Beten mit Kindern
Falsches Beten gibt es nicht
Beten macht stark fürs Leben. Es bietet Ruhe, Trost und Sicherheit. Viele Eltern sind aber unsicher, wie sie mit ihren Kindern zu Gott sprechen sollen. Der Theologe Alfred Biesinger meint: Einfach reden wie immer, „Gott kann man alles sagen“. Je häufiger, desto besser.
Eigentlich ist es ganz einfach – ein kurzer Dank, eine Bitte, ein Segen. Und doch müssen viele Eltern eine große Hemmschwelle überwinden, um mit ihren Kindern zu beten. Dabei kann das Gebet in vielen Situationen helfen. Selbst neuere Erkenntnisse aus der Hirnforschung zeigen, dass gerade in schwierigen, belastenden und dramatischen Momenten eben nicht der Verstand, sondern vielmehr Trost, Vertrauen und Geborgenheit helfen – eben Gottvertrauen. Daraus können Menschen wirkungsvoll Kraft schöpfen, betonen die Hirnforscher. Das Gebet ist eine innere Kraftquelle. Kinder müssen allerdings begleitet werden, um sie für sich zu entdecken.
Warum Beten hilft
Selbst Psychologen raten Eltern, regelmäßig mit ihren Kindern zu beten. „Gebete sind immer auch Zeichen der Liebe zwischen Eltern und Kind“, betonte zum Beispiel der mittlerweile verstorbene Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann und plädierte dafür, Kinder mindestens bis zum zehnten Lebensjahr beim Beten zu begleiten. Diese dichte Gemeinschaft mit den Eltern wird von Kindern oft als besonders intensiv erfahren. Und auch die Eltern profitieren von dieser Zeit: Sie kommen mit dem Kind zur Ruhe und denken nach. Dieses Stillwerden und das konzentrierte Hören nach innen ist heute zu einem seltenen Gut geworden. Die laute Welt der Medien macht es vielen Menschen schwer, zur Ruhe zu kommen. Auch hier kann Beten helfen, dieses Urbedürfnis nach Ruhe und Sammlung zu fördern und das Gespräch mit Gott für sich zu entdecken.
Gemeinsame Zeiten finden – und einhalten
Beten braucht Zeit und Ruhe. Darum bieten sich Gelegenheiten an, bei denen Eltern und Kinder ohnehin zusammen sind. Das ist einfacher, als neue Zeiten einzuführen. So sind das Gebet am Morgen, das Gebet vor dem Essen, der Segen beim Abschied und das Abendgebet auf der Bettkante wichtige Gelegenheiten, zu bitten und zu danken oder das aufzugreifen, was das Kind gerade beschäftigt: Worüber es sich gefreut hat, was es traurig oder wütend macht, wovor es vielleicht Angst hat, was es Schönes erlebt oder was es falsch gemacht hat. Diese Traditionen sollten Eltern unbedingt beibehalten, egal welche Umstände gerade herrschen.
Beten – wie geht das?
Viele Eltern fragen sich, ob sie das mit dem Beten wohl richtig machen, vor allem dann, wenn sie selbst keine regelmäßige Praxis mehr haben. „Das Wichtigste ist, dass ich beim Beten so rede, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Gott kann ich alles erzählen“, betont der Theologe Alfred Biesinger. Falsches Beten gebe es nicht, beruhigt er. Aber je häufiger man bete, umso mehr werde Gott zum Freund, der immer da ist. „Es ist gut, wenn man jemanden hat, der zuhört.“ Frei nach dem Motto: „Was möchtest du Gott erzählen?“ könnten Kinder Gott „um etwas bitten, ihm danken oder sich bei ihm beklagen, zum Beispiel dass es jemandem schlecht geht. Wir können ihm auch sagen, dass wir sauer sind, weil er etwas Schlimmes zugelassen hat“, so der Diakon, Vater und Großvater. Man könne Gott zwar nicht sehen und hören, „aber sehr wohl spüren“.
Vorformuliert oder frei?
Freies Beten hat den Vorteil, dass die Alltagswelt des Kindes mit aufgenommen werden kann. Allerdings erfordert es auch Achtsamkeit, beispielsweise wenn der Opa trotz vieler Gebete nicht wieder gesund wird. Grundsätzlich ist freies Beten aber auf jeden Fall persönlicher und besser geeignet, eine Beziehung zu Gott aufzubauen. Aber auch für Beten mit vorformulierten Worten spricht einiges: Die Gebete sind oft nicht so lang und werden häufig wiederholt, was das Ritual des gemeinsamen Gebetes betont. Allerdings sollten Eltern aufpassen, dass die Verse nicht zu leeren Worthülsen verkommen. Wenn Formulierungen überholt sind, sollte man sich auf die Suche nach neuen passenderen Texten machen. Auch das „Vaterunser“ kann hier mit einbezogen werden. Beten Eltern regelmäßig mit ihren Kindern, können sie ihnen ein wichiges Fundament mitgeben – ob ihre Kinder später darauf aufbauen, bleibt ihnen selbst überlassen.
Mit Jugendlichen beten
Im Alltag vieler Jugendlicher hat das Gebet keinen festen Platz mehr. „Wenn überhaupt werde nur noch still für sich, zu Hause, im Dunkeln gebetet“, erklärt Buchautor Stephan Sigg. Ein gemeinsames Gebet in der Jugendarbeit sei daher eine große Chance. Herkömmliches Beten in der Gruppe werde aber heute oft nicht mehr ernst genommen. Eher könnten persönliche, emotionale und „ungehemmte“ Gebete das Interesse Jugendlicher wecken und sie zum Nachahmen inspirieren. Auf keinen Fall sollten Jugendliche zum Beten gezwungen werden. Als alternative Gebetsformen schlägt Sigg zum Beispiel vor: Gebete schriftlich formulieren, zeichnen, als Graffiti spühen oder auch tanzen. „Mit etwas Kreativität können wir Jugendlichen Zugänge zum Gebet eröffnen und aufzeigen, welche Vielfalt und Freiheit das Gebet besitzt.“
Astrid Fleute