Ein Jahr Initiative "OutInChurch"
Es gab nicht nur Jubelschreie
Im Januar 2022 bekannten sich 125 Katholiken – viele davon im kirchlichen Dienst – öffentlich als nicht heterosexuell. Die Initiative „OutInChurch“ entstand. Was hat sich seitdem getan? Fragen an Pastor Frank Kribber, Gefängnisseelsorger in Lingen.
Wie hat sich Ihr Leben verändert, seitdem Sie in mehreren Medien über Ihre Homosexualität erzählt haben?
In meinem persönlichen Leben hat sich zunächst einmal wenig verändert, es gehganz normal weiter. Was sich verändert hat: Ich werde immer wieder auf „Out-InChurch“ angesprochen. Für die Region bin ich das Gesicht der Initiative. Aber ich finde es nicht schlimm, schließlich möchte ich ja auch etwas bewirken.
Welche Reaktionen haben Sie bekommen?
Mein persönliches Umfeld hat ausnahmslos positiv reagiert. Die jüngeren Leute verstehen gar nicht, worin das Problem besteht, und von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern erhalte ich die Resonanz „Gott sei Dank, dass sich da endlich etwas tut“. Zum Glück überwiegen diese Reaktionen, aber ich habe auch einige böse Zuschriften erhalten, meist von Menschen, die ich nicht kenne. Da war beispielsweise diese anonyme E-Mail mit den Worten „Homosexualität ist eine abscheuliche Sünde und gehört ausgerottet und vernichtet. Daneben ist sie die Ursache des ganzen Missbrauchsskandals“.
Auch in den sozialen Netzwerken erhalte ich manche ablehnende Position. Ich gehe damit gelassen um, stelle aber eine gesellschaftliche Homophobie fest, die innerhalb von Kirchenkreisen noch ausgeprägter zu sein scheint.
Wie reagieren Ihre Amtskollegen?
Eher zurückhaltend. Von anderen Priestern werde ich selten angesprochen. Ich bemerke, dass das Thema ein unsicheres Terrain ist, das vielleicht eher gemieden wird.
Anfang Januar waren Sie mit einigen Mitgliedern der Bistumsgruppe von „OutInChurch“ zu Besuch bei Bischof Bode. Wie haben Sie das Gespräch mit ihm erlebt?
Der Bischof hat eingeräumt, dass es für ihn schwierig sei, sprachfähig zu sein. Allein die Begrifflichkeiten: lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell/transgender, queer, intersexuell oder asexuell, seien neu für ihn. Zudem hat Bischof Bode betont, dass die Aktion „OutInChurch“ nicht nur für Jubelschreie gesorgt habe. Nicht alle denken, dass es richtig ist, was wir tun. Ich habe empfunden, dass es für ihn ein Balanceakt ist, allen gerecht zu werden.
Was haben Sie als positiv aus dem Treffen mitgenommen?
Das Bistum Osnabrück beschäftigt demnächst eine Mitarbeiterin für queere Pastoral. Es gibt den Arbeitskreis kreuz und queer. Dieser ist aber im Haus Ohrbeck angesiedelt, also nicht direkt beim Seelsorgeamt. Dass die queere Pastoral jetzt unmittelbar dem Seelsorgeamt angehören wird, ist wichtig und richtig.
Wo sehen Sie noch Luft nach oben?
Bislang hatte das Bekenntnis zur Homosexualität und erst recht das Zusammenleben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die Kündigung zur Folge. Dass die kirchliche Grundordnung diesbezüglich geändert worden ist, ist einer der ganz großen Erfolge von „OutInCchurch“. Letztlich bleibt aber Homosexualität eine Sünde, wenn sich die kirchliche Sexualmoral nicht ändert. Der Grundlagentext dazu ist ja bei den deutschen Bischöfen durchgefallen. Das war ein Rückschlag. Solange sich dort nicht grundlegend etwas tut, bleibt die Toleranz gegenüber „OutInChurch“ ein Lippenbekenntnis. Dies betrifft übrigens nicht nur die Menschen, die LGBTQIA+ (Anm. der Red.: Abkürzung für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle/Transgender-, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen) sind, sondern auch heterosexuelle Menschen, die unverheiratet zusammenleben, bewusst keine Kinder haben oder geschieden sind.
Sind das für Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter Gründe, mit der Initiative weiterzumachen?
Richtig. Zumal auch der rechtskonservative Katholizismus lauter wird. Meine Befürchtung ist, dass immer mehr Menschen, die eine wirkliche Erneuerung der Kirche wollen, austreten und dass sich so der Konservatismus verdichtet. Es ist jetzt wichtig, wie die geänderte Grundordnung im Alltag gelebt wird. Wird bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich nicht auf die sexuelle Orientierung geschaut? Ich bin skeptisch, ob es einen wirklichen Sinneswandel geben wird.
Interview: Christiane Adam
Zur Sache
Die Initiative hat mehrere Forderungen aufgestellt, damit sich zum Beispiel homosexuelle Menschen in der Kirche nicht abgelehnt, sondern willkommen fühlen können. Dazu gehört auch die Aufarbeitung der Vergangenheit.
Ein Jahr nach ihrem Start hat die Initiative „OutInChurch“ eine positive Zwischenbilanz gezogen. Die Initiative habe dazu beigetragen, dass sich queere Menschen als selbstverständlicher Teil der Kirche betrachteten und nicht mehr wegdrängen ließen, sagte Mitinitiator Jens Ehebrecht-Zumsande der Katholischen Nachrichten-Agentur (kna). Inzwischen hätten sich dem lockeren Netzwerk 500 bis 600 Personen angeschlossen, so der beim Erzbistum Hamburg angestellte Religionspädagoge. Am 24. Januar 2022 hatten sich in einer veröffentlichten Fernsehdokumentation und einer anschließenden Kampagne rund 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Mitglieder der katholischen Kirche öffentlich als queer geoutet, also etwa als homosexuell oder transgeschlechtlich, und Reformen verlangt.
Mit Blick auf eine von der Initiative aufgestellte Liste mit konkreten Forderungen sagte Ehebrecht-Zumsande: „Wir haben einiges erreicht, aber es bleibt noch viel zu tun.“ Der größte und sichtbarste Erfolg sei die Änderung des Arbeitsrechts der katholischen Kirche in Deutschland. Damit sei aber die „Queerfeindlichkeit in der Kirche“ noch nicht verschwunden. „Unsere Kernforderung, die dem Arbeitsrecht vorausgeht, ist der Abbau dieser Diskriminierung.“ Auch gebe es bislang keine Aufarbeitung der Schuldgeschichte: „Es gibt zahlreiche Menschen, die aufgrund ihres Queerseins ihren Job bei der Kirche verloren haben – auch in der jüngeren Vergangenheit.“
Mit der Gründung eines Vereins wolle sich „OutInChurch“ nun nach einer aktivistischen Anfangsphase dauerhafte Strukturen geben, so der Mitinitiator weiter: „Zudem möchten wir in Zukunft noch stärker Ansprechpartner für Bistümer, Kirchengemeinden und Vereine sein und etwa Workshops und Fachberatung zum Thema Queersein in der Kirche anbieten.“ (kna)