"Theresaliebt" von der evangelischen Pfarrerin Theresa Brückner
Follower und Nachfolge
„Theresaliebt“ – so heißen die digitalen Kanäle, auf denen die evangelische Pfarrerin Theresa Brückner die gute Nachricht unter das Volk bringen will. Gerade jetzt sind ihre Erfahrungen gefragt.
Selten war Theresa Brückner so gefragt wie in den vergangenen Wochen. Schon kurz nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie stand die 33-jährige Pfarrerin unter Quarantäne. Spontan machte sie ein paar Livevideos, stellte Gebete auf Instagram, las ihren Zuschauern aus der Bibel vor, sang Kirchenlieder in die Kamera. Allein ihre Predigt zur Corona-Krise auf YouTube wurde innerhalb weniger Stunden 2200 mal angehört. Über das Internet ist sie mit vielen Menschen verbunden. „Meine Follower können mir Nachrichten schicken und ich antworte ihnen. Damit fühlt man sich in der Isolation nicht so alleine“, sagt die evangelische Theologin.
Pionierin in Sachen digitale Medien
Seit Januar 2019 ist Theresa Brückner Pfarrerin im digitalen Raum des Berliner Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg und damit auch eine Pionierin in der Kirche, die sich oft noch immer schwertut mit den längst nicht mehr neuen Medien. Aber auch sonst will Brückner kaum dem Bild entsprechen, das viele von Geistlichen haben. Vor allem für konservative Christen ist die Frau, die sich im Internet schon mal in der Sonne tanzend oder im Surfanzug am Strand präsentiert, eine echte Herausforderung.
„Ich glaube, dass ich Klischees aufbreche, und die breche ich inzwischen auch sehr bewusst auf“, sagt Brückner im Gespräch mit dieser Zeitung. Erst jüngst hat die Theologin ein Video über Homosexualität und Christentum ins Netz gestellt. Mit den im Netz fast üblichen Anfeindungen geht sie meist gelassen um. Manche Posts ignoriert sie, andere löscht sie. „Das ist ein Lernprozess gewesen“, sagt sie. Nur der gelegentlich unverhohlene Sexismus, der ihr entgegenschlägt, bringt Brückner auf die Palme. Etwa, wenn jemand schreibt, sie verdanke ihren Job nur ihrer Figur, „weil damit meine Kompetenz angezweifelt wird. Das geht gar nicht“, sagt sie.
Doch die Mehrheit der Netz-Gemeinde reagiert wohlwollend auf die Social-Media-Pfarrerin, die wie selbstverständlich dort zu Hause ist, wo die Jugend heute lebt – nämlich online. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich für viele Leute, die noch nie etwas mit Kirche zu tun hatten, so eine Art Erstkontakt bin“, erklärt sie. Oft auch kämen Leute auf sie zu, die sich vor Jahren enttäuscht abgewandt hatten.
In ihren Videos kommt die junge Berlinerin authentisch rüber. In dem Film „Mama und Pfarrerin – wie sich das manchmal anfühlt“ sitzt sie zum Beispiel sichtlich erschöpft vor der Kamera. Ihr dreijähriges Kind krank, nur drei Stunden geschlafen, den Schreibtisch voller Arbeit, eine Konferenz steht bevor. „Bin gerade total am Ende“, sagt sie – und man glaubt ihr das sofort.
So menschlich nahbar zeigen sich Geistliche gewöhnlich selten. Brückner aber machte die Erfahrung, dass, wer sich selbst offen zeigt, auch offener angesprochen wird.
Von Gottesdienstplanung bis zur Beerdigung
In ihren Beiträgen trennt sie Persönliches und Privates, wie sie sagt. Über ihre Familie, ihr Kind spricht sie online nicht. Über ihre Rolle als Mutter und berufstätige Frau dagegen schon. „Die Seelsorge nimmt viel Zeit in Anspruch“, sagt die Theologin. In ihren Vlogs (Video-Blogs) berichtet Brückner gerne aus ihrem Pfarralltag. Über Gottesdienstvorbereitung oder von emotionalen Momenten wie einer Beerdigung. Das Thema Tod und der Umgang damit liegen ihr besonders am Herzen, seitdem sie beide Großväter und eine Tante beim Sterben begleitet hat.
Pfarrerin wollte Brückner schon als Jugendliche werden. „In meiner Jugendgruppe fühlte ich mich angenommen, wie ich bin. Das wollte ich weitergeben.“ Genau mit diesem gesunden Selbstbewusstsein und ihrer unverstellten Sprache bewegt sich Brückner im Netz.
Ihren Kanälen gab sie den Namen „Theresaliebt“. „Damit wollte ich zeigen, was mir wichtig ist“, sagt sie. Zudem sei die Liebe Kernbotschaft des Christentums.
Die evangelische Theologin Sabine Bobert war bereits vor Jahren überzeugt, das Internet werde das Pfarrhaus des 21. Jahrhunderts. Brückner ist da eher zurückhaltend. „Das Digitale wird das Analoge nie komplett ablösen.“ Zudem würden aus virtuellen Kontakten oft reale Begegnungen.
Natürlich lassen sich die Zugriffszahlen von kirchlichen Netzangeboten kaum mit der immensen Reichweite vieler Social-Media-Stars vergleichen. Doch darum geht es Brückner nicht. Sie orientiert sich lieber an der normalen Gemeindearbeit: „Da machen wir auch mal einen Bibelkreis für drei oder vier Leute.“
Weil sie aber über das Internet oft deutlich mehr Menschen erreicht als viele Pfarrer in der Kirche, macht ihr Beispiel inzwischen Schule. Immer häufiger wurde Brückner zuletzt zu Vorträgen eingeladen. Spätestens seit die Pandemie das öffentliche Leben lahmlegte, gucken auch einige katholische Priester auf Brückners Angebote. Manche schreiben ihr und holen sich Tipps für ihr virtuelles Pfarrhaus. Über diese Aufbruchsstimmung freut sich Theresa Brückner. Denn oft fühle sie sich als digitale Pfarrerin „doch noch recht allein“.
Andreas Kaiser