Evangelische Würdigung für Katholikin
Die Katholikin Hilde Lamersdorf aus Wentorf hat am vergangenen Sonntag das Ansgarkreuz der evangelischen Nordkirche aus den Händen von Pröpstin Frauke Eiben überreicht bekommen. Im Anschluss an den Gottesdienst in der dortigen Martin-Luther-Kirche fand ein ökumenisches Gemeindefest statt.
Das Ansgarkreuz ist ein Dankzeichen der Nordkirche für Menschen, die sich in besonderer Weise ehrenamtlich verdient gemacht haben.
„Es ist mir ja fast ein bisschen peinlich“, sagt die 88-jährige, „dass so ein Trubel um mich gemacht wird.“ Sie wurde in Göttingen geboren, ging mit den Eltern nach Hamburg-Bergedorf, kam 1962 mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann nach Wentorf und zog vier Kinder auf. „Die Fähigkeit, von außen auf die Dinge zu gucken, fand ich immer sehr wichtig. Und ich habe mir von der Obrigkeit nie etwas sagen lassen.“
Hilde Lamersdorf studierte Lehramt, arbeitete bis zur Geburt der Kinder als Grundschullehrerin, kümmerte sich um den Haushalt, die Kinder und gab Religions- und Kommunionunterricht. „Vor fünfzig Jahren gab es noch keine katholische Gemeinde in Wentorf“, so Lamersdorf. Erst 1972 sei die Gemeinde von einem Militärpfarrer in der Bose-Bergmann-Kaserne in Reinbek gegründet worden. Gottesdienste wurden da noch in einer Baracke gefeiert. Sie fand heraus, dass es 500 katholische Familien in Wentorf gab und wollte etwas tun. Als erstes organisierte sie eine Feier zum Martinstag. „Das ganze Dorf schien auf den Beinen zu sein und leuchtete von den vielen Laternen“, erinnert sie sich. Der Umzug findet bis heute jedes Jahr statt. So kam eins zum anderen: Lamersdorf verfasste ein Theaterstück zum Martinsfest, doch für die Aufführung war die Baracke viel zu klein. Also fragte sie an, ob sie nicht die Martin-Luther-Kirche nutzen könne. Sie durfte. Auch für viele weitere Aktionen. Das Ergebnis: Seit fast 50 Jahren ist die katholische Gemeinde Wentorf ein fester Gast in der evangelischen Martin-Luther-Kirche.
Großes Angebot an ökumenischen Formaten
Hilde Lamersdorf initiierte eine bunte Palette an ökumenischen Formaten: Besondere Passionsandachten, den Nikolausabend, ein weiteres Martinsspiel, Krippenspiele, die sogar Predigten erübrigten, das regelmäßige Friedensgebet nach Franz von Assisi und schließlich einen 151. Psalm, der lautet: „Wie toll hast du mich gemacht, dass ich schmerzliche Erfahrungen in positive umwandeln kann.“ Gemeindemitglieder beider Konfessionen schrieben dazu Texte auf Grundlage ihrer eigenen Lebenserfahrung.
Doch Hilde Lamersdorf tut noch mehr: Für einen Seiteneingang der Martin-Luther-Kirche stellt sie Ausstellungen zusammen, die thematisch das Kirchenjahr oder ein theologisches Thema vertiefen oder auch bekannte Künstler in neuem Licht zeigen. Auch ein großes Beton-Relief, im Gemeindehaus von Wentorf, ist ökumenisch unter künstlerischer Anleitung entstanden: „Wir arbeiteten zwei Jahre dran. Im Sommer 1994 weihten wir es in dem sehr nüchternen Gottesdienstraum in der Kaserne ein. Diese schloss im September und wir standen buchstäblich auf der Straße“, erzählt die Seniorin. Und weiter: „Ohne dass wir fragen oder bitten mussten, bot uns die evangelische Kirchengemeinde Wentorf ihre Gastfreundschaft an. Das war nur möglich, weil wir längst Freunde waren. Das Relief war unser Gastgeschenk.“
Hilde Lamersdorfs Lebensmotto? „In kindlich unschuldiger Unwissenheit und Liebessehnsucht gehören wir alle zusammen.“
Text u. Foto: Steffi Niemann