Katholischer Flüchtlingsgipfel
"Es könnte noch viel mehr getan werden"
Der fünfte Katholische Flüchtlingsgipfel der Deutschen Bischofskonferenz findet aufgrund von Corona digital statt. Im Fokus stehen dieses Mal Familien. Die Katholische Nachrichten-Agentur sprach mit Flüchtlingsbischof Stefan Heße über die Auswirkungen von Corona auf die Flüchtlingsarbeit sowie über Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und Enttäuschungen über die deutsche Asylpolitik.
Herr Erzbischof, wie hart hat Corona die Flüchtlingshilfe getroffen?
Wegen Corona ist das gesamte Leben heruntergefahren worden, aber die Menschen auf der Flucht trifft Corona besonders hart. Wir kennen die fürchterliche Lage etwa auf den griechischen Inseln. Deswegen ist es unser Anliegen als Kirche, den Blick auf diese Menschen zu richten, damit sie nicht übersehen werden. Das ist auch durch einige Maßnahmen geschehen.
Welche zum Beispiel?
Es geschah vor und hinter den Kulissen. Wir sind mit vielen Behörden im Gespräch, um immer wieder darauf zu drängen, dass den Flüchtlingen geholfen wird. Viele Stellen haben sich des Themas durchaus angenommen, so unser Eindruck. Die Frage ist natürlich immer, was man derzeit erreichen kann. Mit Corona machen wir eine Grenzerfahrung, darauf konnte sich keiner vorbereiten. Es ist aber beeindruckend zu sehen, wie viele Menschen sich gerade auch in der Corona-Zeit sehr solidarisch mit Flüchtlingen zeigen.
Am 1. Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Welche Erwartungen haben Sie?
Mir ist es ein Anliegen, dass Deutschland einen deutlichen Akzent auf das Schicksal der Flüchtlinge legt. Wir als Kirche setzen uns dafür ein, dass Europa eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik entwickelt und Wege zu einem gerechten und solidarischen Miteinander zwischen den Staaten findet. Es kann nicht nur alles auf den Staaten an den Außengrenzen der EU lasten. Ein Ziel muss sein, sich weiter für sichere Zugangswege nach Europa einzusetzen, gerade für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie unbegleitete Minderjährige und Frauen. Außerdem brauchen wir gute und ausreichend viele Verfahren für die Aufnahme in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Die europapolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, hat die Kirchen aufgerufen, mit einem gemeinsamen Wort zur Asylpolitik anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein Zeichen zu setzen. Was halten Sie von der Idee?
Es ist guter Brauch, dass es ein ökumenisches Wort der Kirchen gibt, wenn Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Und darin spielt das Thema Flucht und Migration eine wichtige Rolle. Die katholische und die evangelische Kirche haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder gemeinsam zu Fragen der Flüchtlingspolitik geäußert; das werden wir auch künftig tun. Aktuell sind wir dabei, ein neues ökumenisches Grundlagenwort zu formulieren, das an das Gemeinsame Wort aus dem Jahr 1997 anknüpft.
Der Katholische Flüchtlingsgipfel der Deutschen Bischofskonferenz findet nun zum fünften Mal statt. Wie ist Ihre Bilanz?
Beim ersten Gipfel 2015 kamen gerade sehr viele Flüchtlinge ins Land. Da gab es eine große Welle der Solidarität, die meines Erachtens immer noch anhält. Wir haben damals Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge formuliert, die bis heute Gültigkeit haben. Ich bin nach wie vor davon beeindruckt, wie schnell und einstimmig die Bischofskonferenz das damals verabschiedet hat. Ganz klar ist: Die Sorge für Flüchtlinge und Migranten ist kein Randthema, sondern gehört zum kirchlichen Selbstverständnis. Schnell war auch klar, dass wir gute Weichen für eine Integration stellen sollten, weil viele Flüchtlinge nicht in ihre Heimat werden zurückkehren können. Natürlich haben wir die Seelsorge in den Blick genommen, aber auch Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus als Herausforderung für die kirchliche Flüchtlingshilfe. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass wir schon vieles geschafft haben und sich vieles gut entwickelt hat. In unserem Land ist Großartiges geleistet worden.
Welche Bretter waren härter zu bohren als erwartet?
Ich würde mir wünschen, dass wir noch mehr Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufnehmen, die ja ein Hotspot der Fluchtrouten sind. Dass Deutschland bislang nur 47 Kinder und Jugendliche von dort aufgenommen hat, ist beschämend für unser Land. Da könnte noch viel mehr getan werden. Immerhin hat die Regierung sich mittlerweile bereiterklärt, 243 weitere Personen einreisen zu lassen. Ich hoffe sehr, dass der politische Wille stärker wird, sich für ein menschenwürdiges Leben auch von Geflüchteten einzusetzen. Dazu gehört auch die Beseitigung von Fluchtursachen. Da braucht es gemeinsame und verbindliche Lösungen. Das Thema Flucht und Migration lässt sich nicht wegdrücken, es wächst eher noch.
Der Katholische Flüchtlingsgipfel richtet dieses Mal seinen Fokus auf Familien. Wo sind da die drängendsten Probleme?
Für uns ist die Familie ein Schlüssel für Integration. Familie stabilisiert die Flüchtlinge, so unsere Erfahrung. Deswegen müssen Familien gestärkt werden. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Familienzusammenführung, die sich bisher noch sehr langwierig und kompliziert gestaltet. Darüber hinaus ist es wichtig, dass gerade die Kinder und Jugendlichen vom ersten Tag in Deutschland an einen Zugang zu Bildung erhalten.
kna