Ausstellung „Bremen und Skandinavien"
Geschichten vom Zauber des Anfangs
Warum musste Ansgar vom Schiff springen? Weshalb wurde der erste isländische Bischof in Bremen geweiht? Und wieso galt Bremen einst als „Rom des Nordens“? All dies beantwortet die sehenswerte Ausstellung „Bremen und Skandinavien“ im Dom-Museum der Hansestadt.
In einer Wikingersiedlung in Birka spielt sich im Jahr 936 eine offenbar grausame Szene ab. Auf einer Waldlichtung wird der tote Erzbischof Unni zerteilt. Sein Körper bekommt ein Grab in der Fremde; wenigstens der Kopf aber soll in Bremen bestattet werden. „Das war eine übliche Prozedur in der damaligen Zeit“, erklärt Historikerin Sonja Kinzler. Unni, der letzte, wenig bekannte Bremer Wanderbischof, reiste in den Norden, missionierte in Dänemark und wagte sich auf Ansgars Spuren erneut ins „heidnische“ Schweden. Dort wurde er krank und starb.
Die Missionare trieben allerdings nicht nur religiöse Motive an. Es ging auch um Machterweiterung für das Frankenreich und für Bremen: Bremen brauchte als Erzbistum untergeordnete Bistümer im Norden. Der dänische König Harald Blauzahn erwies sich da als Verbündeter. Er wollte Alleinherrscher in Dänemark nach dem Vorbild der christlichen Könige werden. Seine Taufe im Jahr 960 sicherte seine Herrschaft nach innen, beugte aber auch einer drohenden Expansion aus dem Süden vor. Harald Blauzahn rühmte sich dafür, die Dänen zu Christen gemacht zu haben. Bereits 948 unterstützte er die Gründung von Bistümern in Aarhus, Schleswig und Ribe, die Bremen unterstanden.
Diese Episode ist Teil einer Ausstellung „Bremen und Skandinavien“ im Dom-Museum der Hansestadt. Sonja Kinzler hat daran mitgearbeitet. Bremen und Skandinavien, sagt sie, verbinde eine lange Geschichte: Schon im Frühmittelalter sei Bremen zur Drehscheibe des kulturellen Austauschs geworden – als Erzbistum mit päpstlichem Missionsauftrag für den Norden. Damals wusste man kaum etwas über den rauen Norden, und Skandinavien begann langsam, sich dem christlichen Europa anzunähern.
Die kleine Ausstellung erzählt Geschichten über den Zauber dieses Anfangs – von Bischöfen, Königen, Päpsten, Gelehrten, Händlern, Mönchen und Kriegern. Sonja Kinzler gefällt besonders gut, dass die Geschichten auch aus skandinavischer Sicht dargestellt werden – „und dass wir archäologische Quellen aus dem Frühmittelalter mit eigens angefertigten Illustrationen von Schlüsselszenen kombinieren können“. Eine solche Schlüsselszene ist beispielsweise Ansgars Sprung über Bord eines Wikingerschiffes im Jahr 829.
Wikinger bewunderten Machtfülle christlicher Könige
Kaiser Ludwig der Fromme, der seinen Einfluss im Norden ausweiten wollte, schickte den Mönch Ansgar als Missionar auf Reisen. Vor der schwedischen Ostseeküste überfielen Wikinger das Handelsschiff, auf dem Ansgar mitreiste. Mit einem Sprung ins Wasser rettete er sein Leben, verlor aber die Geschenke, mit denen er die Beziehung zum schwedischen König festigen sollte.
Die skandinavischen Herrscher interessierten sich für die Kultur des Südens. Sie bewunderten die große Machtfülle der christlichen Könige in England oder im Frankenreich. Ansgar war offiziell eingeladen worden. „Mit dem Christentum rannte man bei den Wikingerhäuptlingen offene Türen ein“, sagt Historikerin Kinzler. „Man erkannte auch: Wer getauft ist, ist noch einmal auf eine andere Art zu Treue verpflichtet.“
Und wie ging es für Ansgar weiter? Gut! Er kam heil an Land, durfte in Birka predigen, taufen und eine Kirche bauen. Später wurde er sogar Erzbischof von Bremen-Hamburg und berühmt als „Apostel des Nordens“.
In die Blütezeit der Skandinavien-Mission fiel die Weihe Ísleifs zum ersten isländischen Bischof. 1053 war der Status Bremens als Erzbistum gesichert, es war nun zuständig für alle Bistümer bis zum Eismeer. Der berühmte Chronist Adam von Bremen nannte seine Stadt daher sogar „Rom des Nordens“. Ein Schlüsselereignis war der Besuch des zukünftigen isländischen Bischofs Ísleif Gissurarsson, der vom Bremer Bischof Adalbert 1054 geweiht wurde. „Ob das wirklich in Bremen passiert ist, wissen wir nicht. Sicher ist nur, dass der Dom gerade Baustelle war“, erklärt Sonja Kinzler. Islands Weg zum Christentum war besonders: Um eine Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden, nahmen die Isländer im Jahr 999 in einer Abstimmung gemeinsam das Christentum an.
Rom (das echte), 1103: Der Papst weiht den Dänen Asker zum Erzbischof von Lund – und der Bremer Würdenträger schaut traurig zu. Diese Illustration dokumentiert schließlich das Ende des Bremer Traums vom „Rom des Nordens“. Das Christentum etablierte sich in Skandinavien, und die jungen nordischen Bistümer strebten nach Unabhängigkeit. Adalbert hingegen wollte Bremen zum „Patriarchat des Nordens“ ernennen lassen. So hätte er zwar dem Papst unterstanden, aber seine kirchenpolitische Vormachtstellung über Skandinavien behalten. Dieser ehrgeizige Plan scheiterte. Bremen verlor mit Gründung des Erzbistums Lund – damals dänisch, nicht schwedisch – fast alle seine Bistümer.
Anja Sabel
Isländischer Bischof besucht Bremen
Die Ausstellung „Bremen und Skandinavien“ ist bis zum 30. September im Bremer Dom-Museum und in den beiden Domkrypten zu sehen. Sie erzählt vom Aufbau wirtschaftlicher, diplomatischer und kirchlicher Beziehungen mit den Ländern des Nordens. Für Kaufleute, Könige und Bischöfe verbanden sich dabei Glaubensfragen und Machtinteressen.
Zur Ausstellung gibt es begleitende Vorträge und ein Kulturprogramm rund um Island. Infos dazu unter www.denkmalpflege.bremen.de
Anlässlich der Ausstellung kommt der Bischof von Reykjavik, David Tencer, nach Bremen. Er besucht auch die Propsteikirche St. Johann und predigt im Gottesdienst am 4. August um 18 Uhr.