Zur Europawahl
Europa muss offen bleiben
Am Sonntag ist Europawahl – und dann? Was sollten wir vom neuen EU-Parlament erwarten? Mit welcher Politik können wir in unserer komplizierten Welt bestehen? ZdK-Präsident Thomas Sternberg betont: „Christliche Werte werden für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung sein.“
Leichter, glaubt Thomas Sternberg, wird es nach der Wahl an diesem Wochenende nicht werden. „Europa steht vor großen Belastungsproben“, sagt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Denn im neu gewählten EU-Parlament werden vermutlich mehr europafeindliche Nationalisten sitzen als im alten. Die konstruktiven Kräfte werden kämpfen müssen, um trotzdem eine gute gemeinsame Politik durchzusetzen. Eine Politik, mit der Europa in einer immer komplizierteren Welt besteht und gleichzeitig seiner Verantwortung gerecht wird.
Helfen, sagt Sternberg, könne dabei die Besinnung auf den Glauben. „Christliche Werte werden für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung sein.“ Warum? „Es war immer eine Stärke Europas, Dialoge zu führen, sich zu öffnen und Fremdes zu integrieren. Europäische Staaten sind immer dann besonders erfolgreich gewesen, wenn sie eine solche Offenheit gezeigt haben.“ Die christliche Prägung unseres Kontinents sei nichts, „auf das man pochen und das man wie einen Besitz hüten und bewahren kann“, so Sternberg. Vielmehr müssten wir die christlichen Werte weiterentwickeln und uns „immer wieder neu fragen: Welches Verhalten ist christlich geboten?“
Was aber heißt das konkret? Welche Politik sollten wir Christen vom neuen Europaparlament erwarten? Sternberg sagt, Europa müsse sich stärker in der Friedenspolitik engagieren und mehr Verantwortung dafür übernehmen, dass sich die Wirtschaft in den Ländern der Dritten Welt gut entwickelt, vor allem in Afrika. Europa müsse auch „gemeinschaftlich große weitere Anstrengungen im Klimaschutz zur Bewahrung der Schöpfung unternehmen“. Und Europa müsse sich immer wieder bewusstmachen, dass die Flüchtlingsfrage kein beliebiges Problem ist, das man nur managen muss, sondern eine humanitäre Frage: „Ich hoffe, dass es keinen Europäer jemals kaltlassen wird, dass im Mittelmeer, im zentralen Meer unserer europäischen Geschichte, Menschen auf der Flucht ertrinken.“
„Nationalistische Politik führt in Katastrophen“
Innerhalb Europas bräuchten wir für die Flüchtlinge endlich ein funktionierendes Verteilungssystem, sagt Sternberg. Er sieht zwar, dass es in Ländern wie Polen und Ungarn „eine geradezu pathologische Furcht vor Flüchtlingen aus muslimischen Staaten“ gibt, die kaum zu überwinden sein wird. Er betont aber auch, dass gerade viele junge Menschen in diesen Ländern viel offener und europafreundlicher als ihre Regierung sind. Mit diesen Menschen müsse man einen besonders engen Austausch pflegen, sagt der ZdK-Präsident.
Denn nur gemeinsam, davon ist er überzeugt, haben die Europäer künftig in der Welt eine Chance. „Europas Bedeutung lässt weltweit stark nach“, sagt Sternberg. Mit dieser veränderten Rolle müssten wir nun gut umgehen. Absolut sicher ist für den ZdK-Präsidenten dabei, dass Egoismus in internationalen Beziehungen Gift ist: „Nationalistische Politik führt in Katastrophen.“ Das 20. Jahrhundert hat das bewiesen.
Andreas Lesch