet werden könne. Und auf die Möglichkeit der Kollekte am Ausgang weist er noch hin. Derweil trägt sich am Eingang schon die erste Frau für die Messe um 11.30 Uhr ein.
Vorabendmesse in der Bremer Propsteikirche St. Johann – auch dort der erste Gottesdienst seit Mitte März. Propst Bernhard Stecker ist aufgeregt. Es fühle sich an, als feiere er die erste Messe seines Lebens, sagt er. Und tatsächlich ist vieles anders als vor dem Lockdown. Neu. Gewöhnungsbedürftig. Zwei Frauen, Ehrenamtliche aus der Gemeinde, stehen an der Eingangstür – mit Atemschutzmaske und Desinfektionsspray. Sie achten darauf, dass sich jeder Gottesdienstbesucher die Hände desinfiziert, und zählen diskret. Maximal 70 Menschen dürfen die Kirche betreten.
Jede zweite Kirchenbank ist mit einer Kordel abgesperrt. Aufgeklebte Punkte weisen darauf hin, wo Einzelpersonen sitzen können, Paare und Familien. Das System ist so ausgeklügelt, dass niemand direkt vor und hinter einer anderen Person sitzt. Die Orgel erklingt, gesungen wird nicht. Aber die Gläubigen sprechen Gebete – auch für diejenigen, die am Coronavirus erkrankt sind. Bevor Propst Stecker die Kommunion verteilt, desinfiziert er sich am Altar die Hände. Sichtbar für alle und so feierlich, als ob dies ganz selbstverständlich zur Zeremonie gehöre.
Zur Kollekte wird kein Körbchen herumgereicht. Die Gottesdienstbesucher spenden später beim Verlassen der Kirche, diesmal für die Johannisoase, in der Obdachlose kostenlos duschen und ihre Wäsche waschen können. Anders ist auch die Form des Friedensgrußes. Die Gläubigen nicken sich zu, mit einer leichten Verbeugung und einem Lächeln. „Das hat mich nach der langen Zeit besonders gestärkt, weil wir uns auf diese Weise alle miteinander verbunden fühlten“, sagt eine Frau nach dem Gottesdienst.
Zusammengetragen von Sebastian Hamel, Bernhard Wessel, Andrea Kolhoff, Matthias Petersen, Kerstin Thompson und Anja Sabel
Haben auch Sie am vergangenen Wochenende wieder eine Messe besucht? Oder verzichten Sie vorläufig noch darauf? Schreiben Sie uns gern Ihre Meinung und von Ihren Erfahrungen! Am besten per E-Mail: redaktion@kirchenbote.de, Stichwort: "Gottesdienste in Zeiten von Corona"