Israel: Patronatsfest in kleinem Rahmen
Gott das Herz ausschütten im Schatten des Krieges
Foto: kna/Andrea Krogmann
Deir Rafat. Eigentlich ist das Patronatsfest „Unserer Lieben Frau von Palästina“ am letzten Sonntag im Oktober ein Höhepunkt im Festkalender der lateinischen Katholiken im Heiligen Land. Mit Bussen reisen sie dann zu Tausenden aus allen Landesteilen nach Deir Rafat, das Marienheiligtum in der Hügellandschaft der Schefela, zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Diesmal jedoch fiel das Wallfahrtsfest auf Tag 23 des Kriegs zwischen der radikalislamischen Hamas und Israel. Die angespannte Lage, die Trauer und die Angst machten auch vor der Feier keinen Halt. Als Zeichen der Hoffnung und des Vertrauens erneuerte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, die Weihe des Landes und der Kirche an die Jungfrau Maria.
„Dies ist definitiv einer der schwierigsten Momente in der jüngeren Geschichte“, sagte Pizzaballa in seiner Predigt. „In diesem Moment, in dem uns alles überwältigt, müssen wir Gott und der Jungfrau alles anvertrauen, was wir in unserem Herzen haben.“
Eigentlich wird das Marienfest auf dem großen Klosterplatz gefeiert. Wegen der kriegsbedingten Einschränkungen des Heimatfrontkommandos geht das diesmal jedoch nicht. Mehr als 30 Personen dürfen sich derzeit nicht zusammen im Freien aufhalten, denn noch immer fliegen täglich Raketen. Vor allem Ordensleute der verschiedensten Gemeinschaften sind der Einladung des Patriarchats in die kleine Klosterkirche gefolgt, genauso wie im Land lebende ausländische Katholiken und eine Handvoll arabischer Christen. Insgesamt sind es weniger als die 300 Personen, die in Gebäuden derzeit erlaubt sind.
„Wir haben Angst und auch wieder keine“
„Die Leute lieben dieses Fest, aber jetzt haben sie Angst“, sagt Saba Jassar. Die Christin aus der Jerusalemer Altstadt hat in ihren Kreisen für die Teilnahme geworben. Als Christ, sagt sie, dürfe man keine Angst haben, „denn wir haben unseren Glauben und Jesus ist mit uns“. Jetzt dokumentiert sie das Fest mit ihrem Handy.
„Wir haben Angst und auch wieder keine“, sagt Elias Rofa, der ebenfalls aus der Altstadt nach Deir Rafat gekommen ist. Als Christ wisse er Gott an seiner Seite und warte auf Gottes Willen. In Deir Rafat beten Elias und seine Frau Amal für Frieden, „hier und überall auf der Welt, denn Frieden ist das wichtigste heute“. Amal ist Arabisch und bedeutet Hoffnung. Auch dafür sind sie heute hier.
Für die Prozession begeben sie sich schließlich doch ins Freie. Die blumengeschmückte Staue der Gottesmutter auf den Schultern von sechs jungen Männern ziehen sie einmal um das Kloster und beten für den Frieden. „Das ist das Beste, was wir im Moment tun können“, sagt die Ordensfrau Gabriela Zinkl. Ihr Borromäerinnen-Konvent ist geschlossen aus Jerusalem angereist. Zu sehen, dass so viele Ordensleute hier sind, tue ihr gut in dieser Lage, so Zinkl.
Andersartigkeit des anderen annehmen
In Deir Rafat hatte Pizzaballa auch kurz vor seiner Kardinalserhebung im Sommer mit der katholischen Jugend einen ungewöhnlichen Schritt gewagt. Erstmals hatte er arabischsprachige und hebräischsprachige katholische Jugendliche verschiedener katholischer Kirchen zusammengebracht, um „in Liebe, nicht Hass“ die Andersartigkeit des anderen anzunehmen und so zum Segen zu werden. Das Heilige Land sei „das Herz des Problems des ganzen Nahen Ostens“, hatte er damals gesagt. Eine Aussage, die sich einmal mehr bewahrheitete.
Es seien üblicherweise die Mütter, denen es gelingt, die ganze Familie zu versammeln, begrüßte Pizzaballa die Versammelten. Hier ist es die Gottesmutter, die „in einem Moment der Finsternis“ Licht schenken möge. Die biblischen Lesungen sprechen von Rettung und Erlösung, „etwas, das wir alle wünschen“, so der Patriarch. „Wir wollen aus dieser spezifischen Situation gerettet werden, wollen, dass sie so schnell wie möglich aufhört.“ Als Christ habe man die Erlösung durch Christus bereits berührt, und als geretteter Mensch könne man weiterhin an Hoffnung glauben. „Das Wort Vertrauen ist kein leeres Wort.“
Das Vertrauen habe jedoch durch die Gräueltaten des 7. Oktober gelitten. Jüdische Israelis begegneten arabischen Mitbürgern nun mit großem Misstrauen, sagt der Patriarchalvikar für Israel, Bischof Rafic Nahra. „Der Krieg hat sich wie eine Barriere zwischen die Menschen gebracht. Das Vertrauen wieder aufzubauen, ist eine große Herausforderung.“ Noch seien sie nicht an diesem Punkt, „noch herrscht Krieg“. Dann aber, so Nahra, müsse die Kirche sich auf ihre Mission und ihr Zeugnis besinnen. „Jeder Mensch ist Bild Gottes, ohne Kategorisierungen und ohne die Gerechtigkeit zu vergessen. Das wollen wir leben und unsere kleine Rolle akzeptieren, offen für alle zu sein.“