Pfarreiengemeinschaft Ostercappeln
Gemeinden stehen vor Scherbenhaufen
Wer den Zwischenbericht zur Missbrauchsstudie der Universität Osnabrück aufmerksam liest, kann aus einem der anonymisierten Fallbeispiele den Namen eines Priesters herauslesen. In Ostercappeln und Schwagstorf haben Gemeindemitglieder das getan. Und werden jetzt informiert.
Es gebe schlechte Nachrichten zu verkünden, sagt der für den Einsatz der Priester im Bistum Osnabrück zuständige Personalreferent Thilo Wilhelm, es sei eine betrübliche Situation. Er sitzt im Veranstaltungszentrum Schwagstorf vor einer Reihe von Mitglieder der Gemeinde Mariä Himmelfahrt. Sie haben einen der Fälle des in der vergangenen Woche veröffentlichten Zwischenberichts der Studie zum sexuellen Missbrauch gelesen und trotz Anonymisierung erkannt, dass sich hinter dem Beschuldigten, der „F.H.“ genannt wird, nur der Pensionär verbergen kann, der in ihrer Pfarreiengemeinschaft wirkt.
Thilo Wilhelm schildert kurz den Fall, der im von der Universität Osnabrück veröffentlichten Zwischenbericht ausführlich dargestellt wird. Demnach habe sich 1995 eine Frau beim Bistum gemeldet und den besagten Priester, dessen Namen er in der Versammlung aus rechtlichen Gründen nicht nennt, beschuldigt, über einen längeren Zeitraum sexuell übergriffig geworden zu sein. Dem Priester sei damals lediglich auferlegt worden, sich in Therapie zu begeben. „Damit war die Thematik aus Sicht des Bistums beendet“, so Wilhelm. „Es war nicht richtig, nur die rechtliche Seite zu sehen.“
Erst 2018 habe die Staatsanwaltschaft im Zuge der sogenannten MHG-Studie Ermittlungen aufgenommen, allerdings habe sich nicht genau rekonstruieren lassen, was genau und zu welchem Zeitpunkt geschehen sei. Ein 2021 anberaumtes kirchliches Gerichtsverfahren sei aus dem gleichen Grund „geschlossen“ worden, so der Fachausdruck, könne aber erneut aufgenommen werden, sollten sich neue Beweise ergeben. Wilhelm rief deshalb ausdrücklich dazu auf, dass sich mögliche weitere Betroffene bei den unabhängigen Ansprechpersonen für sexuellen Missbrauch melden sollten.
Gemeindemitglieder konnten der Bistumsverwaltung Fragen stellen
Vor den Gemeindemitgliedern waren bereits die Gremien der Pfarreiengemeinschaft unterrichtet worden. Der Bischof habe den Priester bis auf Weiteres angewiesen, keine öffentlichen Gottesdienste zu feiern oder andere Aufgaben zu übernehmen, so Wilhelm. Das betreffe auch den Bereich der Kirchenmusik.
Die Gemeindemitglieder hatten die Möglichkeit, ihre Fragen dem Personalreferenten und weiteren anwesenden Mitgliedern der Bistumsverwaltung zu stellen. Nicht immer gab es Antworten. Zum Beispiel auf die Frage, warum der Fall Mitte der 1990er Jahre nicht an die Glaubenskongregation nach Rom gemeldet worden sei. Immerhin konnte Thilo Wilhelm erklären, wie das Bistum heute mit einem solchen Vorwurf umgehen würde. Der diözesane Schutzprozess sei 2019 genau dafür ins Leben berufen worden, die Sicht der Betroffenen zu sehen und nicht bei rechtlichen Fragen stehenzubleiben.
Am 29. September (Donnerstag) wird es um 19.30 Uhr in Ostercappeln den gleichen Gesprächsabend geben, am folgenden Samstag und Sonntag wollen Thilo Wilhelm, Generalvikar Ulrich Beckwermert und weitere Mitarbeiter in den Gottesdiensten der Pfarreiengemeinschaft anwesend sein und für Fragen zur Verfügung stehen. Am Mittwoch, 5. Oktober, wird es außerdem eine weitere Gemeindeversammlung geben. „Die Gemeinden stehen vor einem Scherbenhaufen“, sagte Moderator Sebastian Nerlich in der Versammlung, „aber wir wollen sie mit diesem Scherbenhaufen nicht allein lassen.“
pe
Betroffene können sich an die unabhängigen Ansprechpersonen wenden. Infos dazu gibt es hier.