Tagung über geistlichen Missbrauch in der Kirche
Gefährliche Seelenführer ausbremsen
Unter der Überschrift „Gefährliche Seelenführer? Geistiger und geistlicher Missbrauch in der Kirche“ stand eine Fachtagung, die die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen am 12. und 13. November als Video-Konferenz von der Leipziger Propstei aus veranstaltete. Dabei ging es um vielfältige Formen von Beschränkungen der Freiheit gläubiger Männer und Frauen, wie sie immer wieder in Orden und geistlichen Gemeinschaften, aber auch in Kirchengemeinden vorkommt. Nicht selten geht sie auch einher mit sexuellem Missbrauch.
Bischof Heinrich Timmerevers kündigte am Ende der Tagung an, dass die Ergebnisse der Tagung bei der nächsten Vollversammlung der Bischofskonferenz im Februar in Dresden ausgewertet werden. Wichtig sei, gemeinsame Regelungen für alle deutschen Bistümer zu erarbeiten. Auch wenn man sich deutschlandweit noch nicht auf eine Definition geeinigt habe, die eingrenzt, was mit geistlichem Missbrauch gemeint ist, werde man im Bistum Dresden-Meißen umgehend damit beginnen, Konsequenzen aus dem Erkannten zu ziehen.
Zuerst müsse es darum gehen, das Schweigen zu überwinden und das Thema in der Öffentlichkeit bewusst zu machen. Die Tagung, zu der sich über 400 Teilnehmer angemeldet hatten, habe dazu einen wichtigen Beitrag geleistet und das Ausmaß des Problems deutlich gemacht. Es handele sich keinesfalls nur um Verfehlungen Einzelner. Für Betroffene überschatte das Erlebte oft ihr ganzes weiteres Leben, es beeinträchtige ihre Gottesbeziehung und oft auch ihre Gesundheit.
Der Dresdner Bischof plädierte für einen „Perspektivwechsel zur Empathie für die Betroffenen“, statt bei der Aufarbeitung von Missbrauch zuerst auf die Konsequenzen für die Institution Kirche zu schauen. Ähnlich wie beim Thema sexueller Missbrauch würden Menschen, die den Finger in die Wunde des geistlichen Missbrauchs legten, häufig als „Nestbeschmutzer“ diskreditiert.
Ein wichtiges Thema auch in der Ausbildung
Er werde in seinem Bistum eine Arbeitsgruppe einberufen, in der kircheninterne und -externe Experten Kriterien zur Definition geistlichen Missbrauchs erarbeiten. Zudem sollten sie geeignete Maßnahmen zur Prävention und zur Aufarbeitung von geistlichem Missbrauch entwickeln. Dafür gelte es, geeignete Personen zu finden, die mit kirchlichem Leben vertraut, aber unabhängig von kirchlicher Hierarchie seien.
Wichtig ist es Heinrich Timmerevers auch, Ansprechpartner für Betroffene zu benennen und für Ratsuchende, die zwar selbst nicht betroffen sind, die aber mutmaßlichen geistlichen Missbrauch beobachtet haben.
Für alle Schritte, die das Bistum künftig gehen werde, sicherte der Bischof größtmögliche Transparenz zu. So werde die Öffentlichkeit kleinschrittig informiert werden, und nicht erst dann, wenn ein fertiges Konzept zum Umgang mit geistlichen Missbrauch vorliege. Das Thema solle auch in das Aus- und Weiterbildungsangebot für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Kirche einbezogen werden. Auch im Reformdialog „Synodaler Weg“ sollte geistlicher Missbrauch zum Thema werden, schlug er vor.
Es gebe noch viele offene Fragen zu klären, räumte Bischof Timmerevers ein, so zum Beispiel müsse darüber beraten werden, wie man angemessen mit Beschuldigten umgehe. Zu manchen Aspekten hätten andere deutsche Bistümer bereits umfangreichere Erfahrungen gesammelt, auf die er in Dresden zurückgreifen wolle.
Von Dorothee Wanzek