Einfach mal die Welt retten...

Ertrag mit Vernunft

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Mit der Erntezeit verbunden ist traditionell die Dankbarkeit, über ausreichend Nahrung zu verfügen. Doch unser Essen soll auch nachhaltig sein: gut für Gesundheit, Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Besuch auf Hof Mauerschell in der Rhön. Von Evelyn Schwab



Tag für Tag wird tonnenweise Brot weggeworfen im „Backland Deutschland“.


Ökologisch, bäuerlich und regional. So wollen Franzi und Benedikt Reinhardt auf ihrem landwirtschaftlichen Betrieb in Hilders arbeiten. Auf lange Sicht könne allgemein nur so eine ausreichende und dauerhafte Versorgung von Menschen mit gesunden Lebensmitteln garantiert werden. Hof Mauerschell übernahmen sie 2011 von Benedikts Großonkel Hermann Reinhardt, ursprünglich konventionell. „Damit war ich nach einiger Zeit sehr unzufrieden“, erklärt der Landwirtschaftsmeister. Auch seine Frau, gelernte Tierwirtin, meinte schließlich, es müsse zum Umstellungsprozess kommen. Noch steht der Hof am Anfang einer längeren Phase. „Nicht alles können wir sofort und radikal verändern“, heißt die Philosophie. „Aber wir haben den Boden bestellt, und der Samen ist gelegt.“
Wer sich dafür interessiert, wie eine junge Familie der industriellen Landwirtschaft den Rücken kehren will, den lassen die Reinhardts gerne an ihren Erfahrungen teilhaben. Regelmäßig informieren sie über Veränderungen, Neuerungen und Entwicklungen.
Inzwischen ist Hof Mauerschell ein Bio Naturland Betrieb. Beim anstehenden Erntedank- und Hoffest Anfang Oktober werden die Fuldaer Bezirkslandfrauen Gäste einer Führung sein. Im Mai diesen Jahres wurde Franziska Reinhardt zur neuen zweiten Vorsitzenden gewählt.
Ein Teil des Konzepts am Hof ist die Direktvermarktung: „Die Undurchsichtigkeit der Lebensmittelproduktion hat den Wunsch in uns geweckt, transparente, ehrliche und traditionelle Lebensmittel – von unseren Kühen und Hühnern – selber zu produzieren und interessierten Menschen zur Verfügung zu stellen.“ Dabei arbeite Hof Mauerschell mit anderen Landwirten und Produzenten zusammen, die eine ähnliche Philosophie hätten, um Synergieeffekte zu nutzen.
„Wir müssen es anders versuchen!“ Benedikt Reinhardt möchte nicht, dass künftig Raubbau betrieben wird an Boden und Leben: „Das haben wir alles nur geliehen von unseren Kindern. Es muss fruchtbar bleiben.“ Allerdings stehe auch die junge Familie mit Nachwuchs im Alter von elf, sieben und zwei Jahren mittendrin im gängigen Einkaufs- und Konsumverhalten: „Es geht gar nicht, sich immer so zu verhalten, wie man eigentlich sollte.“ Zumindest auf „äußere Dinge“ lege man aber selbst „ganz wenig Wert“. Franzi Reinhardt hält fest: „Bei uns sind zum Beispiel die Tapeten schon 30 Jahre dran, aber deswegen sind wir nicht schlechter als andere.“
Die junge Landfrau Franzi stammt aus Brandenburg und heiratete in eine katholische Familie aus der Rhön ein. Für alles Religiöse im Leben der Kinder Samira, Paul und Otto ist darum der Papa zuständig. Dass sich die große Tochter derzeit sehr für ihren Glauben interessiere, sei in Ordnung. Und natürlich gebe es beim Hoffest eine Erntedank-Andacht der Pfarrei am Bildstock auf dem Anwesen. Die Schöpfung sei die einzige Sache auf der Welt, die Wunder hervorbringe.
Respekt vor der Natur führt auf dem Hof der Familie Reinhardt zum besonderen Umgang mit den Tieren – gut 200 Hühner sowie 70 Kühe und Nachzucht. Das Federvieh darf im Freien leben. Die Hennen legen Eier, die Hähne setzen Fleisch an. Das sogenannte Zweinutzungshuhn kommt ohne Kükentötung und Hochleistung aus. Die Kälberaufzucht ist muttergebunden. Die jungen Tiere bleiben auf dem Hof. Sie werden nicht kurz nach der Geburt von der Kuh getrennt und separat aufgezogen. Der Ackerbau auf Hof Mauerschell erfolgt unter regenerativen Gesichtspunkten. Im Mittelpunkt stehen dabei das Bodenleben und die biologische Vielfalt. Der Betrieb soll so natürlich geführt werden wie möglich.
Fleisch essen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Damit werben die Reinhardts. Der Ab-Hof-Verkauf findet an jedem dritten Samstag im Monat statt. Willkommen seien dann auch alle, die einfach mal dem Vieh im Freien zuschauen wollen. Um Interessierte ein Stück mitzunehmen, werden die sozialen Netzwerke genutzt. Franzi wie Benedikt Reinhardt betonen: „Fleisch muss mehr Wertschätzung erfahren. Vor allem das Lebewesen, das hinter dem Lebensmittel steht.“

 

ZUR SACHE

Hühnerleben ohne Kükentod

Auf dem Hof Mauerschell ist das „Zweinutzungshuhn“ zu Hause: Das ist eine Kreuzung aus alten Rassen und kann sowohl zum Eierlegen als auch zum Schlachten gehalten werden. Als Alternative zur konventionellen Zucht, bei der männliche Küken gleich nach dem Schlüpfen getötet werden, weil sie keine Eier legen und weil Masthähnchen bei hohem Nahrungsbedarf zu langsam wachsen. Statt Hochleistung
streben die Hofbetreiber ein Mehr an Tierwohl und eine sinnvolle Verwertung an.

Von Evelyn Schwab