KSG Halle besuchte Auschwitz und Krakau
Gott war auch in Auschwitz
Wo war Gott in Auschwitz? Mitglieder der Katholischen Studentengemeinde Halle waren vor Ort auf der Suche nach Antworten. Foto: Thomas Lazar |
Wo war Gott in Auschwitz? Diese Frage trugen viele der 20 Studenten im Gepäck, die sich Ende September auf den Weg zu den Gedenkstätten „Stammlager“ und „Birkenau“ gemacht haben und auch auf jüdischen Spuren in Krakau unterwegs waren. Sie sollten eine Antwort finden.
Nach dem ersten Besuch des Stammlagers aber waren die meisten zunächst irritiert. So hatten sie sich den Schreckens- ort „Auschwitz“ nicht vorgestellt: feste Backsteinhäuser, Sonnenschein, viel Grün. Man hätte beinahe an eine idyllische Reihenhaussiedlung denken können. Doch wurde dieser erste Eindruck schnell widerlegt: Bis zu tausend Menschen mussten in so einer Unterkunft hausen mit acht Toiletten und ebenso vielen Duschen. Dann waren da die Berge von Koffern, Schuhen, Geschirr, was den Menschen bei ihrer Ankunft weggenommen wurde, die abgeschnittenen Haare, die leeren Zyankalidosen.
In Bildern gefasst hat dieses Grauen der Pole Marian Kolodziej. Nach seiner Zeit im Lager, er kam mit einem der ersten Transporte, hat er 50 Jahre geschwiegen, lehnte offenbar jede Auseinandersetzung mit diesen Erlebnissen ab, drängte sie immer wieder zurück ins Dunkel. Dann aber, nach einem Schlaganfall begann Kolodziej zu zeichnen. Mit einem Mal brach alles aus ihm heraus. Bilder des Schreckens, zu besichtigen im „Labyrinth des Marian Kolodziej“ im Keller der Franziskanerkirche von Harmeze nahe Oswiecim. Kolodziej selbst sagte darüber: „Das ist weder eine Ausstellung noch Kunst. Das sind keine Bilder. Das sind Schreie, eingeschlossen in Zeichnungen … Es ist eine Würdigung all derer, die in der Asche verschwunden sind.“
Unübersehbare Todesmaschinerie
Nach dem Besuch von Stammlager und Labyrinth stand am folgenden Tag eine vier Stunden dauernde Führung durch das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im Programm. Hier kamen Gedanken an eine Reihenhaussiedlung nicht mehr auf. Hier war die Todesmaschinerie offensichtlich. Erschütternd die Momente an den zerstörten Krematorien, an den Resten der Auskleideräume und Gaskammern. Die SS konnte nicht mehr alles zerstören, was bis heute ihren Rassenwahn mit allen seinen unfassbaren Folgen dokumentiert.
Ein Gespräch mit Zdzislawa Wlodarczyk (88), die als Kind mit zwölf Jahren Ende 1944 nach Auschwitz kam und ein Gespräch mit dem deutschen Pfarrer in Oswiecim, Manfred Deselaers, erweiterten die Eindrücke des Vormittags und fingen sie zugleich auf. So ging allen sehr nahe, dass sie noch einen Menschen erleben durften, der dieses Böse erfahren musste. Am Ende stand Zdzislawa Wlodarczyks Auftrag an die Studenten, sich an dem vielen Guten und Schönen zu erfreuen, das sie erfahren, und zufrieden und dankbar zu sein und daraus für sich und andere Gutes zu schaffen.
Pfarrer Deselaers erzählte am Abend von seinem Werdegang und wie es dazu kam, dass er nun schon seit 30 Jahren in Oswiecim lebt und arbeitet. Er berichtet von seiner Doktorarbeit über den Lagerkommandanten Rudolf Höß. Darin beschreibt er, wie aus dem Katholiken der Lagerkommandant des Vernichtungslagers wurde, und er geht der Frage nach der Verantwortung vor Gott und den Menschen auf den Grund, unter anderem darauf hin, Polen, Juden, Deutsche, … Gott war auch in Auschwitz: in der Würde jedes Menschen, in Gesten des Guten.
Wo war Gott in Auschwitz? Die Gesprächspartner und Erfahrungen in Auschwitz gaben den Studenten verschiedene Antworten. Aber alle sind sich einig: Gott war auch in Auschwitz.
Gottes Gegenwart in kleinen Gesten
Zdzislawa Wlodarczyk sah ihn in all denen, die ihr und anderen dort auf ganz verschiedene Weise geholfen haben. In denen, die ihr weniges Brot teilten; in denen, die von ihrer Kleidung abgaben, obwohl sie selbst fast nichts hatten. In denen, die mit den Kindern auch mitten im Grauen lernten und so die Hoffnung auf ein anderes Leben schenkten.
Marian Kolodziej erfuhr die Gegenwart Gottes gleichfalls in vielen kleine Gesten seiner Mithäftlinge, die ihn mehrfach davon abbrachten, sich in den elektrischen Zaun zu werfen. Vor allem aber begegnete er Gott in Pater Maximilian Kolbe. Der ging freiwillig für einen jungen Familienvater in den Hungerbunker, wo er nach zwei Wochen mit einer Giftspritze getötet wurde.
Und Manfred Deselaers bekräftigt: „Gott war auch in Auschwitz: in der Würde jedes Menschen, in Gesten des Guten.“
Bilder, Reisebericht und Zeitzeugengespräch unter ksg-halle.de/start/aktuell/polen
Von Thomas Lazar