Auf ein Wort

"Euer Reichtum verfault"

Nach Diskussionen mit ihrem Patenkind hat unsere Autorin ein neu geschärftes Auge für Papstworte: Was heißt, es reich zu sein? Und was ist Armut? Und: Wie viel Besitz ist gut für eine Christin?

Eines meiner Patenkinder,15 Jahre alt, liebäugelt gerade mit dem Kommunismus. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ist ihm ein Gräuel, der Extremismus im Land ist für ihn vor allem eine Folge der Ungerechtigkeit. Seine Eltern und auch seine Patentante führen immer wieder interessante Diskussionen mit ihm. Natürlich bin ich längst nicht in allem seiner Meinung. Aber ich lese manche Papst-, Heiligen- oder Bibelzitate mit neuen, geschärften Augen.

„Eine arme Kirche für die Armen“ wünscht sich Papst Franziskus (Evangelii Gaudium 198). Immer wieder kritisiert er die Gier der Menschen. Der heilige Franziskus, nach dem er sich benannt hat, warf einst seinem Vater den Reichtum vor die Füße und entschied sich für totale Armut. Und in der Bibel stehen viele heftige Sätze über die Reichen. Franz von Assisi beruft sich auf eine Berufungsgeschichte im Matthäusevangelium: „Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel!“ Der Jakobusbrief warnt (wie die alttestamentlichen Propheten) die Reichen eindringlich: „Ihr Reichen, weint und klagt über das Elend, das über euch kommen wird! Euer Reichtum verfault.“

Gerne werden solche Sätze relativiert (auch von Leuten, die die Bibel ansonsten sehr ernst oder wörtlich nehmen). Aber ich will mich von ihnen stören lassen. Wie viel Besitz ist gut für eine Christin? Wie viel kann ich abgeben zugunsten der Armen? Und was heißt all das für meine politische Einstellung? Stoff auch für die Diskussionen mit meinem Patenkind.

Beate Hirt