Hilfe für Zwei- und Vierbeiner
Zum ersten Mal fand jetzt ein „Wohlfühlmorgen“ für Obdachlose und Arme in Neumünster statt. Ein Angebot dabei: ein kostenloser Tierarztbesuch.
VON MARCO HEINEN
Es dauert nicht lange, da laufen bei Jana schon die Tränen. Die junge Frau mit den Piercings im Gesicht ist auf Hartz IV angewiesen, das seit Januar Bürgergeld heißt. Damit kommt sie nicht mehr nur bis zum 15ten, sondern bis zum 20ten eines Monats durch, sagt sie verbittert. „Mehr ist natürlich überhaupt nicht mehr drin“, klagt Jana und schimpft auf die Regierung. Sie versorgt von ihrem Bürgergeld nicht nur sich selbst, sondern noch zwei Hunde und drei ehemals streunende Katzen, die bei ihr ein Zuhause gefunden haben.
Tierarztbesuche kann Jana sich nicht leisten. Dabei sorgt sie sich so sehr um Katerchen, wie das Tier in ihrer Katzenbox heißt. Das Tier hat viele gelbe Stellen im Fell und ist ziemlich apathisch. Als Jana das erzählt, brechen sich ihre Tränen Bahn. Auch eine ihre anderen beiden Katzen ist nicht gut drauf und bei einem Hund müssen dringend die Krallen geschnitten werden. „Ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll.“
Jana gehört zu den Gästen des ersten Neumünsteraner Wohlfühlmorgens. Das Format für Obdachlose und andere sozial schwache Menschen, das in normalen Zeiten in Hamburg zweimal jährlich stattfindet, aber auch schon ein paar Mal in Kiel angeboten wurde, fand am Samstag erstmals in Neumünster statt.
Caritas, Malteser Hilfsdienst, das Neumünsteraner Café Jerusalem und die Klaus-Groth-Schule sind die Veranstalter. Die Ehrenamtlichen von Caritas und Maltesern, rund 40 Schüler, einige Lehrer, Friseure und ihre Auszubildenden sowie Ärzte geben ihren Samstag her, um sich für Menschen zu engagieren. „Durch den Carisatt-Laden haben wir festgestellt, dass die Bedarfe so groß geworden sind, dass wir gar nicht dagegen ankommen“, sagt Monika Bagger-Wulf, Projektleiterin für die Quartiersarbeit bei der Caritas Neumünster.
Auch beim von Ehrenamtlichen und Spendern getragenen Café Jerusalem, bei dem täglich bis zu 60 Menschen nicht nur eine Mahlzeit bekommen, sondern sich duschen können oder medizinische Angebote in Anspruch nehmen, war man sofort bereit, sich bei der Initiative von Caritas und Klaus-Groth-Schule mit zu engagieren. „Die Not ist groß in Neumünster. Wir haben immer mehr arme Leute“, sagt Siamak Aminmansour vom Café Jerusalem.
Vierbeiner helfen auch gegen die Einsamkeit
Haustiere sind für viele dieser Menschen ein Rettungsanker. Es sind gute Kumpel für Einsame, wo das Vertrauen in Menschen fehlt oder das Leben vielleicht den Partner genommen hat. So wie bei der Seniorin mit der Pudelmütze. Es dauert keine zwei Minuten, da spricht sie nicht mehr von Benji, ihrem 14 Jahre alten Dackel-Terrier-Mix, sondern von ihrem Mann, der vor 23 Jahren infolge eines Schlaganfalls starb. „Auf einmal hatte ich einen Sarg in meiner Stube. Das krieg ich nicht mehr aus meinem Kopf raus“, erzählt die 65-Jährige.
Dr. med. vet. Karolin Sülzle, Tierärztin aus Nortorf, ist mit ihrem Team beim Wohlfühlmorgen für die Vierbeiner zuständig. „Benji hat viel zu lange Krallen gehabt und die Wolfskralle war eingewachsen, deswegen war das ein bisschen entzündet“, erläutert Sülzle. Benji, sonst ein Schoßhund erster Niedlichkeit, fand das mit dem Nägelkürzen nicht so toll. Ohne Maulkorb geht so etwas auch bei kleinen Hunden nicht.
„Ich helfe gerne Menschen – und Tieren sowieso. Man bricht sich keinen Zacken aus der Krone, wenn man sich hier samstags hinstellt und einfach hilft“, sagt die Tierärztin, die stolz auf ihr Team ist, das sie dabei unterstützt. In dem Zelt stehen außerdem Tüten, prallvoll mit Spenden für Hundeund Katzenbesitzer. Wie sieht es sonst mit Benji aus? „Das Herz ist tipptopp, der kann auch 18 oder 19 werden“, meint Sülzle.
Janas Katze kann nicht richtig untersucht werden. Wenn der Katzentransportbehälter geöffnet würde, dann wäre das Tier kaum zu halten. Vielleicht hat es nur eine Zahnentzündung, vielleicht aber auch Nierenversagen, denn der Kater riecht aus dem Maul und frisst nicht. Karolin Sülzle gibt Jana Medikamente mit. Aber es sieht nicht so gut aus für Katerchen. Vielleicht zieht er sich langsam zurück, um zu sterben. Jana ahnt das schon. „Ich habe noch mehr, ich weiß überhaupt nicht, was ich machen soll“, sagt sie unter Tränen. Dann rennt sie mit Katerchen los. Sie will noch schnell einen ihrer beiden Hunde holen, um Nägel schneiden zu lassen. Nägelschneiden ist seit der letzten Gebührenordnungsänderung der Tierärzte echt teuer geworden. Jana wäre froh, sich diese Ausgabe sparen zu können.