Gebetsserie: Beten in der Poesie
Gedichte für Gott
Huub Oosterhuis ist ein besonderer Beter. Der niederländische Theologe und Dichter findet Worte, die zu Herzen gehen. Auch wenn sie auf den ersten Blick manchmal sperrig und voll ungewohnter Bilder sind.
Von Susanne Haverkamp
Natürlich kann man Alltagssprache beten, und trotzdem gab es auch immer besondere Gebetssprachen. Wenn etwa orthodoxe Juden im Gottesdienst beten, tun sie das auf Hebräisch, Muslime auf Arabisch, und manche Katholiken finden, dass in der Liturgie Latein die bessere Gebetssprache ist. Dahinter steckt wohl der Gedanke, dass Beten eine besondere Form des Sprechens ist, und die Gebetssprache herausführen soll aus der Banalität des Alltags. Eine besondere Gebetssprache ist auch die der Poesie. So wie bei dem niederländischen Priester und Dichter Huub Oosterhuis. Nicht zufällig sind viele seiner Gebete, oft kongenial übersetzt von Cornelis Kok, vertont worden. Ihre Sprache spricht viele Beter an. Etwa in diesem Lied:
Herr, unser Herr, wie bist du zugegen und wie unsagbar nah bei uns. Allzeit bist du um uns in Sorge, in deiner Liebe birgst du uns.
Im Alltag benutzen wir solche Worte kaum: zugegen, unsagbar, allzeit, birgst. Und trotzdem verstehen wir sie nicht nur, sondern sie gehen uns in ihrer Besonderheit ans Herz, versetzen uns gefühlsmäßig in eine andere Sphäre, in eine religiöse, nicht alltägliche. Andere seiner Texte verwenden seltsame Sprachbilder, die man nicht einfach herunterbeten kann, sondern bedenken muss:
Gott meiner selbst,
Zunge aus Schnee,
Stimme, die mitten
im Wort mir stockt.
Sturm gegen mich,
zärtlicher Wind.
Niemandes Gott,
erst allmählich bekannter
Fremdling.
Du, kein Gott,
wie wir dich denken.
Ofen der Stille,
mühsamer Freund.
Ja, zugegeben, manches klingt etwas seltsam, poetisch eben. Aber doch auch berührend: Gott, der mal Sturm ist und mal zärtlicher Wind, der immer auch fremd ist und niemandem gehört; der uns in der Stille wärmt und uns ein Freund ist, manchmal aber ein mühsamer. Der heute 86-jährige Huub Oosterhuis war Jesuit und Priester, bis er 1970 aus dem Orden austrat, heiratete und in Amsterdam eine ökumenische Studentengemeinde ins Leben rief. Was seine Begeisterung für Liturgie betrifft, blieb er katholischer Ordensmann. Das erkennt man etwa an seiner Vorliebe für das klösterliche Psalmgebet. Seine modernen Umdichtungen laden auch die zum Beten ein, die mit den Psalmen der Einheitsübersetzung wenig anfangen können. Ein Beispiel ist Psalm 62, überschrieben mit: Vetrauen auf Gott.
Sei still, meine Seele, sei bei Gott. Versteif dich nicht, lass ihn, er kommt auf leisen Sohlen und hört.
Ich bin eine wackelige Mauer,
die du leicht umstößt,
ein Mensch, den du im Nu
umbringst.
Sei bei Gott, meine Seele, bei ihm ist Ruhe und Besinnung. Der Fels, der kommt, mit sanften Händen, um zu trösten.
Hastig und eilig ist unsere
Generation. Stäubchen, die nichts wiegen, wirbeln hoch auf, vorbei.
Sei still, sei bei Gott. Nicht vergelten, nicht urteilen wird er, er will hören, er will begreifen. Freundschaft.
Lädt ein solches Gebet nicht ein, Ruhe zu finden bei Gott? Sind das nicht schöne Bilder? Dass wir manchmal wie wackelige Mauern sind, leicht umzustoßen. Dass die Seele sich versteift. Und dass Gott gleichzeitig Fels ist und mit sanften Händen tröstet. Es gibt aber auch Situationen, in denen wir uns verlassen fühlen – auch von Gott. Dafür gibt es Klagepsalmen wie Psalm 142:
Rufen. Schreien ist es.
Wen rufst du, sagen sie.
Schrei nicht so, du.
Gott rufe ich. Gott schreit meine Stimme. Flehen ist es. Klagen, Selbstmitleid, Wut ob der Beleidigungen und Lügen.
Gott rufst du? Aufmerksamkeit willst du? Er lauscht? Antwortet? Bei ihm bist du sicher?
Ein Vater?
Ja, um Aufmerksamkeit
schrei ich.
Und er hört. Das glaube ich.
Das tröstet mich. Ja, Er wird.
Tipp: Huub Oosterhuis. Psalmen. Herder Verlag. 320 Seiten. 28 Euro.