Wie die Caritas bedürftigen Familien in Armenien hilft
„Für uns ist das wie ein neues Leben“
Foto: Lusine Chakmishyan/Caritas Armenien
Es riecht nach Schimmel. Die Feuchtigkeit im Raum ist auch spürbar. An der Decke leuchtet eine funzelige, weiße Glühbirne – der ganze Stolz von Dzulietta Sahakjan. Sie und ihre siebenköpfige Familie gehören zu den Ersten, die von einem Erneuerbare-Energien-Projekt in der Region Shirak profitieren. Auf dem Dach ihres Hauses wurde eine Photovoltaik-Anlage installiert.
Familie Sahakjan ist seit dem Erdbeben 1988 im Norden Armeniens obdachlos und lebt in einem Dorf in Shirak, der ärmsten Region des Landes. Dort stellt die Regierung Container oder winzige Steinhäuser zur Verfügung – zwei Zimmer, in denen in der Regel drei Generationen zusammen leben.
Bis Januar musste die Familie ohne fließendes Wasser und ohne Strom auskommen. „Strom hätte monatlich 10 bis 15 Euro gekostet“, sagt die 57-jährige Dzulietta. „Das konnten wir uns nicht leisten.“ Ihr Sohn arbeitet in Russland, verdient wenig und kommt voraussichtlich nicht zurück. Ihr Mann und ihre Schwiegertochter hüten in den Bergen unsere beiden Kühe. Milch und Käse versuchen sie zu verkaufen, um das Nötigste zum Leben für sich und die drei Kinder besorgen zu können. Sie selbst ist krank und auf Tabletten angewiesen – teure Medikamente müssen sie selbst bezahlen. „Es bleibt schlicht kein Geld übrig.“ Der Strompreis ist in Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gestiegen. Die Kosten für Energie fressen etwa 20 Prozent des Einkommens auf – und das, obwohl in ihrem Dorf mit der Verbrennung von Kuhdung geheizt wird.
Der Bürgermeister des Dorfes kennt die Schwierigkeiten der Familie. Er wusste von den Plänen der armenischen Caritas, arme Familien durch die Installation von erneuerbaren Energien zu unterstützen, und vermittelte den Kontakt. Ein Projektkoordinator prüfte den Bedarf der Familie. Seit Anfang des Jahres fließt nun Strom durch die Leitungen.
Im Wohnzimmer stehen ein Kühlschrank und eine Waschmaschine – Geschenke von Verwandten. Beide Geräte hängen jedoch nicht am Stromnetz. „Wir haben Angst“, sagt Dzulietta. Ein gewisser Stromverbrauch stehe ihnen über die Photovoltaik-Anlage zu: „Wenn wir zu viel Strom verbrauchen, müssen wir zuzahlen. Wenn wir genügend sparen, bekommen wir vielleicht sogar Geld ausbezahlt.“ Da sie noch keine Erfahrungswerte haben, nutzen sie die elektrischen Geräte so wenig wie möglich. Ihr Fernseher ist ohnehin kaputt.
„Wir haben geschrien: ,Oh Gott, was ist das!‘“
Die Familie schräg gegenüber hat Strom. Der Fernseher läuft. Im Container ist es trocken und warm. An den Wänden hängen Medaillen, auf dem Wohnzimmerschrank stehen Pokale – Sanasar, der 12-jährige Sohn, hat sie im Karate-Training erworben. Er kann nun nach dem Training duschen. „Vorher hatten wir einen Ofen im Freien, auf dem eine Waschschüssel erhitzt wurde“, sagt seine Großmutter Marine Manukjan. „Jetzt können wir duschen und das heiße Wasser zum Beispiel zum Wäschewaschen oder Putzen nutzen.“
Das Duschen ist die größte Freude für die Familie. „Beim ersten Mal haben wir geschrien: ,Oh Gott, was ist das!‘ Wir haben gelacht und alle, die das gehört haben, haben sich gefragt, was passiert ist“, berichtet Narine Manukjan. Obwohl dies nun schon Monate her ist, strahlen insbesondere die Frauen, wenn sie von ihrer ersten heißen Dusche erzählen: „Für uns ist das wie ein neues Leben.“ Insbesondere während der harten Wintermonate der Region Shirak – bei heftigem Schneefall und Temperaturen bis minus 20 Grad – war das Waschen im Freien sehr beschwerlich.
Die Dorfgemeinschaft pflegt einen engen Zusammenhalt. Die Erleichterung durch die Erneuerbare-Energien-Projekte hat sich herumgesprochen. Da nicht jeder einen Zuschlag erhalten hat, gibt Familie Manukjan ihren Nachbarn heißes Wasser ab. Je nach Familiengröße kosten die Projekte pro Haushalt 700 bis 1200 Euro. Fünf Prozent des Geldes müssen die Familien selbst aufbringen. „Wir haben für die Finanzierung auf viel verzichtet“, sagt Marine Manukjan. „Aber es hat sich gelohnt.“
Die Idee, arme Familien zu unterstützen, stammt aus dem Jahr 2020. Die Caritas Armenien wandte sich an Caritas international. Der langjährige Partner unterstützt die Armenier in Fragen der Finanzierung. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung konnte als Förderer gewonnen werden und stellt bis 2024 insgesamt 417 000 Euro zur Verfügung, 143 000 Euro versucht Caritas international durch Spenden einzuwerben.
Haushalte werden zum Thema Wärmedämmung geschult
Das Erneuerbare-Energien-Projekt bietet Hilfe zur Selbsthilfe, um der Armut zu entkommen. Und es ist ein Beitrag für den Klimaschutz. Zum Programm gehören auch Schulungen für die Haushalte und Gemeinden zum Thema Wärmedämmung, die Ausbildung im Bereich Solarinstallation für junge Menschen, um Jobs zu schaffen, sowie die Öffentlichkeitsarbeit, um die CO2-Einsparungen sichtbar zu machen und Familien zu motivieren.
Profitiert haben bisher 1700 Haushalte von dem Projekt. Der Bedarf ist jedoch Schätzungen zufolge doppelt so hoch. Für die Familien ist es ein Hoffnungsschimmer auf ein besseres Leben. Familie Sahakjan träumt davon, immer genug Strom zu haben – ohne Angst, ihn nicht bezahlen zu können.