Über Tabormomente im Glauben
Höhepunkte, die weitertragen
Das Evangelium an diesem Sonntag berichtet, wie Jesus und drei Jüngern auf dem Berg Tabor die Propheten Mose und Elija erscheinen. Die Jünger sind begeistert. Es ist ein Ereignis, das sie verändert. Was sind heute Tabor-Momente von Gläubigen? Was prägt sie und wovon zehren sie im Alltag?
Eine Reise als Stärkung
Es sind mehr als schöne Erinnerungen, die Doris von der Haar von einer Pilgerfahrt nach Irland mitgebracht hat. „Die Reise hat einen Abdruck hinterlassen“, sagt die 54-Jährige und erzählt von einer Messe in den Ruinen eines Klosters. Vor fast 1000 Jahren haben Mönche die Abtei Corcomroe gegründet. Die Klosterkirche steht noch, ohne Fenster und Dach. Der Innenraum wurde irgendwann zum Friedhof gemacht, überall liegen Grabplatten, die man nicht betreten darf. Die Reisenden müssen hindurchbalancieren und stehen bei der Messe relativ ungeordnet vor dem Altar. Dahinter geben drei Fensterhöhlen den Blick auf den blauen Himmel frei.
Es ist ein schlichter Gottesdienst, aber er gibt Kraft. Der volle Gesang der Gruppe, der historische Ort: „Wie viele Christen haben hier wohl schon Gottesdienst gefeiert?“, fragt sich Doris von der Haar. Und sagt: „Das ist ein Moment, in dem sich der Glaube festigt. Er hat einen Platz in dieser Welt. Der Geist Gottes wirkt über die Jahrhunderte.“
Ähnlich geht es ihr bei der Sonntagsmesse in einer irischen Landpfarrei. Der Missbrauchsskandal hat Irland viel früher als Deutschland erfasst und auch heftiger. Die Kirche ist nach wie vor in der Krise. Aber die Messe ist gut gefüllt. In den Bänken sitzen Familien mit Kindern und Jugendlichen. „Die Leute haben ihren Glauben nicht verloren“, sagt Doris von der Haar. Ohne den Missbrauch und die nötigen Konsequenzen zu vernachlässigen, stünden sie zur Kirche und zum Glauben.
Für Doris von der Haar waren diese Gottesdienste Tabor-Momente, die ihren Glauben und ihre Gottesbeziehung gestärkt haben. Diese Momente nimmt die Wort-Gottesdienst-Leiterin mit in den Alltag in ihrer Gemeinde im emsländischen Schapen. In Projekten mit Firmlingen und Jugendlichen, in Frauenmessen oder in Gottesdiensten mit Senioren will sie den Menschen dort ähnliche Erfahrungen ermöglichen, um sie mit Gott in Berührung zu bringen. Nicht immer klappt das. Der Alltag hält auch Frust bereit. Sie sagt: „Wenn man solche Momente nicht hätte, wäre es schwierig, aus frustrierenden und enttäuschenden Momenten wieder rauszukommen.“
Ulrich Waschki
Silvester im Kloster
Ich war in einer Auszeit über den Jahreswechsel im Kapuzinerkloster Münster. Zehn junge Frauen und Männer sind der Einladung der Kapuziner gefolgt, den Jahreswechsel gemeinsam, ein bisschen anders als gewöhnlich, zu verbringen: mit Impulsen, Austausch in der Gruppe, beim Mitleben und Mitbeten mit den Brüdern und mit ganz viel Stille.
Schon an der Klosterpforte empfand ich ein herzliches Willkommensein. Da merkte ich, dass der Cut mit dem Alltag mir guttut. Und da waren noch neun andere, denen das übliche Silvester in diesem Jahr wohl ebenfalls zu konventionell erschien. Wir hatten zunächst nicht vieles gemeinsam, außer, dass wir unseren Glauben mitbrachten und irgendwie darin suchten und weiterkommen wollten. Die Kapuziner signalisierten uns: „Fühlt euch wie zu Hause.“ Da war ein Verhältnis auf Augenhöhe und von gegenseitigem Interesse. Da waren Energien, die mich beflügelten.
Der Alltag ist irdisch, diese Auszeit hatte einen Hauch von Himmlischem. Ich merkte, hier sind Menschen zusammen, Kapuziner und Gäste, die miteinander wohlwollend umgehen wollen. Sympathische Menschen mit Tiefgang, die dieselben Werte teilen.
Wir waren rasch mittendrin im freien und mutigen Mitteilen über unser Leben und unseren Glauben. Auf den Tisch zu bringen, was uns bewegt, was wir an der Kirche doof finden, wir sprachen über Gründe zum Austritt aus der Kirche und was die meisten von uns doch darin hält.
Es war ein echtes Tabor-Erlebnis, wovon ich zehre. Nicht immer treffe ich im Alltag Gleichgesinnte, die auf einem ähnlichen Weg sind wie ich, nämlich mit Freude zu glauben, aber auch die Widrigkeiten in der Nachfolge Christi teilen zu können. Da sind Ressourcen entstanden, auf die ich im Alltag zurückgreifen kann. Ich fühle mich von einer Gemeinschaft getragen, die Jesus Christus nicht den Rücken kehren möchte, sondern ihn ins eigene Leben integriert.
Leonard Bormann, 25, Student aus Frankfurt am Main. Aufgezeichnet von Michael Maldacker
Die Magie der Lichter
Als Teenager wollte Eva Wildemann mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Sie wollte nicht mehr Messdienerin sein, war lustlos und oft genervt von ihren Eltern. „Als dann die Firmung anstand, hatte ich dazu überhaupt keinen Bock – und bin trotzdem mit der Gruppe nach Taizé gefahren“, sagt die 30-Jährige, die in Mainz lebt.
Dort hatte sie einen Moment, der ihr Leben veränderte: In der Nacht der Lichter hockte sie mit anderen Jugendlichen auf dem Boden, jeder hielt eine Kerze in der Hand. „Das Licht der Osterkerze, an der sich dann alle anderen Kerzen entzünden – dieses Bild hat mich beeindruckt“, sagt sie. „Da habe ich gespürt, dass es mehr zwischen Himmel und Erde geben muss.“ Sie sagt, sie wisse nicht, wo sie heute stünde, hätte sie diesen Tabor-Moment nicht gehabt. „Mein Leben wurde da in neue Bahnen gerückt. Ich wurde wieder Messdienerin und fasste den Entschluss, Theologie zu studieren.“
2016 fuhr Wildemann mit einer Gruppe Jugendlicher zum Weltjugendtag nach Krakau. „Ich steckte wieder in einer schwierigen Phase“, erinnert sie sich. Kurz vor Ende ihres Studiums zweifelte sie, ob sie wirklich Religionslehrerin werden sollte. „Ich fühlte mich nicht angekommen in meinem Leben. Ich wusste nicht, wohin mit mir und meinen Sorgen“, sagt sie.
Am letzten Abend des Jugendtreffens feierte sie gemeinsam mit einer Million anderen eine Vigilfeier auf freiem Feld. „Das war ein krasser Moment. Alle hatten eine Kerze in der Hand, das ganze Feld war erleuchtet“, sagt sie. „Die Ruhe, das Gebet, das Licht in meiner Hand – da habe ich Gott ganz nah bei mir gespürt.“
Von diesem Moment zehrt sie noch heute: Wenn es ihr nicht gutgeht, dann schaut sie sich auf Youtube das Video dieser Feier an. „Es hilft mir, weil ich mit diesem Ereignis ein so gutes Gefühl verbinde. Da habe ich gemerkt, dass ich meinen Glauben leben möchte“, sagt Wildemann. „Der Weltjugendtag war und ist für mich ein richtiger Energiespender.“
Kerstin Ostendorf