Predigtbuch von Bischof Joachim Wanke
Hirtensorge eines Bischofs
Joachim Wanke: Warum ich Christ bin. Gesammelte Predigten; St. Benno Verlag Leipzig 2021; ISBN 9783746259147; 18,95 Euro |
Für viele Katholiken im Osten Deutschlands haben die verschiedenen Wallfahrten ihren festen Platz im Jahreslauf. Einige besonders wichtige Wallfahrten sind dabei erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Damals wuchs die katholische Kirchen hierzulande zahlenmäßig wegen der vielen Flüchtlinge und Vertriebenen stark an. Im Zuge der innerdeutschen Teilung entstand die Notwendigkeit, die katholische Kirche in Ostdeutschland zu organisieren. Ein großer Teil der Region gehörte zu Bistümern im Westen Deutschlands. Der Staat versuchte die Verbindungen dorthin immer mehr zu behindern.
Die kirchlich Verantwortlichen im Osten suchten Möglichkeiten, den Katholiken Gemeinschaftserfahrungen zu ermöglichen. In ihrem Alltag waren sie oft mehr oder weniger stark den Repressionen des atheistischen DDR-Staates ausgeliefert. So entstanden unter anderem verschiedene Wallfahrten. Die Predigten bei den Wallfahrtsgottesdiensten nutzten die Bischöfe dann in der Regel, um den Wallfahrern – mal mehr, mal weniger deutlich – Hilfen zu geben, unter den DDR-Bedingungen als Christen ihren Glauben im Alltag zu leben. Ein Beispiel dafür ist die Erfurter Herbstwallfahrt – seit der Bistumsgründung Bistumswallfahrt. Bis heute kommen mehrere tausend Christen am dritten Sonntag im September dazu nach Erfurt.
Über 30 Jahre lang prägte Joachim Wanke als Bischof diesen Wallfahrtstag mit. Was er seinen Katholiken zwischen 1981 und 2012 mit auf den Weg gab, lässt sich jetzt in dem Buch „Warum ich Christ bin“ nachlesen. Erschienen ist es anlässlich des 80. Geburtstages des emeritierten Bischofs am 4. Mai im Leipziger St. Benno Verlag. Neben den Wallfahrtspredigten enthält der Band eine Reihe weiterer Ansprachen, die Bischof Wanke dann auch in der Zeit seines Ruhestandes zu verschiedenen Anlässen hielt.
Einzigartige Dokumente der Zeitgeschichte
Im Vorwort würdigt Wankes Nachfolger als Bischof von Erfurt, Ulrich Neymeyr, dessen Wallfahrtspredigten, die er in den Jahren seines Bischofsdienstes in der Regel immer selbst gehalten und nur selten einem prominenten Gast überlassen habe. Diese Predigtsammlung sei „ein einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte, das die Hirtensorge eines Bischofs in der bewegten Geschichte Thüringens bezeugt: von der Repression der Katholiken unter der Diktatur der SED über die turbulente Zeit der Friedlichen Revolution und des Beitritts, die harten Jahre der sogenannten ,Wende‘ bis zum Leben in einer freiheitlich pluralistischen Gesellschaft. Die geneigten Leser werden viel Freude an der Lektüre dieses Buches haben und dem Jubilar für sein bischöfliches Wirken wieder neu dankbar sein“, schreibt Bischof Neymeyr. Darüber hinaus sei das Buch ein beeindruckendes Dokument des Predigtstils von Joachim Wanke, „der immer wieder in großartiger und manchmal auch überraschender Weise vom Neuen Testament inspiriert ist“. Dass sei kein Wunder, denn als Wanke zum Bischof ernannt wurde, war er gerade frischgebackener Professor für die Exegese des Neuen Testamentes am Philosophisch-Theologischen Studium Erfurt.
Am Ende des Buches, das auch zahlreiche Fotos vor allem von den Erfurter Herbstwallfahrten enthält, gibt Bischof Wanke in einem recht persönlich gehaltenen Text Auskunft auf die Frage des Buchtitels: Warum ich Christ bin? Seine intellektuelle, emotionale und letztlich religiöse Zustimmung zu einem umfassenden Gotteshorizont aller Wirklichkeit, auch seines eigenen Lebens, speise sich vornehmlich aus dem Gottesbild Jesu. Dabei verweist Bischof Wanke unter anderem auf die Faszination, die von der Botschaft des Evangeliums, für das die Gestalt Jesu steht, ausgeht: „Wenn es Gott wirklich geben und dieser eine Bedeutung für mein Leben haben sollte, dann ist es der Gott und Vater Jesu Christi.“
Von Matthias Holluba