Christ und Naturwissenschaftler über das Fest Christi Himmelfahrt
Himmelfahrt zum Mars
In Oberammergau sollte Rochus Rückel den Jesus spielen. Jetzt konzentriert er sich wieder auf sein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik. Was sagt er als Christ und Naturwissenschaftler zum Fest Christi Himmelfahrt?
Herr Rückel, hätte die Corona-Krise nicht alles verändert, würden Sie jetzt als Jesus auf der Bühne stehen. Schmerzt es, bis 2022 warten zu müssen?
Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Plötzlich am Abend frei zu haben und nicht mehr beim Proben zu sein, war komisch. Mir wurde bewusst, die ganzen Vorbereitungen, der ganze soziale Kontakt, die gelernte Rolle und die Passion sind vorerst auf Eis gelegt. Das schmerzt sehr! Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. 2022 wird die Passion hoffentlich stattfinden, und ich bin voller Vorfreude!
Wie nah war Ihnen die Rolle schon gekommen?
Eine solche Rolle geht einem prinzipiell sehr nahe. Aber ich würde nicht behaupten, dass ich bereits Jesus-Züge angenommen hätte. Das wäre eine Anmaßung. Was er sagt, ist schwierig zu verstehen, auch wenn man sich intensiv damit auseinandersetzt. Aber man denkt jeden Tag darüber nach und versucht in der Diskussion mit den Mitspielenden einen eigenen Ansatz zu finden. Man muss sich tief hineinbohren, darf sich aber auch nicht etwa im Thema Feindesliebe verfangen. Es gilt, zielorientiert zu bleiben, um den umfassenden Jesus darzustellen.
Das Passionsspiel endet mit der Auferstehung. 40 Tage nach Ostern feiert die Kirche das Fest Christi Himmelfahrt. Wie sieht das ein Fachmann, der Luft- und Raumfahrt studiert hat?
Natürlich ist da eine gewisse Wortähnlichkeit da. Nachdem bekannt war, dass ich im Passionsspiel einer der Jesus-Darsteller bin, wurde gern der Witz gemacht, ob nicht Luft- und Himmelfahrt der bessere Titel für das Studium wäre. Ganz klar ist: Die technische Wissenschaft ist sehr trocken. Da geht es um Zahlen, um Fakten. Wie bei den Physikern gilt auch bei uns: Wenn es technisch-wissenschaftlich wird, kann es passieren, dass der eine mehr und der andere weniger glaubt.
In der Apostelgeschichte heißt es: „Vor ihren Augen wurde er emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.“ Passen Naturwissenschaft und Glaube zusammen?
Nun ja, inzwischen kann der Mensch tatsächlich aufsteigen in einer Wolke und aus den Blicken jener, die am Boden stehen, verschwinden. Ich selber bin Drachenflieger. Da ist es geradezu wichtig, unter einer Wolke zu fliegen, um die Thermik zu nutzen. Mein Professor würde aber bei der biblischen Geschichte nachhaken und fragen, wo Jesus denn den Auftrieb hernimmt. Die Fläche sei doch zu klein, um zu starten, oder hatte er irgendein Profil an den Armen? Aber die Geschichte steht nun mal so in der Bibel. Daran kann man glauben oder nicht. Aber ob es plausibel ist, als Wissenschaftler das zu beurteilen, das ist ein anderes Thema.
Ein Wunder also ...
Ich sehe die Wundergeschichten eher als Metaphern. Nehmen wir etwa die Erzählung, in der Jesus den Jüngern übers Wasser laufend entgegenkommt. Als Petrus ihm das nachmachen will, sagt er zu ihm: „Petrus, schau mich an, und komm zu mir, dann wirst du nicht untergehen.“ Petrus versucht es, schaut weg und geht unter. Das ist sinnbildlich gemeint, nämlich seine Augen auf das zu richten, was wichtig ist. Das gilt beispielsweise auch beim Skifahren. Man muss da hinschauen, wo man hinwill. Wer das nicht macht, fliegt hin. Da finde ich die Brücke zum Glauben, das ist für mich schlüssig.
Juri Gagarin sagte, er habe Gott im All nicht gefunden. Andere Kosmonauten nahmen Ikonen mit ins All, die amerikanischen Astronauten hatten die Bibel dabei und lasen beim Anblick der Erde das Buch Genesis. Wäre Astronaut eine Option?
Nein, nicht für mich. Der Mond ist Schnee von gestern; inzwischen peilen sie den Mars an. Aber um dorthinzukommen, dauert es Jahre. Aus unserem Dorf haben es nur wenige rausgeschafft. Ich bin auch viel zu heimatverbunden, als dass ich mir nur ansatzweise vorstellen könnte, Astronaut zu werden.
Also eine Mars-Mission kommt nicht infrage. Aber wie wäre es, die Erde mal von oben anzuschauen?
Das würde mir gefallen. Inzwischen gibt es Flugzeuge, mit denen man so hoch fliegen kann, um das sogenannte Schwarze zu sehen. Da kriegt man auch ein schönes Bild ab, und das wäre nur ein Kurzurlaub. Ich glaube, wenn man da oben ist und die unendliche Weite sieht, geht das ziemlich tief. Man merkt, was man für ein kleines Staubkörnchen im Universum ist. Dies kann dann ein Grund mehr sein, an Gott zu glauben, oder einer weniger.
Und wenn es um Jesus geht, was wollen Sie von ihm in Ihrem Spiel vermitteln?
Ich will rüberbringen, dass die Message von Jesus in die Jetztzeit übersetzt werden kann. Also vor allem die sozialen Aspekte, sei es der Umgang mit den Flüchtlingen oder die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich, auf die er aufmerksam macht. Dabei hat Jesus auf alle Fälle Kanten, redet Klartext und geht seinen Weg, egal wie groß die Hürden sind. Dennoch folgen ihm die Leute, weil sie ihm glauben. Das ist aber umso schwerer, wenn er Sachen sagt wie: „Liebe deine Feinde.“ Dennoch schafft er es, und das gefällt mir.
Interview: Barbara Just