Die Brotvermehrung im Evangelium
Hilfe für Hungrige
Ein Wunder der Brotvermehrung, das könnten die Menschen im Südsudan gut brauchen. Der Hunger ist so groß, dass Misereor als Nothilfe Getreide verteilen muss. Doch, wie es im Evangelium heißt: „Was ist das für so viele?“
Von Kerstin Ostendorf
Viel haben die Menschen nicht mitgenommen, als sie am See Gennesaret Jesus und den Jüngern folgten. Sie hatten von den Zeichen und Taten gehört und wollten sich nun selbst überzeugen: Wer ist dieser Jesus? Was wird als Nächstes geschehen? Das Evangelium an diesem Sonntag erzählt, wie sich die Menge am See sammelt – und die Jünger sich sorgen: „Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll.“
Eine ähnliche Frage beschäftigte in den vergangenen zwei Jahren auch das katholische Hilfswerk Misereor. Eigentlich hat es sich auf langfristige Hilfsprojekte spezialisiert: Hilfe zur Selbsthilfe lautet die Losung. Doch die Lage im Bistum Malakal im Norden des Südsudan war so dramatisch, dass Misereor Nothilfe leisten musste: Zehntausende Menschen hungerten in der Region. Wie kann man sie mit Brot versorgen?
Seit der Unabhängigkeit 2011 ist der Südsudan im Kriegszustand. Regierungstreue Gruppen kämpfen gegen Oppositionelle, immer wieder spalten sich Milizen und Banden ab, die das politische Chaos nutzen und ihre eigenen Ziele verfolgen. Trotz des Friedensabkommens, das seit gut zwei Jahren gilt, ist die Lage weiterhin angespannt. „Die Situation dort ist unübersichtlich. Immer wieder kommt es zu Kämpfen und Überfällen“, sagt Katharina Götte, Misereor-Länderreferentin für den Südsudan und Kenia. Die Kämpfe haben auch die Infrastruktur rund um die Stadt Malakal zerstört, viele Straßen und Handelswege sind nicht passierbar. Menschen wurden aus ihren Dörfern vertrieben und flohen in Flüchtlingslager. Sie konnten ihre Felder nicht mehr bestellen.
Der Klimawandel mit unberechenbaren Regenfällen und Dürreperioden und die Corona-Pandemie verschärften die Krise noch. Heftige Überschwemmungen zerstörten die Ernten. „In der Pandemie waren die Grenzen teilweise geschlossen. Die Preise für Lebensmittel und andere Materialien stiegen. Die Menschen können sich vieles nicht mehr leisten“, sagt Götte. Nach dem jüngsten Friedensabkommen 2018 und einer Regierungsbildung 2020 kehrten viele der Vertriebenen aus den Flüchtlingslagern zurück – und standen vor dem Nichts.
„Ihr Land liegt brach, ihre Häuser sind zerstört. Die Menschen haben oft nicht einmal mehr Werkzeuge oder Geräte, um die Äcker zu bestellen oder zu fischen“, sagt Götte. „Sie haben alles verloren.“ Die einzig verbliebene Konstante vor Ort ist die katholische Kirche. „Die Menschen vertrauen der Kirche und wenden sich um Hilfe an die Diözese. Sie ist immer da und die erste Ansprechpartnerin in der Not.“
In dieser Situation half Misereor und unterstützte das Bistum dabei, Nahrungsmittel zu kaufen: Hirse und Sorghum, eine spezielle Hirseart, die zu den Hauptnahrungsmitteln im Südsudan gehört. In drei Projekten konnten so jeweils 9000 Menschen versorgt werden. „Die Lebensmittelrationen verschafften den Menschen Zeit. So gewinnen sie vier oder fünf Wochen, um sich langsam wieder selbst versorgen zu können“, sagt Götte.
Denn Misereor half nicht nur mit Nahrung; fünf Brote und zwei Fische, um im biblischen Bild zu bleiben, reichen eben nicht auf Dauer. Deshalb finanzierte das Hilfswerk den Kauf kleinerer landwirtschaftlicher Geräte und Fischernetze.
Malakal liegt direkt am Weißen Nil, viele Menschen dort leben vom Fischfang. Außerdem wurden Decken, Moskitonetze und Kochtöpfe angeschafft, damit die Menschen ihre Häuser wieder ausstatten konnten. „Zu guter Letzt haben wir noch ein Frachtboot für die Diözese finanziert, damit auch entlegene Dörfer am Nilufer erreicht werden können“, erklärt Götte. Vor allem Ältere und Familien, in denen Menschen mit Behinderung leben, wurden unterstützt. Für Misereor seien die Projekte in Malakal eine Besonderheit gewesen: „Wir haben Nothilfe geleistet, zugleich aber versucht, den Menschen wieder eine Perspektive zu geben und sie zu unterstützen, wieder eigenständig für ihren Lebensunterhalt zu sorgen“, sagt Götte.
Die Kirche hilft, wo immer möglich
Nach wie vor steht das Hilfswerk im Austausch mit der Diözese in Malakal. Es sei jetzt wichtig, die kirchlichen Strukturen neu aufzubauen, sagt Götte. So könne sich das Bistum in Notsituationen zunächst selbst helfen und sei nicht sofort auf ausländische Hilfe angewiesen. Denn oft übernehmen die Diözesen und die
Caritas vor Ort die Nothilfe bei Katastrophen. Sie leisten Entwicklungshilfe, sorgen für Krankenstationen sowie Bildungseinrichtungen und arbeiten zusammen mit den Bewohnern die Kriegserlebnisse und Verletzungen auf.
„Schaut man sich die Gesamtsituation des Landes an, ist unsere Hilfe in den vergangenen beiden Jahren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber für die Region rund um Malakal war das enorm wichtig“, sagt sie. Die Menschen hätten wieder eine Perspektive für ihr Leben. „Sie haben neue Hoffnung geschöpft, dass ein gutes und friedliches Zusammenleben möglich sein kann.“
Und damit sind wir wieder beim Evangelium. Was mit fünf Broten und zwei Fischen begann, reicht dann aus, wenn jeder gibt, was er hat, wenn alle mitarbeiten an einer guten und friedlichen Zukunft.