Auf den Spuren der Freiheitsbestrebungen in Prag

Freiheit ist nicht nur ein Wort

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Auf den Spuren der Freiheitsbestrebungen vor 30 Jahren führte der Prager Theologe Petr Křížek Delegierte aus Deutschland zu markanten Orten in Prag. Daneben gab es Vorträge, Diskussionen und einen ökumenischen Gottesdienst.

Stadtführer Petr Křížek weist an der Skulptur, die an den gewaltfreien Widerstand in Herbst 1989 in Prag erinnert, auf die Opfer hin, die die Unfreiheit mit sich gebracht hatte.    Fotos: Raphael Schmidt

 


Auf die Aufführung im Prager Nationaltheater im November 1989 hatte sich Petr Křížek gefreut. Zwei Karten hatte er ergattern können. Die zweite Karte schenkte er – zusammen mit einer Rose – einem jungen Mädchen, das er sehr nett fand. Doch aus der Aufführung wurde nichts. Als die Vorstellung beginnen sollte, stellte sich das Ensemble an den Bühnenrand und teilte mit, dass es ihnen in der Situation, wo auf den Straßen Menschen eingekesselt, niedergeknüppelt und eingesperrt werden, nicht möglich sei, zu spielen und sie sich den Demonstranten anschließen.

Denkmal für die Opfer des Kommunismus. Ein Bronzestreifen, der entlang der Mitte der Gedenkstätte verläuft, zeigt die geschätzte Zahl der Opfer des Kommunismus in der Tschechoslowakei: 205 486 Menschen verhaftet; 170 938 ins Exil gezwungen, 4500 im Gefängnis gestorben, 327 auf der Flucht erschossen, 248 hingerichtet. Eine Bronzetafel in der Nähe hat folgende Inschrift: „Die Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus ist allen Opfern gewidmet – nicht nur denjenigen, die eingesperrt oder hingerichtet wurden, sondern auch denjenigen, deren Leben durch die totalitäre Gewaltherrschaft ruiniert wurde.“

30 Jahre später ist Petr Křížek Stadtführer und zeigt der Gruppe von knapp 50 Teilnehmern einer  Austausch- und Begegnungsreise, die vom 27. bis 29.  September von Dresden nach Prag führte, die Orte, die 1989 nicht die rühmlichste Rolle spielten.
Eingeladen zu dieser Reise  hatten das Katholische und das Evangelische Büro Sachsen sowie die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen unter dem Thema „Das Geschenk der Freiheit wagen“.
 

Friedliche Revolution war ein europäischer Prozess
Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) führte mit seinem Statement „30 Jahre Freiheit“ in das Thema ein. Er unternahm eine Zeitreise, die am 13. Mai 1981 begann, als der türkische Rechtsextremist Mehmet Ali Ağca auf Papst Johannes Paul II. schoss und ihn lebensgefährlich verletzte. Den Bogen spannte er über Danzig und Warschau (Solidarność), Budapest und Wien (Öffnung des Zaunes durch Ungarn) über die Gespräche zwischen Kohl und Gorbatschow zu den Friedensgebeten und friedlichen Demonstrationen in ostdeutschen Städten. Sternberg sagt: „Die Friedliche Revolution war ein europäischer Prozess“
„Wir sind heute zu Ihnen gekommen...“ – diese gute Nachricht, dass die Ausreise der Botschaftsflüchtlinge von der DDR-Regierung gestattet worden war, verkündete der damalige Bundesaußenminister Genscher vom Balkon der Deutschen Botschaft in Prag. Den beschwerlichen Weg bis zu dieser Aussage Genschers zeichnete Rudolf Seiters nach. Von 1989 bis 1991 war er als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes in die Verhandlungen involviert – und eigentlich hätte er diese befreienden Worte sprechen sollen. Seiters blieb auf dem Balkon – und wie er sagt, mit Freundentränen in den Augen – im Hintergrund stehen. Er ließ Genscher diese Worte sagen. Beim Fest der Freiheit in der Prager Botschaft trat Seiters nun endlich an die Brüstung, war umringt von Kamerateams, von Journalisten, Besuchern der Botschaft und erinnerte sich dabei an die Ereignisse in jener Nacht. Es war sein Tag. Dieser 28. September  ist auch der Gedenktag des heiligen Wenzeslaus von Böhmen, Kurzform: Wenzel, tschechischer Name: Václav. Wenzel ritt an seinem Gedenktag auf dem Platz, der nach ihm benannt wurde, an den Besuchern aus Deutschland  vorbei.
Kurz danach zeigte der Stadtführer und promovierte Theologe Křížek, der ein Unternehmen für christliche Reisen in Prag betreibt, den Ort, an dem ein junger Mann – wie es damals hieß – zu Tode geprügelt worden war und an dem die junge Frau die ihr geschenkte Rose auf das Pflaster legte.
Bevor die Stadtführung an der Deutschen Botschaft endete, führte Petr Křížek zum Denkmal für die Opfer des Kommunismus, das sich am Fuße des Petřín-Hügels befindet. Auf einer sich verengenden Treppenanlage stehen hintereinander sieben männliche Bronzefiguren. Die erste Statue ist ganz, jede folgende verliert ein Stück ihres Körpers. Ganz hinten stehen nur noch zwei Beine auf der Treppe. Bildhauer Olbram Zoubek symbolisiert das sich steigernde Leiden der politischen Gefangenen in der kommunistischen Tschechoslowakei.

 

Wenzel von Böhmen reitet an seinem Namenstag über den Wenzelsplatz.

 

Jan Sokol, tschechischer Philosoph, Hochschullehrer und Politiker, einer der Erstunterzeichner der Charta 77, der in der Zeit vor der Wende in verschiedenen Bürgerbewegungen aktiv war, beleuchtete Freiheit vor allem aus philosophischer Sicht: „Freiheit ohne Regeln ist Anarchie“, sagt er und zitiert: „Freiheit erkennt man erst, wenn sie einem fehlt.“ Der Umgang mit Freiheit muss gelernt werden, ist er überzeugt. Sein Rezept lautet: „Liebe und Vergebung sind zwei Herausforderungen – besonders für uns Christen“.
Am Ende des Stadtrundgangs wird Stadtführer Petr Křížek gefragt, was aus der jungen Frau von damals geworden ist. „Seit 26 Jahren ist sie meine Frau“ sagt er.

Von Raphael Schmidt
 

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