Anstoß 50/21

Heilige Familie

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„Herzlich willkommen in Deutschland!“ Die Richterin am Verwaltungsgericht freute sich aufrichtig. Sie konnte dem 35-jährigen Familienvater aus Afghanistan den Aufenthaltstitel bestätigen.


Aftab war vor den Taliban geflohen. Bis zu diesem Urteil hatte der Lehrer nicht nur die Härte der Flucht überstanden, sondern auch die Härte deutscher Asylantragstellung zu spüren bekommen. Mit Hilfe des Kirchenasyls wurde er vor Abschiebung geschützt. Der Glückwunsch der Richterin bedeutete, dass Aftab nun seine Frau und die drei Jahre alte Tochter nach Berlin holen konnte.
„Einige Tage später: Großer Bahnhof am Flughafen. Die Familie fällt sich in die Arme. In Sicherheit. Weihnachten kann kommen.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser! So hätte ich Ihnen das Happy End gern erzählt! Seit jenem Tag im Gericht sind zwei Jahre vergangen und der Vater lebt in ständiger Angst um seine Familie. Sie konnte in all der Zeit nicht nach Deutschland einreisen. Woran liegt das? Nicht nur ich bekomme den Eindruck, die deutschen Behörden haben kein Interesse an der Familienzusammenführung. Nach der erneuten Machtübernahme der Taliban dachten Aftab und wir, jetzt ist alles verloren. Wir beteten. Wochen später kam die Nachricht: Mutter und Tochter gelang es, sich nach Pakistan zu retten!
Doch wir warten weiter. Die Behörden liefern sich ein seltsames Spiel und es ist nicht zu durchschauen, ob die Deutsche Botschaft, erst in Kabul, jetzt in Islamabad, das Auswärtige Amt oder das Landesamt für Einwanderung in Berlin die Einreise nach Deutschland verschleppt. Dabei ist ihr Recht auf Einreise offiziell bestätigt! Wird hier Recht gebrochen, weil kein Interesse besteht? Ich habe eine bittere Ahnung… Sie sind nicht erwünscht. Nicht bei uns. Kein Platz. Wie einst die Heilige Familie. Aber die war wenigstens als Familie in der Fremde zusammen!

Aftab erfährt vielfältige Hilfe zur Familienzusammenführung. Telefonate und Briefe der Anwältin, Begleitung durch die Caritas, den Jesuitenflüchtlingsdienst, das Gebet in der Gemeinde, die finanzielle Unterstützung durch Weggefährten… Betont nicht gerade unsere Kirche die Familie und den Wert der Familienzusammenführung? Bald ist Weihnachten und das bedeutet, Wunder geschehen. Heilige Familie – vereint. Wir glauben, beten und handeln dafür.
 
Lissy Eichert, Berlin