Fachkräftemangel in christlichen Krankenhäusern

Gekommen, um zu bleiben

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Fachkräftemangel betrifft zunehmend auch christliche Krankenhäuser. Die Frage, die manche bewegt: Ist es ethisch vertretbar, Personal aus ärmeren Ländern anzuwerben? Die Berliner Caritas-Krankenhäuser gehen diesen Weg sehr behutsam.

Pflegedirektorin Juliane Bosch (Zweite von links) und Simon Jäger von der Agentur „Re-Alis“ (Zweiter von rechts) vor dem Friendship Monument (Denkmal für die Freundschaft) in Tirana (Hauptstadt von Albanien). Sie werden von Martin Jehle, Justiziar von Caritas Gesundheit Berlin, und einer Mitarbeiterin von „Re-Alis“ begleitet.    Foto: Caritas Gesundheit Berlin gGmbH

Den Krankenhäusern in Deutschland fehlen Fachkräfte. Händeringend suchen sie nach Pflegepersonal, doch nach wie vor bleiben Stellen unbesetzt. Auch die Caritas in Berlin kennt dieses Problem zur Genüge. Trotz jahrelanger Bemühungen, die Zahl der Nachwuchskräfte zu erhöhen, bleiben in den vier Berliner und Brandenburger Kliniken der Trägergesellschaft Caritas Gesundheit Ausbildungsplätze unbesetzt, auch die Abbrecherquote ist mit bis zu 25 Prozent relativ hoch. Teilweise scheitert es an der Verlässlichkeit oder am Durchhaltewillen. Manch einer merkt aber auch, dass ihn der Pflegeberuf doch überfordert, erzählt Geschäftsführer Sven Reisner. Und das wenige Personal ist begehrt: Oft versuchten Krankenhäuser, sich gegenseitig die Pflegekräfte streitig zu machen – ein Hamsterrad, aus dem man herauskommen müsse, sagt Reisner.
Die Lösung hat die Caritas Gesundheit im europäischen Ausland gefunden – konkret im Balkanstaat Albanien. Ein Tipp von Simon Jäger, stellvertretender Pflegedirektor im Diakonissenkrankenhaus Speyer, brachte die Berliner auf die Idee. Jäger hat die Agentur „Re-Alis“ gegründet, die Pflegekräfte aus Albanien ins europäische Ausland vermittelt. Im Oktober vergangenen Jahres reiste Pflegedirektorin Juliane Bosch aus der Caritas-Klinik Dominikus in Berlin-Reinickendorf, die zur Caritas Gesundheit gehört, persönlich in das Balkanland, um 17 Bewerber persönlich auszuwählen.

Rechtzeitig handeln und Perspektiven schenken
Knapp acht Prozent der Pflegestellen in den vier Kliniken der Caritas Gesundheit sind derzeit unbesetzt, berichtet Bosch. Jetzt, zum Ende der Corona-Pandemie, mache sich zudem Erschöpfung breit, viele Beschäftige wollen in Teilzeit wechseln. Auch wenn andere Krankenhäuser noch viel schlechter dastehen – es besteht dennoch Handlungsbedarf. In Albanien arbeitet die Caritas Gesundheit eng mit der Agentur „Re-Alis“ zusammen, die unter den zahlreichen Bewerbern bereits eine Vorauswahl getroffen hat.
Die verbliebenen Kandidaten hat sich Juliane Bosch persönlich angeschaut und nach ihrer persönlichen Eignung ausgewählt. Unter anderem hat sie die Bewerber danach gefragt, warum sie nach Deutschland wollen – wem es ausschließlich ums Geld ging, der kam nicht zum Zuge. Auch die soziale Situation spielte eine Rolle. „Eine Bewerberin wollte ihre neunjährige Tochter bei der Oma lassen. Sie würde ihr Kind aber aufgrund der Umstände nicht nachholen können“, erzählt Juliane Bosch.
Die Sorge, dem immer noch vergleichsweise armen Land Albanien die Fachkräfte wegzunehmen, hat die Caritas Gesundheit hingegen nicht – im Gegenteil. Die Pflegekräfte seien dort oft besser ausgebildet als in Deutschland. Die Ausbildung erfolgt zumeist an Universitäten, viele verfügen über einen Masterabschluss. Dabei bildet Albanien seit Jahren deutlich über dem eigenen Bedarf aus, viele Pflegefachkräfte finden nach ihrer Ausbildung keine Arbeit im Land. Und diejenigen, die das Glück haben, eine Anstellung zu finden, werden meist schlecht bezahlt. „Ihr Durchschnittslohn in Albanien liegt bei rund 280 Euro im Monat. Eine Ein-Zimmer-Wohnung in der Hauptstadt Tirana kostet aber bereits 400 Euro“, berichtet Bosch.
Vor allem viele junge Menschen wollen daher im Ausland arbeiten, sehen in der Heimat keine Perspektive für eine Familiengründung. Die Bewerber seien zumeist zwischen 21 und 24 Jahren alt gewesen, so Bosch. Und viele von ihnen hätten eine klare Karriereperspektive – sie wollen beispielsweise später Medizin studieren oder eine Station leiten. „Die Pflegekräfte dort sind sehr motiviert und kamen exzellent vorbereitet zum Vorstellungsgespräch. Das vermisse ich sonst häufig“, sagt Juliane Bosch.

Pflegedienstleiterin Juliane Bosch und Geschäftsführer Sven Reisner freuen sich auf die neuen Pflegekräfte aus Albanien.    Foto: Oliver Gierens

In diesem Monat wird sie nach Albanien fliegen, um die 17 neuen Kollegen persönlich abzuholen. Zugleich wird sie weitere Vorstellungsgespräche für die nächste Gruppe führen. Wenn die jungen Albaner dann Mitte Oktober ihren Dienst in den Kliniken der Caritas Gesundheit antreten, haben sie bereits im Heimatland eine Sprachausbildung erhalten, auch medizinische und pflegerische Fachbegriffe gehörten dazu.
Für die Unterkunft in der Hauptstadt ist zumindest für die kommenden zwei Jahre gesorgt. Sie werden in einem Schwesternwohnheim auf dem Campus in Reinickendorf sowie in einer Wohngemeinschaft in der Heerstraße unterkommen. An der Caritas-Klinik Maria Heimsuchung in Pankow wird zudem ein neues Wohnheim errichtet, erzählt Geschäftsführer Sven Reisner. Wie es danach im Hinblick auf den sehr angespannten Berliner Wohnungsmarkt weitergeht, werde man dann sehen müssen – vermutlich, so Reisner, werden viele Albaner auch nach den zwei Jahren in den Caritas-eigenen Unterkünften bleiben.

Bürokratie verhindert schnelle Verantwortung
Doch ein Wermutstropfen bleibt: die deutsche Bürokratie. Ganze sieben Monate brauche das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) für die Prüfung, ob jemand als Pflegekraft in Deutschland arbeiten darf. „Die deutschen Behörden sind sehr sorgsam“, meint Geschäftsführer Reisner. „Es ist ein langer Prozess.“ Deshalb werden die 17 neuen Kollegen erst einmal mit einem Mentor auf den Stationen arbeiten. Denn sie dürfen zunächst keine Aufgaben selbstständig übernehmen, erklärt Juliane Bosch.
Die künftigen Vorgesetzten und Kollegen in den vier Berliner Kliniken hoffen daher, dass sich die neuen Kollegen nicht unterfordert fühlen, auch weil sie fachlich gut ausgebildet sind. So gebe es manchmal die Befürchtung, dass einige der jungen Nachwuchskräfte womöglich wieder das Handtuch werfen, weil sie beispielsweise auf Stationen wie der Geriatrie nicht ausgelastet sein könnten.
Allerdings hat Pflegedienstleiterin Bosch nach eigener Aussage schon im Vorfeld versucht, einer möglichen Enttäuschung entgegenzuwirken und die Vorlieben der Bewerber abgefragt. Denn für die Caritas Gesundheit ist klar: Das Projekt ist auf Dauer angelegt, die Albaner sollen kommen, um zu bleiben. Um sich abzusichern, muss sich der Pflegenachwuchs an den Kosten beispielsweise für Reise, Ausbildung und Unterkunft beteiligen. „Das ist ein Commitment (Bekenntnis), dass es beide Seiten ernst meinen“, sagt Geschäftsführer Reisner. Er will zum Beispiel verhindern, dass die gut ausgebildeten Albaner von anderen Kliniken abgeworben werden. Denn der Konkurrenzkampf um den Pflegenachwuchs bleibt unvermindert groß.

Von Oliver Gierens