Kirche im Wandel
Es wird weitergehen. Aber wie?
Die Volkskirche wird zum Auslaufmodell. Doch was kommt dann? Es gibt kleine, hoffnungsvolle Aufbrüche, jedoch noch kein klares Zukunftsbild.
Sonntags, in irgendeiner Gemeinde im Land: Die ersten Bänke sind leer, die Kirche ist insgesamt nur spärlich gefüllt, die meisten Teilnehmer der Messe sind grauhaarig. Das Bild steht für einen Trend: Waren 1990 noch mehr als 35 % der Menschen im Land katholisch, lag ihr Anteil 2017 nur noch bei 28 %. Kaum mehr als jeder zehnte der 23 Millionen Katholiken geht sonntags zur Messe. Der Glaube scheint zu verdunsten. Die Volkskirche ist ein Auslaufmodell und die aktuellen Krisen tun ein Übriges.
Als Reaktion werden Pfarreien zusammengelegt, Gottesdienste gestrichen, Kirchen und Gemeindezentren verkleinert oder verkauft. Das tut weh. Denn die Kirche ist für viele geistliche Heimat. Sie hat uns an wichtigen Punkten des Lebens, aber auch im Alltag begleitet, wie sehr sie auch von Skandalen, von Streit in der Weltkirche oder der eigenen Gemeinde sowie von menschlicher Schwäche geprägt war. Und der Rückgang geht weiter. „Wir schrumpfen dramatisch schnell“, sagt Pater Karl Wallner, Direktor von missio Österreich und Mitautor des Buches „Mission Manifest“. Doch der Blick auf die Zahlen ist nur ein Teil der Wahrheit. So weitet sich etwa das Verständnis, wer aktiver Katholik ist. Früher war die Sache klar: Wer dazugehören wollte, ging jeden Sonntag zur Messe. Und wer jeden Sonntag zur Messe ging, gehörte dazu. Dieser Zusammenhang ist weitgehend aufgehoben.
Andreas Unfried, Pfarrer einer Großpfarrei im hessischen Oberursel, ist überzeugt, „dass wir viel mehr Freunde haben, als wir uns normalerweise so träumen lassen als arg geschrumpfte Herde von katholischen Jesus-Anhängern“. Seine Gemeinde versucht, in den Ort, in den Stadtteil zu gehen und zu schauen, was Christen dort tun können: „Wir haben uns in den Sozialraum hineinbewegt, in der Überzeugung, dass wir unseren Gott dort genauso finden wie hinter unseren Kirchenmauern.“
Wer genau hinschaut, findet sie, die Aufbrüche, die Zeichen, dass es auch nach der Volkskirche weitergeht. Kleiner, demütiger vielleicht, auf jeden Fall anders. Ein klares Zukunftsbild hat aber niemand. Viele missionarische Aufbrüche können nur geschehen, weil sie auf Geld und Personal vorhandener Gemeinden und Einrichtungen zurückgreifen können. Nur ab und zu zur Messe zu gehen, funktioniert nur, weil sich jeden Sonntag verlässlich eine Gottesdienstgemeinde versammelt. Was passiert aber, wenn diese Gemeinde ausgestorben ist, die Strukturen sich überlebt haben?
Ulrich Waschki