Modell Pfarrbeauftragte

"Für uns ist das ein Glücksfall"

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Zehn Pfarrbeauftragte gibt es mitterweile im Bistum. Die Männer und Frauen sind allesamt Laien und leiten anstelle eines Pfarrers die Gemeinden. In Bad Iburg und Glane wurde das Modell ausgewertet – und für sehr gut befunden.


Katharina Reith (l.) und Sandra Töniges präsentieren die Ergebnisse der Evaluation. Foto: Astrid Fleute

Eigentlich müssen es Personen mit übermenschlichen Fähigkeiten sein, diese Pfarrbeauftragten. Das zumindest lassen auf den ersten Blick die hohen Erwartungen vermuten, die Menschen mit dieser neuen Leitungsstelle im Bistum verknüpfen: „Sie sollen Führungsqualitäten besitzen, Verantwortung übernehmen, gleichzeitig empathisch sein und seelsorgliche und soziale Kompetenzen besitzen. Sie sollen über theologisches Fachwissen verfügen und offen sein, zum Beispiel gegenüber Gemeindemitgliedern, deren Anliegen sowie neuen Wegen und Ideen.“ So liest Pastoralassistentin Katharina Reith aus Ergebnissen einer Umfrage vor, die sie jetzt in den Gremien und beim Pastoralteam der Pfarreiengemeinschaft Bad Iburg und Glane gestartet hat. 

Gemeinsam mit vier Ehrenamtlichen hat sie im Rahmen ihrer Ausbildung das neue Leitungsmodell nach Paragraf 517, 2 des Kirchenrechts ausgewertet und evaluiert.  „Wie läuft die Arbeit in der Praxis? Ist das Modell innovativ? Sind alle zufrieden? Und wo gibt es Nachbesserungsbedarf?“ Diesen und vielen anderen Fragen ging das Team nach. 

Und das hochprofessionell: Zunächst sammelten sie Fragen, sortierten sie nach statistischen Gesichtspunkten und stellten so einen bunten Fragebogen zusammen, der von insgesamt 31 Personen aus Gremien und Pastoralteam anonym beantwortet wurde. „Es war mir wichtig, dass die Umfrage fundiert und mit statistischem Grundwissen aufgestellt wird, damit sie gut ausgewertet werden kann und aussagekräftig ist“, betont Reith, die dabei viel Neues gelernt hat. Begleitet wurde sie von Wilfried Prior, Referent für Personalentwicklung in der gleichnamigen Stabsstelle des Bistums. Er betont: „Diese Evaluation ist für uns ein gutes Basiswerkzeug, das wir nun für alle Standorte verwenden werden.“ Jedes neue Leitungsmodell werde vom Bistum professionell ausgewertet. Das Besondere an diesem Projekt ist für ihn der Bezug zur Praxis durch die enge Beteiligung der Menschen vor Ort: „Fragen werden dann anders formuliert“, sagt er. Die Ergebnisse seien für die Stabsstelle eine gute Ergänzung zu eigenen Evaluationen und Auswertungen, „die wir so nicht hinbekommen hätten. Beteiligend arbeitet man besser“, erklärt er voller Lob.

Insgesamt zehn Pfarrbeauftragte gibt es mittlerweile im Bistum. Die Ergebnisse der Umfrage zielten jedoch rein auf die Erfahrungen in Bad Iburg und Glane, erklärt Katharina Reith. Für diesen Standort gelte eindeutig: „Bei uns funktioniert das Modell gut, es wird als sehr positiv und zukunftsweisend wahrgenommen und ist absolut eine neue Perspektive für die Kirche.“ Eine Perspektive, die aber auch Forderungen mit sich zieht. Denn in der Pfarreiengemeinschaft ist mit Christine Hölscher seit zwei Jahren eine Frau an der Spitze.

Sehr präsent und viel Zeit für die Seelsorge

Für Sandra Töniges, stellvertretende Vorsitzende vom Kirchenvorstand Glane und Mitbegleiterin des Projekts, bedeutet das: „Kompetente Leitungspersonen müssen auch geweiht werden. Das schwingt bei uns hier sehr stark mit, denn Christine Hölscher ist auch in der Liturgie sehr präsent.“ Die Juristin hofft, dass das neue Modell auch ein Schritt in Richtung Diakonat und Priesteramt der Frau sein kann. „Für uns ist der Notstandsparagraf auf jeden Fall zum Glücksfall geworden.“ Ob er auch innovativ sei, da der Paragraf nur aus der Not heraus neu ausgelegt worden sei, stellten die Befragten in ihren Antworten indes infrage.  

Trotz allen Lobes – der Paragraf 517,2 ist nicht die Lösung für alle Probleme, stellt Wilfried Prior klar. „In Bad Iburg und Glane funktioniert das Modell sehr gut. Das muss aber nicht überall so sein. Einheitliche Lösungen wird es im Bistum nicht geben.“ Vielmehr stehe das Modell der Pfarrbeauftragten in einer Gesamtentwicklung mit Pastoralen Koordinatoren, Kirche der Beteiligung, Gemeindeteams und einer multiprofessionellen Aufgabenteilung innerhalb der Teams. „Und auch den klassischen Pfarrer gibt es ja noch“, betont er. 

Auch Katharina Reith betont: „Der Erfolg des Modells hängt von den Personen ab, die die Rollen vor Ort füllen. Das Team funktioniert hier. Wir arbeiten alle gut zusammen. Es wird positiv wahrgenommen, dass Kirche sich verändert und weiterentwickelt.“ Sandra Töniges ergänzt: „Christine Hölscher ist unglaublich kompetent, das strahlt in die Gemeinde aus und zeigt: Frauen können das auch.“ Voraussetzung des Erfolges sei aber auch, dass ein Pastor seine neue Rolle in der zweiten Reihe akzeptieren könne. Das funktioniere mit Pastor Clemens Loth und dem moderierenden Priester Bernhard Brinkmann in Bad Iburg und Glane gut. „Sie sind sehr präsent und sehen es positiv, dass sie nun mehr Zeit für die Seelsorge haben“, so Reith. 

Das Modell lässt den neuen Rollen viel Spielraum in ihrer Ausgestaltung. „Das ist Chance und Herausforderung zugleich“, resümiert Katharina Reith und blickt noch einmal auf die hohen Erwartungen, mit denen Pfarrbeauftragte konfrontiert werden. Wilfried Prior erklärt: „Wo etwas Neues entsteht, da sind erstmal hohe Erwartungen da.“ Ihm ist klar, dass man darüber gut ins Gespräch kommen und zügig Unterstützung schaffen muss. Erste Ideen gebe es bereits: So könnten Kita-Träger-Organisationen einen Teil der Arbeit übernehmen oder bestimmte Teilaufgaben der Pfarrbeauftragten an andere Mitglieder des Teams delegiert werden. In Modellen im Bistum werde dies bereits praktiziert, sagt er. Darüber hinaus sollten Gemeindemitglieder mehr in die Gemeindeleitung eingebunden und an ihr beteiligt werden. „Das bietet Entlastung und Vorteile für die Ehrenamtlichen vor Ort.“ 

Katharina Reith und ihr Team von Ehrenamtlichen unterstreichen am Ende ihrer Evaluation die Dringlichkeit dieser Nachbesserungen. Sie betonen: „Eine Herausforderung wird darin bestehen, ob sich für dieses Modell zukünftig genügend Hauptamtliche finden lassen, die eine solche anspruchsvolle Leitungsaufgabe übernehmen möchten.“

Astrid Fleute

Weil es immer weniger Priester gibt, nutzt das Bistum eine Möglichkeit des Kirchenrechts und setzt Laien als Gemeindeleiter ein. In der aktuellen Ausgabe finden Sie ein Gespräch mit zwei von ihnen, Susanne Wübker, Pfarrbeauftragte auf der Insel Langeoog, und Stephan Unland, Pfarrbeauftragter in Bad Rothenfelde, Hilter, Borgloh und Wellendorf.