16. Abt von Niederaltaich

Godehard ist in lebendiger Erinnerung

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Der 16. Abt von Niederaltaich und spätere Bischof von Hildesheim wird in seiner Heimat noch heute besonders verehrt. Kirchenführerin Helene Gehwolf weiß bestens Bescheid über Gotthard, im Norden bekannt als Godehard. Sie sagt: „Einen wie ihn hätte unsere Kirche auch heute nötig.“


Barocke Bilderpracht: Der heilige Godehard inmitten
himmlischer Heerscharen.

Eigentlich ist es ja ein Routineprogramm, das Helene Gehwolf an diesem Nachmittag abspult. Aber ihre Aufregung ist trotzdem nicht zu übersehen. Gäste aus Hildesheim, die unterwegs sind auf den Spuren des heiligen Godehard – oder Gotthard, wie er hier im Kloster Niederaltaich bei Deggendorf bekannt ist – hat sie nicht jeden Tag. Stundenlang könnte sie erzählen von diesem großen Heiligen, sagt sie. Auch nach 1000 Jahren ist der 16. Abt von Niederaltaich und spätere Hildesheimer Bischof hier an der Donau in Erinnerung, wird verehrt und ist fast allgegenwärtig.

Wir stehen vor einer großen Glasvitrine, die von einem Tuch als Lichtschutz abgedeckt ist. Weit ausgebreitet liegt da­rin die Kasel des heiligen Godehard, das Obergewand war ein Geschenk der Kaisern von Konstantinopel. Vor einigen Jahren wurde der Stoff für eine wichtige Byzanzausstellung restauriert. Zwar sind die Farben im Lauf von Jahrhunderten fast völlig ausgeblichen, trotzdem ahnen wir, dass es sich da vor uns um etwas ganz Besonderes handelt. „Die Form der Glockenkasel weist auf die Verbindung zwischen der Ost- und Westkirche hin, für die das Kloster Niederaltaich ja traditionell steht“, erzählt uns Helene Gehwolf, die sich als Lehrerin schon immer für Heimatgeschichte interessiert hat und jetzt im Ruhestand fast täglich Gäste durch die Abteikirche führt.
 


Ein wertvolles Stück: die Kasel Godehards, ein Geschenk der Kaiserin von Konstantinopel.

Auch in den Wand- und Deckenmalereien ist Godehard zu entdecken, ein Fresko bildet ihn in vollem Bischofsornat in der Ewigkeit des himmlischen Lebens ab, zwei andere Darstellungen zeigen ihn mit glühenden Kohlen und greifen eine Legende auf: Demnach hat er als kleiner Ministrant die Kohle für das Weihrauchfass vergessen, er holte sie aus dem Ofen der Klosterküche und trug sie in seinem Gewand in die Kirche, ohne dass es irgendwelchen Schaden nahm. Hinter den verschlossenen Türen der Kloster-Schatzkammer werden noch zwei weitere Reliquien Godehards aufbewahrt: eine Sandale aus inzwischen sehr brüchigem Ziegenleder und ein winziger Knochen, eingefasst in eine prunkvolle Monstranz.  „Aber was mich besonders bewegt, ist eine ganz andere Erinnerung an unseren großen Heiligen“, sagt Helene Gehwolf: „Seit der Wiederbegründung des Klosters halten die Äbte eine Nachbildung seines Abtstabes in der Hand. Das ist für mich ein ganz besonderes Zeichen der Verbundenheit mit ihm.“
 


Kirchenführerin Helene Gehwolf in
ihrem Element. Fast täglich führt sie
Gäste durch die Abteikirche.

Auch im Ort selbst stoßen Gäste immer wieder auf den Namen Gotthard, eine Straße ist nach im benannt, ebenso das Gymnasium, das aus dem 1723 gegründeten Seminar hervorgegangen ist. Im nahen Hengersberg erinnert eine Statue daran, dass Gotthard als Abt konsequent durchgreifen konnte; denn als er für seine Abtei die Rückbesinnung auf die strengen Regeln des heiligen Benedikt forderte, setzte er die Mönche, die sich nicht daran halten wollten, kurzerhand vor die Tür und schickte sie zwar nicht in die Wüste , wollte sie aber zumindest nicht  mehr unmittelbar um sich haben.

„Hätte ich doch  nur ein bisschen mehr Zeit mit euch“, bedauert Helene Gehwolf. Am liebsten würde sie mit uns nämlich noch nach Reichersdorf fahren. Dort, nur ein paar Kilometer entfernt, gibt es den Godelhof, nach der Überlieferung der Geburtsort Gotthards. Versteht sich doch von selbst, dass in Reichersdorff ganz besonders an das Kind des Dorfes erinnert wird. Erst vor sechs Jahren war eine Abordnung – natürlich mit Helene Gehwolf – auf Spuren Gotthards in Hildesheim. „Ein ganz besonderes Erlebnis“, erinnert sie sich.

„Trotz seiner Kontakte zu den großen seiner Zeit blieb Gotthard bodenständig, immer war er den Menschen verbunden, spürte ihre Sorgen und Nöte. Er merkte genau, was damals in der Kirche schief gelaufen ist und folgte den Reformen, die damals von Lothringen und Burgund ausgegangen sind. So einer wäre auch heute für unsere Kirche wichtig.“

Stefan Branahl