„Gewöhnen wir uns nicht daran!“
Erzbischof Stefan Heße hat beim Pontifikalamt für die vier Lübecker Märtyrer in der Propsteikirche Herz Jesu dafür geworben, Krieg nicht als Normalzustand zu akzeptieren und „inbrünstig für den Frieden“ zu beten.
Wenn der Gottesdienst für die Lübecker Märtyrer mit dem Verklingen des Geläuts beginnt, dann ist es so still in der Kirche, dass man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören könnte. Der Erzbischof, einige Messdiener, ehemalige Lübecker Kapläne und evangelische Geistliche versammeln sich mit den Sprechern des Martyrologiums in der Krypta unter der Kirche zum stillen Gebet, und auch oben im Kirchenschiff wird jedes Hüsteln unterdrückt. Um 18 Uhr, um 18.03 Uhr, um 18.06 Uhr und um 18.09 Uhr waren die drei katholischen Kapläne Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange sowie der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink am 10. November 1943 im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis hingerichtet worden. Die lange Stille, das Verlesen des Martyrologiums – es sind die Momente der tiefsten Verbundenheit mit den vier Geistlichen, zu deren Ehren der Gottesdienst gefeiert wird.
Diesmal waren wieder deutlich mehr Menschen gekommen als in den vergangenen beiden Jahren. Erzbischof Heße berichtete in seiner Predigt von seiner Ukraine-Reise im Sommer. Da habe er „am eigenen Leib erfahren, was das bedeutet, wenn du nachts im Bett liegst und dann die Sirenen losgehen.“ Der gastgebende Bischof habe ihn zu beruhigen versucht, doch er sei nicht wieder zur Ruhe gekommen. „Die Menschen in der Ukraine haben mir gesagt: Bitte, bitte vergesst uns nicht! Und meine Bitte an sie lautet: Gewöhnen wir uns nicht daran! Der Krieg dauert schon lange, er dauert viel zu lange“, so Heße. Es gebe ein Abstumpfen gegenüber dem Krieg in der Ukraine, aber auch gegenüber anderen Konflikten in der Welt.
Weiter sagte er: „Wenn man von Helden des Krieges sprechen kann, dann such ich die nicht auf dem Schlachtfeld, sondern dort, wo das Leid gemindert wird, wo geholfen wird, wo Menschen einander beistehen.“ Es sei richtig, auf Gott zu vertrauen: „Beten wir inbrünstig für den Frieden“, so der Erzbischof.
Vor Beginn des Gottesdienstes hatte der ökumenische Arbeitskreis 10. November zur Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer der NS-Diktatur eingeladen. Der frühere CDU-Politiker und Landesjustizminister von Schleswig-Holstein, Heiko Hoffmann, hielt dabei die Ansprache.
VON MARCO HEINEN